Nachrichten
ZurückAm Mittwoch, dem 4. März 2020, präsentierte die EU-Kommission das mit Spannung erwartete Klimagesetz. Dieser Vorschlag, der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für die ersten 100 Tage ihrer Amtszeit angekündigt wurde, gilt als Herzstück des Europäischen Grünen Deals. Die Reaktionen darauf fielen allerdings gemischt aus.
Welche Priorität dem Grünen Deal von Seiten der neuen Kommission eingeräumt wird, soll nicht zuletzt seine Nennung an vorderster Stelle in der Agenda von Kommissionspräsidentin von der Leyen beweisen. Darin wird das Ziel betont, Europa zum „weltweit ersten klimaneutralen Kontinent“ zu machen. Zentraler Teil dieses Vorhabens ist die Klimaneutralität bis zum Jahr 2050, welche durch das nun vorgestellte Klimagesetz rechtlich verankert werden soll. Bereits im Vorfeld wurde das Gesetz jedoch von einigen Seiten stark kritisiert.
Klimagesetz als „zahnloser Tiger“?
Der am Mittwoch verabschiedete Vorschlag zu einem Klimagesetz sieht eine deutliche Reduktion der Treibhausgasemissionen vor. Dadurch verpflichtet sich die EU prinzipiell, bis spätestens 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Das würde bedeuten, dass bis dahin die Menge an freigesetzten Treibhausgasen so weit reduziert wird, dass diese vollständig von den bestehenden Wäldern, Böden, landwirtschaftliche Flächen und Feuchtgebieten sowie durch entsprechende Technologien absorbiert werden können.
Es wird allerdings bezweifelt, ob das Gesetz in seiner derzeitigen Fassung wirklich geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen. So fehlen bisher beispielsweise Strafen oder finanzielle Konsequenzen, die bei Nichteinhaltung der geplanten Maßnahmen drohen könnten. Wenn die Mitgliedsstaaten bei Verstößen keine ernstzunehmenden Konsequenzen fürchten müssen, könnte das Gesetz ein „zahnloser Tiger“ bleiben.
Fehlende Zwischenziele bis 2030
Außerdem enthält das Gesetz keine konkreten Zwischenziele, etwa Vorgaben bezüglich der Reduktion von Treibhausgasemissionen bis 2030. Kritik daran kommt unter anderem von VertreterInnen der grünen und der sozialdemokratischen Fraktion sowie der Linken. Bisher lag das Ziel der EU hinsichtlich der Reduktion der Emissionen bei einer Verminderung der Treibhausgase um 40 % gegenüber dem Jahr 1990. Mittlerweile ist relativ unumstritten, dass das nicht reichen wird, um bis 2050 wirklich emissionsneutral zu werden. Schon bei ihrem Antritt als Kommissionspräsidentin hatte Ursula von der Leyen daher angekündigt, diesen Wert auf 50 % oder sogar 55 % zu steigern. KlimaschützerInnen halten sogar eine Erhöhung auf 65 % für notwendig. Kurz vor der Veröffentlichung des Klimagesetzes haben zwölf EU-Mitgliedsstaaten die Kommission in einem offenen Brief dazu aufgefordert, spätestens bis Ende Juni das überarbeitete Klimaziel für 2030 vorzustellen. Stattdessen plant die Kommission eine „sorgfältige Folgenabschätzung“ durchzuführen und im September ein überarbeitetes Ziel für 2030 vorzustellen. KritikerInnen fürchten, dass das, angesichts der im November stattfindenden UN Klimakonferenz in Glasgow zu spät sein wird. Wenn sich die EU bis zur Konferenz nicht auf ein neues Ziel einigen kann und bei dieser mit einem lückenhaften Klima-Plan auftritt, könnte sie international stark an Glaubwürdigkeit einbüßen.
„Wenn dein Haus brennt, wartest du nicht noch ein paar Jahre, bevor du es löschst“
Greta Thunberg, die anlässlich der Verabschiedung des Vorschlags von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eingeladen wurde an der Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen teilzunehmen, bezeichnete das Klimagesetz gar als Kapitulation. Ihre Rede, in der sie ihre Enttäuschung und Frustration nicht zurückhielt, beendete sie mit den Worten: „Wir werden nicht zulassen, dass ihr unsere Zukunft opfert“. In einer anschließenden Pressekonferenz zum Klimagesetz räumte Frans Timmermans, stellvertretender Kommissionspräsident und Kommissar für Klimaschutz, zwar ein, dass man in dieser Hinsicht „einen unterschiedlichen Ansatz verfolge“, betonte aber gleichzeitig, man habe dasselbe Ziel vor Augen. Timmermans betonte außerdem die Vorbildwirkung, die ein solches Gesetz haben könne. Es solle ein „Weckruf“ für die PartnerInnen der EU auf der ganzen Welt sein.
Klimapolitik als soziale Frage
Die Arbeiterkammer erwartet von der Europäischen Union die Fortsetzung einer multilateralen und ambitionierten Klimapolitik. Die EU sollte in den internationalen Klimaverhandlungen weiterhin eine führende Rolle einnehmen. Allerdings muss Klimapolitik dabei als soziale Frage begriffen und dementsprechend gerecht ausgestaltet werden. Aus Sicht der AK müssen Fragen bezüglich sozialer Gerechtigkeit und dem sozial gerechte Übergang („Just Transition“) zu einem nachhaltigen und klimaneutralen Europa im Zentrum der Agenda stehen. Eine ambitionierte Klima- und Energiepolitik im Rahmen eines Grünen Deals muss Innovation fördern, die Wertschöpfung in Europa halten und Beschäftigung schaffen.
Weiterführende Informationen:
AK Positionspapier: Mitteilung zum europäischen Grünen Deal
AK Positionspapier: Ein sauberer Planet für alle
AK EUROPA: Kommission stellt Europäischen Grünen Deal vor
AK EUROPA: EU soll grüner werden: Hearing mit Frans Timmermans
AK EUROPA: Soziales Europa im Klimawandel: Einen gerechteren Umstieg möglich machen
A&W Blog: Es gibt keinen Plan(eten) B. Höchste Zeit für sozial gerechten Klimaschutz!