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ZurückAm 12. Oktober 2020 lud der Handelsausschuss des EU-Parlaments zum fünften Mal zum Tag der Handelspolitik. In diesem Rahmen diskutierten Abgeordnete, Wissenschaftler und StakeholderInnen darüber, wie eine neue EU-Handelspolitik nach der Coronakrise aussehen sollte.
Der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (S&D), äußerte einleitend sein Bedauern darüber, dass es sich bei der aktuelle Ausgabe des Tags der Handelspolitik aufgrund der Coronakrise lediglich um ein zweistündiges Treffen handle. Gleichzeitig betonte er die Wichtigkeit eines regelbasierten Handels, widerstandsfähigerer Lieferketten sowie der ökologischen Gestaltung von Handelspolitik.
Kommission überprüft zukünftige Ausrichtung
Handelskommissar Valdis Dombrovskis hielt fest, dass die wirtschaftliche Erholung im Anschluss an die Coronakrise einen wichtigen Beitrag zum Übergang in eine grünere Gesellschaft leisten müsse. Er sprach einmal mehr vom Prinzip der offenen strategischen Autonomie und verwies auf die derzeitige Überprüfung der EU-Handelspolitik sowie die (noch bis zum 15. November 2020) laufende Konsultation zu diesem Thema, an der sich die Arbeiterkammer bereits beteiligt hat. Auf deren Basis wolle die Kommission Anfang 2021 eine Mitteilung zur zukünftigen Ausrichtung der EU-Handelspolitik präsentieren. Dombrovskis verwies außerdem auf das neue Access2Market Portal der Kommission, das KMU zukünftig den Zugang zu neuen Märkten erleichtern soll sowie auf die Ernennung des leitenden Handelsbeauftragten.
Widerstandsfähig und Nachhaltig
Um eine gesteigerte Widerstandsfähigkeit zu erreichen, empfahl der Ökonom Gabriel Felbermayr vom Kieler Institut für Weltwirtschaft eine stärkere Diversifizierung – also eine Erweiterung bzw. Modifizierung – der Lieferketten. Er betonte aber auch, dass die Wirtschaft der EU bereits sehr diversifiziert und nur bei sehr wenigen Produkten stark von einzelnen Drittstaaten abhängig sei. Joseph Shapiro von der Universität Berkeley sprach über die ökologische Dimension von Handelspolitik sowie die Möglichkeiten und Herausforderungen eines CO2-Grenzausgleichsystems. Shapiro wies darauf hin, dass „saubere“ Produkte in der EU wesentlich stärker von Zöllen und anderen Handelshemmnissen betroffen sind als „schmutzige“ – also in ihrer Herstellung besonders energieintensive – Produkte.
Unter den zu Wort kommenden DiskutantInnen war neben VertreterInnen der Organisationen Eurochambres, amfori und ClientEarth auch die Generaldirektorin der GD Handel der EU-Kommission, Sabine Weyand. Sie forderte die StakeholderInnen in ganz Europa dazu auf, sich konstruktiv an der Konsultation zur Überprüfung der Handelspolitik zu beteiligen. Allgemein, so Weyand, gehe es bei der Handelspolitik immer um die Gestaltung der Globalisierung. Hier müsse die EU aufpassen, nicht zu defensiv zu agieren. Handelsabkommen wie das EU-Mercosur Abkommen mit vermeintlich starken Nachhaltigkeitskapiteln liefern ihrer Meinung nach den besten Hebel, um eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.
Kritik an Handelsabkommen der EU
Genau diese Handelsabkommen werden allerdings von zahlreichen Mitgliedern des Handelsausschusses kritisch gesehen. Joachim Schuster (S&D) forderte die Kommission etwa auf zu überprüfen, was die von der EU abgeschlossenen Abkommen überhaupt bewirken und wie sichergestellt werden kann, dass die Abkommen den politischen Zielen der EU – gerade hinsichtlich Nachhaltigkeit – nicht zuwiderlaufen. Helmut Scholz (GUE) ging noch einen Schritt weiter und konstatierte, dass sich die Behauptung, Handelsabkommen brächten Vorteile für die EU mit sich, nicht mehr länger aufrechterhalten ließe.
Neben Mitgliedern des EU-Parlaments, NGOs und immer mehr Mitgliedsstaaten kritisiert auch die Arbeiterkammer das geplante EU-Mercosur Abkommen und fordert den sofortigen Stopp der Verhandlungen.
Weiterführende Informationen:
Arbeiterkammer: EU-Konsultationspapier - Eine überarbeitete Handelspolitik für ein stärkeres Europa
AK EUROPA Positionspapier: Europäisches Klimagesetz
AK EUROPA: EU-Parlament bestätigt Personalrochade der Kommission