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ZurückMit 30. September 2019 starteten die Hearings der designierten KommissarInnen im EU-Parlament. Auch der neue Kommissar für Beschäftigung stellte sich in einem 3-stündigen Hearing den Fragen der Abgeordneten des EU-Parlaments, in seinem Fall des Beschäftigungsausschusses. Dabei kamen auch viele aus AK-Sicht wichtige Themen zur sozialeren Ausgestaltung Europas zur Sprache.
Nicolas Schmit, ehemaliger luxemburgischer Arbeitsminister und seit Mai 2019 Abgeordneter der S&D-Fraktion im EU-Parlament, zeigte sich in seinem Hearing als großer Unterstützer der Sozialpartnerschaft, des sozialen Dialogs und Kollektivverhandlungen. Es gelte – vor allem in jenen Ländern, die über keine ausgeprägten sozialpartnerschaftlichen Strukturen verfügen – Gewerkschaften und Unternehmensverbände zu stärken. Um Wege zu finden, die Tarifbindung zu erhöhen, müsse – so Schmit – auch die europäischer Ebene stärker aktiv werden, etwa auch Mittel aus dem EU-Budget zur Verfügung stellen.
Gerechter Mindestlohn und starke Kollektivvertragssysteme
Auch beim Thema gerechter Mindestlohn – einem der Kernprojekte aus dem Mission Letter an Nicolas Schmit von Kommissionspräsidentin Von der Leyen – setzt Schmit auf Kollektivverträge als den besten Weg. Vor allem auch in Richtung der skandinavischen Abgeordneten unterstrich er, dass nicht bezweckt sei, durch eine neue europäische Rahmenrichtlinie in bestehende, gut funktionierende Kollektivvertragssysteme einzugreifen. Der Mindestlohn wäre jedoch dort notwendig, wo keine Tarifbindung bestehe.
PlattformarbeiterInnen, psychische Krankheiten und Arbeitsinspektorate
Mit Blick auf die neue Gesetzgebung in Kalifornien bestehen in Europa nach wie vor große Regulierungslücken bei den Arbeitsbedingungen der PlattformarbeiterInnen. Hier – so Schmit – bräuchte es eine Stärkung ihrer Rechte, was die Einführung eines gesetzlichen ArbeitnehmerInnenbegriffes und das Recht der PlattformarbeiterInnen auf Kollektivverhandlungen umfasst. Prekärer Arbeit in Europa den Kampf anzusagen, etwa auch durch das Konzept eines ArbeitnehmerInnenbegriffes im EU-Recht, ist auch eine Forderung, welche die AK in den letzten Jahren immer wieder erhoben hat.
Auch auf arbeitsbedingten Stress, Burnouts und psychische Erkrankungen unter PlattformarbeiterInnen sowie in anderen Sektoren wies Schmit hin. Diese Themen gelte es im Rahmen des Aktionsplanes zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte aufzugreifen. Um Ausbeutung zurückzudrängen, forderte der designierte Kommissar eine Stärkung und den Ausbau der Arbeitsinspektorate und trat für eine starke Europäische Arbeitsbehörde und bessere Kontrolle der Durchsetzung der Entsendevorschriften ein.
Sozialwirtschaft, Kinderarmut und Arbeitslosenrückversicherung
Als ein „großer Fan der Sozialwirtschaft“ bezeichnete sich Schmit: Diese biete nicht nur wichtige Dienstleistungen an, sondern sei auch ein wichtiger Arbeitsmarkt. Daher müsse ihr auch die gleiche Priorität wie dem Binnenmarkt zukommen. Wesentlich sei etwa die Erhöhung der Investitionen in öffentliches Wohnen. Bedeutend für den sozialen Zusammenhalt sieht Schmit auch die Fortsetzung und Verbesserung der bestehenden Jugendgarantie und die Schaffung einer Kindergarantie, durch welche Kinderarmut bekämpft werden soll.
Mit Rückblick auf die Wirtschafts- und Finanzkrise resümierte Schmit, dass eine Absicherung der Menschen auch dann gewährleistet sein muss, wenn Staaten in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Dies könnte die – ebenfalls im Mission Letter angekündigte – Arbeitslosenrückversicherung garantieren: Hier ginge es nicht um permanente Transfers an einzelne Mitgliedstaaten, sondern darum, Schocks in der Wirtschaft abzufedern. Um Aufwärtskonvergenz zu erreichen, wäre – aus Sicht der Arbeiterkammer – auch die Einführungen europäischer Mindeststandards in der Arbeitslosenversicherung notwendig.
Wie geht es weiter mit dem sozialen Programm?
In seinem Hearing hat der designierte Beschäftigungskommissar einige wichtige Projekte für eine sozialere Ausgestaltung Europas genannt. Positiv ist auch seine Äußerung zu werten, dass das soziale Programm noch kein abgeschlossenes Projekt ist, sondern insbesondere auch in enger Zusammenarbeit mit dem EU-Parlament noch ausgebaut werden muss. Maßgeblich für den Erfolg des sozialen Programms der EU-Kommission werden aber auch die Schwerpunktsetzungen in anderen Politikbereichen und die Koordinierung zwischen den KommissarInnen sein. Hier stellt etwa das in allen Mission Letters vorgesehene „One in, one out“-Prinzip ein Drohpotential für Mindeststandards etwa im Sozialbereich dar.
Weiterführende Informationen:
Antworten von Nicolas Schmit auf den Fragenkatalog des Europäischen Parlaments