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ZurückDer sogenannte „Golfgate“-Skandal hat die Amtszeit von EU-Handelskommissar Phil Hogan nur rund ein Jahr nach seiner Ernennung wieder beendet. Seine Aufgaben wird zukünftig Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis übernehmen. Unklar ist währenddessen, wie es mit den großen Freihandelsabkommen EU-Mercosur und CETA weitergeht.
Von wegen Sommerloch: Mit seinen Verstößen gegen zahlreiche der in seinem Heimatland Irland geltenden Corona-Regeln sorgte Handelskommissar Phil Hogan für reichlich (negative) Schlagzeilen. Nachdem Hogan sich zuerst uneinsichtig zeigte, gab er am 26. August 2020 schließlich doch seinen Rücktritt bekannt.
Als Nachfolger wurde am 8. September 2020 Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis ernannt, welcher nach Hogans Rücktritt bereits interimistisch mit dem Handelsportfolio betraut worden war. Seine bisherige Zuständigkeit für Wirtschaftspolitik und seine Rolle als Vertreter der Kommission in der Eurogruppe wird Dombrovskis behalten. Die neue irische Kommissarin Mairead McGuinness (EVP), vormals Vizepräsidentin des EU-Parlaments, soll hingegen künftig für das Thema Finanzdienstleistungen zuständig sein. Dass die Kommissarin aus dem als Steueroase bekannten EU-Land ausgerechnet für dieses Themengebiet zuständig sein soll, wird durchaus auch kritisch gesehen. Sowohl der Ernennung von McGuinness als auch der Ausweitung des Portfolios von Dombrovskis muss nun noch das EU-Parlament zustimmen.
Merkel äußert Skepsis über EU-Mercosur Abkommen
Auf Dombrovskis warten zahlreiche Herausforderungen. Einerseits hat die Coronakrise zu einem massiven Einbruch des Welthandels geführt und neben Exportbeschränkungen auch eine generelle Diskussion um globale Lieferketten ausgelöst. Auch deswegen hat die EU-Kommission im Juni eine umfassende Überprüfung der EU-Handelspolitik eingeleitet. Andererseits gibt es momentan auch bei der Ratifizierung prominenter Handelsabkommen einige Turbulenzen. Nach einem Treffen der deutschen Bundesministerin Angela Merkel mit Greta Thunberg und drei weiteren Klimaaktivistinnen gaben Letztere bekannt, die Kanzlerin hätte angekündigt, das EU-Mercosur Abkommen in seiner momentanen Form nicht zu unterzeichnen. Merkels Pressesprecher ließ anschließend verlautbaren, es gäbe aus Sicht der Bundeskanzlerin tatsächlich „erhebliche Zweifel, ob das Abkommen wie intendiert umgesetzt werden könnte“. In eine ähnliche Kerbe schlugen kurz darauf auch die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sowie ihre österreichische Amtskollegin Elisabeth Köstinger.
Neu ist diese Erkenntnis freilich nicht. So warnen Gewerkschaften, NGOs und Umweltorganisationen auf beiden Seiten des Atlantiks schon seit Langem vor den verheerenden Folgen, die das Abkommen für Umwelt und Bevölkerung hätte. Wie ernst es der deutschen Regierung, die aktuell den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehält, mit dieser Ankündigung ist, ist jedoch unklar. So gab sie in der schriftlichen Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage bekannt, dass sie keine Nachverhandlungen anstrebe. Vielmehr diskutiere man laut dem Schreiben mit den anderen Mitgliedsstaaten über „etwaige Überlegungen zu begleitenden Erklärungen“.
Leitender Handelsbeauftragter ernannt
Rund einen Monat vor Hogans Rücktritt wurde mit Denis Redonnet erstmals ein Leitender Handelsbeauftragter (Chief Trade Enforcement Officer – CTEO) ernannt. Die Ernennung eines solchen Beauftragten, „der unter der unmittelbaren Anleitung des Handelskommissars“ die von der EU geschlossenen Handelsabkommen überwachen und verbessern soll, hat Kommissionspräsidentin von der Leyen bereits in ihrem mission lettter an Phil Hogan angekündigt. Der Posten wird angesichts der jüngsten Umbrüche wahrscheinlich an Relevanz gewinnen. Redonnet könnte auch eine bedeutende Rolle zukommen, wenn es darum geht, KritikerInnen vom EU-Mercosur Abkommen zu überzeugen.
Turbulente Zeit für deutsche Ratspräsidentschaft
Über das EU-Mercosur Abkommen wurde am 3. September 2020 auch im Handelsausschuss des Europäischen Parlaments debattiert. Dort war der deutsche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu Gast, um über die handelspolitischen Schwerpunkte der deutschen Ratspräsidentschaft zu sprechen. Das EU-Mercosur Abkommen wäre laut Altmaier ein starkes Signal für einen offenen und nachhaltigen Handel. Deutschland wisse aber auch von den Diskussionen um das Abkommen, weshalb dieser Punkt im offiziellen Programm der deutschen Ratspräsidentschaft bewusst vorsichtig formuliert sei. Es sei noch nicht die Zeit für unumstößliche Aussagen zu diesem Thema – Weder in die eine, noch in die andere Richtung.
Altmaier betonte vor allem die speziellen Herausforderungen, die angesichts der aktuellen Situation auf die deutsche Ratspräsidentschaft zukämen. Ansonsten blieb er in seinen Ausführungen durchgehend eher vage, auf die Fragen der Abgeordneten antwortete er nicht oder nur sehr ausweichend. Vielmehr beschränkte er sich über weite Strecken darauf das Mantra von offenen Märkten, regelbasiertem Handel und einer engen Zusammenarbeit mit internationalen Handelspartnern zu wiederholen.
Zypriotisches Parlament stimmt gegen CETA
Bereits am 31. Juli 2020 hat das zypriotische Parlament mit einer klaren Mehrheit gegen die Ratifizierung des Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) gestimmt. Das Abkommen, das sich seit September 2017 in der vorläufigen Anwendung befindet, enthält auch einen Investitionsteil und muss deshalb von allen 27 nationalen Parlamenten der EU ratifiziert werden. Während dies bereits in 14 Mitgliedsstaaten geschehen ist – unter anderem auch in Österreich – hat sich die Mehrheit der zypriotischen Abgeordneten nun gegen das Abkommen ausgesprochen. Als Grund für die Ablehnung wurde unter anderem der fehlende Schutz von Agrarprodukten genannt – konkret ging es vor allem um den zypriotischen Käse Halloumi. Dennoch dürften für viele Abgeordnete der linken bzw. grünen Parteien auch andere Kritikpunkte eine Rolle gespielt haben, etwa die Stärkung multinationaler Konzerne und die negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Welche Folgen das Abstimmungsergebnis auf das Abkommen hat, ist indessen noch nicht ganz klar. Viele der Abgeordneten wünschen sich Nachbesserungen. Sollte das Abstimmungsergebnis allerdings formell der Europäischen Kommission übermittelt werden, würde dies das Ende des Abkommen bedeuten. Es muss daher damit gerechnet werden, dass hier von Seiten der EU-Kommission Druck aufgebaut wird, um Zypern zu einer zweiten Abstimmung zu bewegen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: AK lehnt EU-MERCOSUR-Handelsabkommen ab!
AK EUROPA: Das EU-Mercosur Abkommen: Eine Gefahr für Mensch und Natur