Nachrichten
ZurückUnter den stark gestiegenen Preisen leiden nachweislich Frauen am stärksten. Wenn ohnehin schon vulnerable Bevölkerungsgruppen gezwungen sind, sich zwischen Heizen und Essen zu entscheiden, muss die Politik handeln. Vor allem die hohen Energiekosten verschärfen bestehende Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen. Daher hat sich das EU-Parlament zum diesjährigen Weltfrauentag dieses Themas angenommen.
Einmal im Jahr, anlässlich des Internationalen Frauentages, wird besonderes Augenmerk auf geschlechtsspezifische Benachteiligungen in allen Lebensbereichen gelegt. So auch im EU-Parlament: Diesjähriges Thema der Sitzung im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) waren die Auswirkungen von Energiearmut auf Frauen. Hochrangige Expert:innen erörterten mit nationalen Parliamentarier:innen das Problem und mögliche Lösungen. Sie kamen zum Ergebnis, dass sich bereits bestehende Ungleichheiten durch die aufeinanderfolgenden Krisen der letzten Jahre – Pandemie, Krieg in der Ukraine, Inflation – verschärft haben. Dramatisch angestiegene Lebenshaltungskosten verstärken die ohnehin angespannte wirtschaftliche Situation von Frauen weltweit und drohen, Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung zu verlangsamen oder aufzuhalten.
Auswirkungen der Teuerung auf Frauen
Auch wenn die globale Inflationskrise alle berührt, sind Frauen doch überdurchschnittlich stark von den steigenden Preisen betroffen. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sie öfter in Teilzeit oder in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten, dadurch geringere Einkommen erzielen und/oder unbezahlte Care-Arbeit verrichten. Nach der Women’s Budget Group spielt auch eine Rolle, dass Frauen weniger Erspartes und Vermögen sowie höhere Schuldenlasten haben. Zusätzlich sind die Preise von Konsumgütern für Frauen viel schneller gestiegen als jene für Männer: In Großbritannien zum Beispiel stiegen die Preise für Damenschuhe im Jahr 2021 um 75 %, während die Preise für Männerschuhe nur einen Anstieg von 14 % zu verzeichnen hatten.
Ganz besonders spürbar sind die gestiegenen Preise im Energiebereich: Gemeinsam mit schlecht bzw. gar nicht isolierten Häusern und Wohnungen sowie ineffizienten Haushaltsgeräten mit hohem Stromverbrauch sind sie die Hauptgründe für Energiearmut. "Ich habe von alleinerziehenden Müttern gehört, die ihre Kinder bitten, bis zum Ende der Öffnungszeiten in öffentlichen Bibliotheken ihre Hausaufgaben zu erledigen, weil es zu teuer ist, zu Hause Licht und Heizung anzuschalten", berichtete Carlien Scheele, Direktorin des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE), im EU-Parlament.
Haushalte mit Kindern, die von einer/m alleinstehenden Erwachsenen geführt werden, sind am stärksten von den steigenden Energiepreisen betroffen. Laut Eurostat-Daten aus dem Jahr 2021 werden 83% aller Alleinerziehenden-Haushalte von Frauen geführt. Eine aktuelle Studie von Eurofound aus 2022 liefert nun konkrete Zahlen zu deren Problemlage: Unter alleinstehenden Müttern in der EU gaben 44% an, in den nächsten 3 Monaten Schwierigkeiten bei der Begleichung von Energierechnungen zu erwarten, während es bei alleinstehenden Männern lediglich 26% waren.
Arbeitsklima Index bestätigt Ergebnisse auf nationaler Ebene
Der aktuelle Arbeitsklima Index zeigt die große Betroffenheit der Frauen in Österreich auf: Fast 80% der weiblichen gegenüber 71% der männlichen Befragten gaben an, angesichts der aktuellen Teuerungswelle stärker als sonst auf Energiesparmaßnahmen im Haushalt zu achten. 38% der Frauen kaufen bewusst weniger Essen ein, bei den Männern sind es lediglich 29%. „Dass Frauen in der Arbeitswelt immer noch massiv benachteiligt werden und jetzt ganz besonders unter den Teuerungen leiden, ist inakzeptabel“, sagt Andreas Stangl, Präsident der AK Oberösterreich.
Nationale und unionsweite Maßnahmen zur Verringerung von Energiearmut
Den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Social Climate Fund sieht Laurence Gillois, Direktorin von UN Women, als große Chance an. Eine Entschließung des EU-Parlaments zu Frauenarmut vom Juli 2022 fordert zudem gezielte politische Maßnahmen, insbesondere für Alleinerziehende. Ana Margarida Luís De Sousa, Forscherin für Bauwesen, Maschinenbau und Erdölwirtschaft an der Universität Lissabon, betonte die Wichtigkeit, Frauen bei der Gestaltung von Energieinfrastruktur zu berücksichtigen, da sich die Muster der Energienachfrage und die Ansprüche an die Versorgung zwischen Frauen und Männern unterscheiden. Lösungen dürften jedoch keinesfalls bestehende Probleme verschärfen, warnte Carlien Scheele: „Zum Beispiel Kindergärten aus Energiespargründen früher zu schließen, verschiebt das Problem in den häuslichen Bereich und macht es im Ergebnis noch schwieriger für Frauen, einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachzugehen.“
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Rising Energy Prices, Non-Functioning Markets, Worsening Energy Poverty: Are we prepared for next winter? (Nur Englisch)
AK EUROPA: Pandemie verschlechtert Situation von Frauen
AK EUROPA: Frauen arbeiten in der EU im Schnitt 51 Tage gratis
AK Oberösterreich: Arbeitsklima Index: Frauen bekommen weniger Geld
EU-Kommission: Energiearmut (Nur Englisch)