Nachrichten
ZurückDie finanzielle Tragfähigkeit öffentlicher Pensionssysteme wird angesichts alternder Gesellschaften regelmäßig in Frage gestellt. Der aktuelle Ageing Report 2024 der EU-Kommission zeigt jedoch einmal mehr: Österreich kann auf ein nachhaltiges und finanziell tragfähiges Pensionssystem bauen. Der neben dem Pension Adequacy Report alle drei Jahre erscheinende Bericht enthält Langfristberechnungen unter anderem zu den Pensionsausgaben der EU-Mitgliedstaaten.
Die prioritäre Aufgabe von Pensionssystemen ist es, auch unter demografisch bedingt erschwerten Rahmenbedingungen, eine gute und verlässliche Absicherung im Alter zu gewährleisten. Die Verlässlichkeit der in Aussicht gestellten Pensionsleistungen setzt auch Vertrauen in deren künftige Finanzierbarkeit voraus (finanzielle Tragfähigkeit). Um die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in den EU-Mitgliedstaaten zu beurteilen, erstellt der Ausschuss für Wirtschaftspolitik (EPC) gemeinsam mit der EU-Kommission (Generaldirektion ECFIN) seit 2006 alle drei Jahre einen Bericht. Der Ageing Report enthält langfristige Projektionen zu altersabhängigen Ausgaben (Pensionen, Gesundheit, Langzeitpflege und Bildung) für die EU-Mitgliedstaaten (und Norwegen) bis zum Jahr 2070, basierend auf den jeweils aktuellen Bevölkerungsprognosen. Im Mai 2024 hat der Rat Ratsschlussfolgerungen dazu angenommen.
Österreich kann auf ein finanziell tragfähiges Pensionssystem bauen
Für Österreich zeigt der Ageinig Report 2024, dass die Pensionsausgaben im Hauptszenario in Relation zum BIP bis 2070 nur geringfügig ansteigen werden, obwohl der Anteil der Älteren deutlich zunimmt. Im Laufe der nächsten zehn Jahre kommt es durch das Hineinwachsen der Babyboomer ins Pensionsalter zwar vorerst zu einem moderaten Anstieg, dann aber rasch wieder zu einer rückläufigen Entwicklung. Nach dem Babyboomer-Peak pendeln sich die Aufwendungen für öffentliche Pensionen laut Ageing Report mit 14% des BIP bei einem Wert ein, der nur minimal über dem Anteil vor rund 10 Jahren liegt; dort bleiben sie auch langfristig. Damit werden alle Horrorszenarien eines „insolventen“ Pensionssystems ad absurdum geführt. Noch deutlicher als bisher wird bestätigt, dass die langfristige Finanzierbarkeit der Pensionen in Österreich trotz der im internationalen Vergleich sehr guten Sicherungsniveaus in keiner Weise gefährdet, sondern sehr solide aufgestellt ist. Österreich ist somit auf die Herausforderung einer alternden Gesellschaft sehr gut vorbereitet.
Alternde Gesellschaften, angemessene Pensionen und „finanzielle Nachhaltigkeit“
Bei der Beurteilung der finanziellen Nachhaltigkeit handelt es sich schlussendlich um eine politische Frage. Die Gewährleistung finanzieller Nachhaltigkeit verlangt, den demografisch bedingten Aufwandsanstieg bei gleichzeitiger Sicherstellung angemessener Pensionen auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Ausmaß einzudämmen. Aus Sicht der AK verlangt sie mit Sicherheit nicht, den öffentlichen Pensionsaufwand trotz deutlicher gesellschaftlicher Alterung unter die aktuellen Niveaus zu drücken. Angesichts des Ausmaßes der Bevölkerungsalterung sollte vielmehr außer Streit gestellt werden, dass für die deutlich wachsende Gruppe der Älteren zukünftig ein etwas größeres Stück des (wachsenden) Gesamtkuchens zu reservieren ist. Die dem aktuellen Ageing Report zugrundeliegende Demografie-Projektion bis 2070 geht immerhin von einem Anstieg dieser Bevölkerungsgruppe um beträchtliche 64% (gegenüber 2013) aus. Jeden auch noch so moderaten Anstieg öffentlicher Pensionsausgaben als Ausdruck „mangelnder finanzieller Nachhaltigkeit“ zu diskreditieren, hat vor diesem Hintergrund keine sachliche Begründung.
