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ZurückZum Höhepunkt der Hearings der 1. Runde der designierten Kommissionsmitglieder standen am 8. Oktober 2019 im EU-Parlament jene der drei exekutiven VizepräsidentInnen auf der Tagesordnung. Am Nachmittag war Margrethe Vestager, designierte Kommissarin für Wettbewerb in und ebenso designierte exekutive Vizepräsidentin für ein „Europa fit für das digitale Zeitalter“ an der Reihe. Es wäre ihre zweite Amtszeit in der EU-Kommission.
Vestager stellte sich den Fragen von gleich drei Ausschüssen, die sich mit den Themen Industrie, Binnenmarkt und Wirtschaftspolitik befassen und – wie sie selber positiv hervorhob – alle drei von Frauen geführt werden. In ihrem Eröffnungsstatement plädierte Vestager für ein starkes und faires Europa, das sich selbst treu bleibt und weder China, noch die USA imitiert. Wettbewerbsrecht trage dazu bei, ein ‚level playing field‘, also gleiche Bedingungen für alle herzustellen. Sie sorge dafür, dass die Märkte für die Menschen arbeiten, und nicht umgekehrt. Sie verwies auf die Rechte der KosumentInnen und stellte klar, dass Fusionen per se kein Vergehen seien, dass sich Unternehmen jedoch im Gegenzug zu Rechenschaft verpflichten. Auch staatliche Beihilfen dürften nicht dazu führen, dass effektiver Wettbewerb verhindert und dadurch die Position der KonsumentInnen geschwächt würde. Vestager kündigte eine neue Industriestrategie und eine Strategie für KMU an, um einen fairen und ‚grünen‘ Binnenmarkt umzusetzen.
Potenziale der Digitalisierung nutzen und Vertrauen schaffen
Vestager stellte Potenziale und Risiken von Digitalisierungsprozessen dar. Künstlicher Intelligenz schrieb sie eine Schlüsselrolle zu und beschrieb die positiven unterstützenden Wirkungen der künstlichen Intelligenz, beispielsweise für Gesundheitsleistungen, im Transportwesen oder zur Bekämpfung des Klimawandels. Ein koordinierter Ansatz zur künstlichen Intelligenz soll nach 100 Tagen im Amt vorgelegt werden. Es bedürfe einer menschlichen und ethischen Gestaltung der künstlichen Intelligenz, die Entscheidungsfindungen durch Menschen unterstützen soll. Generell gelte es, das Vertrauen der Menschen für ebendiese Transformationsprozesse zu gewinnen.
Apropos Vertrauen: Vestager kritisierte mehrfach den „Überwachungskapitalismus“, der besonders von Giganten wie Google betrieben wird. Zur Frage, ob die Aufspaltung der großen Player eine Option sei, räumte Vestager ein, dass dies ein Instrument unter Vielen sei und zunächst weniger radikale Ansätze eingesetzt werden müssten. Ebenso kündigte Vestager an, die Richtlinie für digitale Dienstleistungen voranzubringen. Auch der Verbesserung der Arbeitssituation von PlattformarbeiterInnen, ein wichtiges Anliegen für die AK, will sich Vestager in diesem Rahmen annehmen.
Vestagers Visionen für faire Besteuerung
Mehrfach kam die Dänin auf das Thema der Digitalsteuer und eines fairen globalen Steuersystems zu sprechen. Vestager versicherte, die Digitalsteuer auf europäische Ebene anzugehen, falls der Vorschlag auf G20-Ebene scheitert. Sie räumte ein, dass europäische Lösungen im Bereich der Steuerpolitik schwierig zu erreichen seien, aber dass auch Fortschritte gemacht wurden. Vestager sprach sich klar für die Gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage (GKKB) aus, die unabdinglich für eine gute Regelung zu einem Mindeststeuersatz sei.
Souveräner Auftritt, aber teilweise unkonkret
Wie von ihr erwartet lieferte Margrethe Vestager einen souveränen Auftritt ab und kann aller Voraussicht nach mit der Unterstützung der ParlamentarierInnen rechnen. Mit Hinblick auf die Industriestrategie blieb sie allerdings etwas vage und verpasste die Chance, ihre Vorhaben klar zu benennen. Zwei konservative Abgeordnete bemängelten darüber hinaus einen „inhärenten Interessenkonflikt“ in der neuen Rolle der Liberalen, die schließlich sowohl Kommissarin für Wettbewerb als auch exekutive Vizepräsidentin für Digitales sein soll. Vestager versicherte, dass sie sich dieser Mammutaufgabe bewusst sei. Sie habe, jedoch sowohl Vertrauen in die kollegiale Abstimmung mit anderen KommissarInnen als auch in die vorhandenen Kontrollmechanismen innerhalb der Generaldirektion für Wettbewerb.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Policy brief „Digitalisation and taxation“
A&W Blog: Digitalisierung und Pflege