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ZurückEine aktuelle Studie des EGB belegt, dass eine bessere Arbeitsmarktintegration der Menschen im Erwerbsalter in gute Jobs der beste Weg ist, um die Angemessenheit und Nachhaltigkeit von Pensionen langfristig sicherzustellen.
Im Rahmen des von der Europäischen Kommission finanzierten SociAll- Projektes des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) wurde unter Mitwirkung von ExpertInnen der Arbeiterkammer eine Studie erstellt, die die zentrale Bedeutung aufzeigt, die der Arbeitsmarkt für die langfristige Angemessenheit und Nachhaltigkeit der Pensionen spielt.
Dass das Ausmaß und die Qualität der Beschäftigung in nahezu allen Pensionssystemen die Höhe individueller Pensionsansprüche und deren Finanzierung im erheblichen Maße (mit)bestimmen, ist offensichtlich. Dennoch hat sich die öffentliche Pensionsdebatte vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung die längste Zeit nahezu ausschließlich auf Aspekte der finanziellen Nachhaltigkeit bei gleichzeitig weitgehender Konzentration auf den vermeintlich dominierenden Einfluss der Alterung beschränkt. Häufig wurden und werden dabei Verschiebungen der Relation zwischen der Zahl der Menschen im Pensionsalter und jenen im Erwerbsalter einfach mit Verschiebungen in der Relation zwischen der Zahl der Pensionist_innen und der Erwerbstätigen gleichgesetzt und als „Beleg“ für die drohende mangelnde Nachhaltigkeit umgedeutet. Nachhaltigkeit könne demnach nur gewährleistet werden, wenn die Altersgrenze zwischen Erwerbs- und Pensionsphase – also das Pensionsalter – deutlich angehoben würde.
Diese Gleichsetzung ist jedoch völlig verfehlt und verstellt den Blick auf ganz zentrale Handlungsoptionen: Für die Finanzierbarkeit von Pensions- bzw. Sozialsystemen insgesamt ist nicht das Verhältnis der zahlenmäßigen Besetzung von Altersgruppen zueinander maßgeblich, sondern die Relation der Zahl der auf Transferleistungen angewiesenen Personen zur Zahl der Erwerbstätigen, also jener, die diese Leistungen letztlich finanzieren. Die künftige Entwicklung dieser Relation – die ökonomische Abhängigkeitsquote – hängt dabei keineswegs bloß von demografischen Veränderungen ab, sondern wird ganz maßgeblich vom Ausmaß der künftigen Erwerbsintegration mitbestimmt. Oder anders gesagt, durch eine deutlich verbesserte Erwerbsintegration lässt sich der demografisch bedingte Anstieg ökonomischer Abhängigkeitsrelationen erheblich eindämmen.
In ihrer Analyse weist die EGB-Studie auf die beträchtlichen Arbeitsmarktschwächen und die beträchtlichen Potentiale für eine deutlich verbesserte Erwerbsintegration in der Europäischen Union hin: Viele Millionen Arbeitslose, in den offiziellen Statistiken nicht als arbeitslos erfasste Erwerbslose und Unterbeschäftigte über alle Erwerbsalter verteilt prägen die aktuelle Situation.
Mittels Gegenüberstellung eines „Standard Szenarios“ und eines „Szenarios mit hoher Beschäftigung“ wird dann gezeigt, welches enorme Potential eine inklusive Arbeitsmarktstrategie in Sinne einer Konvergenz nach oben zur Eindämmung des künftigen Anstiegs ökonomischer Abhängigkeitsquoten besitzt:
- Während der Altenquotient (65+/20 bis 64) laut aktuellen EUROSTAT-Projektionen in der EU27 im Zeitraum 2019 bis 2070 voraussichtlich um 72 % ansteigen wird, erhöht sich die ökonomische Abhängigkeitsquote selbst im pessimistischen „Standard Szenario“, das den Annahmen des Ageing Reports der Europäischen Kommission folgt, mit plus 29 % deutlich schwächer. Auch hier zeigt sich neuerlich, wie verfehlt eine Gleichsetzung von Verschiebungen in rein demografischer Relationen und tatsächlichen ökonomischen Abhängigkeitsrelationen ist.
- Im „Szenario mit hoher Beschäftigung“, in dem angenommen wird, dass die aktuellen Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten der Best Performer bis 2070 in der EU 27 insgesamt erreicht würden, reduziert sich der Anstieg der ökonomischen Abhängigkeitsquote bei unveränderten demografischen Annahmen auf lediglich 8 %.
- Das heißt, durch eine inklusive Arbeitsmarktstrategie ließe sich der Anstieg der ökonomischen Abhängigkeitsquote auf ein Drittel reduzieren und damit trotz massiver Alterung auf ein äußerst moderates Ausmaß beschränken.
Weitreichende und teilweise sicher auch weit überschießende Reformen quer durch Europa haben dazu geführt, dass die künftige Angemessenheit von Pensionen vielfach nicht mehr gewährleistet ist. Es ist hoch an der Zeit, den Fokus nun endlich auf deutlich verbesserte Erwerbschancen und inklusive Arbeitsmärkte zu richten. Damit ließen sich nicht nur die gravierenden Probleme der Gegenwart, wie die viel zu hohe Arbeitslosigkeit, schlechte bzw. fehlende Erwerbschancen insbesondere von erheblich benachteiligten Gruppen etc. lösen bzw. abmildern, es wäre auch der beste Weg, um die Angemessenheit und Nachhaltigkeit der Pensionen langfristig sicherzustellen.
Weiterführende Informationen:
EGB-Projekt SociAll (nur Englisch)
AK EUROPA: Neues Grünbuch zum Thema Altern