Inklusive Strategien gefragt
Aus Sicht der AK braucht es eine weitere Beförderung der Angemessenheit und Nachhaltigkeit durch inklusive Strategien, nicht Kürzungen der Ausgaben für öffentliche Pensionen trotz massiver Alterung. Von 2012 bis 2019 hat die EU-Kommission Jahr für Jahr (bis auf das Jahr 2017) Österreich unter dem Vorwand der finanziellen Nachhaltigkeit empfohlen, das gesetzliche Pensionsantrittsalter mit der steigenden Lebenserwartung anzuheben (Pensionsautomatismus). Die AK hat diese Empfehlung stets strikt zurückgewiesen und begrüßt, dass sie seit dem Jahr 2020 nicht mehr vorgebracht wird. Auch die jeweiligen österreichischen Bundesregierungen haben beharrlich und unmissverständlich klargestellt, dass für die langfristige Sicherung des Pensionssystems nicht die Anhebung des gesetzlichen, sondern des tatsächlichen Pensionsantrittsalters im Fokus steht. Dies wird durch den Ageing Report neuerlich eindrücklich belegt: Während eine Anbindung an die Lebenserwartung bedeuten würde, dass die öffentlichen Pensionsaufwendungen trotz deutlicher Alterung langfristig erheblich unter die aktuellen Niveaus gedrückt werden, ließe sich durch inklusive, auf höhere Beschäftigungsquoten abzielende Strategien sowohl die Angemessenheit befördern als auch der, durch die Demografie bedingte vorübergehende Anstieg der Aufwendungen weiter deutlich eindämmen. Sollte die EU-Kommission dennoch in Zukunft wieder einen Pensionsautomatismus empfehlen, würde dies auf breites Unverständnis stoßen.
Recht auf angemessene Pensionsleistungen
Grundsatz 15 der Europäischen Säule sozialer Rechte bekräftigt das Recht auf angemessene Pensionsleistungen. Die Angemessenheit ist eine zentrale, mit der Nachhaltigkeit verschränkt zu betrachtende, pensionspolitische Zielsetzung. Diesen wichtigen Aspekt nimmt der Pension Adequacy Report in den Fokus. Er wird alle drei Jahre vom Ausschuss für Sozialschutz (SPC) gemeinsam mit der EU-Kommission (Generaldirektion EMPL) veröffentlicht. Der Bericht analysiert, inwieweit die Pensionssysteme der EU-Mitgliedstaaten ein angemessenes Einkommen im Ruhestand gewährleisten, d. h. Altersarmut verhindern und das Einkommen für die Dauer des Ruhestands sichern. Laut der aktuellen Ausgabe des Berichts hat das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung für ältere Menschen in der EU seit 2019 weiter zugenommen. Der Rat hat im Juni 2024 erstmals Ratsschlussfolgerungen zum Bericht angenommen. Für Österreich hält der Bericht fest, dass im internationalen Vergleich ein sehr gutes Sicherungsniveau gegeben ist, auch für die heute noch Jüngeren.
Ausblick
In den letzten 30 Jahren zielten Pensionsreformen zumeist auf die finanzielle Tragfähigkeit und die Eindämmung des Ausgabenanstiegs infolge der Bevölkerungsalterung ab. Der wichtige Aspekt der Angemessenheit rückte dabei häufig in den Hintergrund. Dies führte EU-weit zu niedrigeren Einkommensersatzraten in der Pension sowie vielfach zu einer Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters. Aus Sicht der AK sollte der Fokus hingegen vielmehr auf die Erwerbsintegration gerichtet werden. Gefragt sind inklusive Gesamtstrategien, die auf bessere Erwerbschancen über alle Erwerbsalter hinweg und vor allem von benachteiligten Gruppen wie Frauen, Ältere, Niedrigqualifizierte oder Personen mit Migrationshintergrund abzielen. Die konsequente Nutzung bestehender Beschäftigungspotentiale würde nicht nur die Angemessenheit und Nachhaltigkeit der Pensionen gleichermaßen befördern, sondern auch die Lebensrealität von Millionen EU-Bürger:innen erheblich verbessern.
Weiterführende Informationen:
EU-Kommission: Ageing Report 2024 (nur Englisch)
EU-Kommission: Pension Adequacy Report 2024 (nur Englisch)
A&W Blog: Und wieder einmal: Pensions-Schwarzmaler:innen durch aktuelle EU-Projektionen klar widerlegt.
AK EUROPA: Zentrale Bedeutung der Arbeitsmärkte für die Angemessenheit und Nachhaltigkeit von Pensionen
AK EUROPA: Neue EGB-Studie: Wie würde sich die Umsetzung des Aktionsplans zur Europäischen Säule sozialer Rechte auf die Pensionen auswirken?
AK EUROPA: Die Zukunft der Pensionen in Europa