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ZurückEin aktueller Richtlinienentwurf der EU-Kommission zielt darauf ab, mehr überlange und überschwere Lkw auf die Straßen der EU zu bringen. Die Folge wäre wohl eine weitere Verlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße. Das würde nicht nur den Zielen des Green Deal zuwiderlaufen, sondern auch die Verkehrssicherheit gefährden. Gleichzeitig wäre der Investitionsbedarf zur Anpassung und Instandsetzung der Infrastruktur enorm. Auch aus der Perpektive der Arbeitnehmer:innen stellen Gigaliner eine Verschlechterung dar, da sie den Druck auf die Lenker:innen noch weiter erhöhen würden. Das zeigt ein neues Positionspapier von AK EUROPA.
In einem weiteren Vorstoß versucht die EU-Kommission, besonders lange oder schwere Lkw (auch Gigaliner genannt) flächendeckend und in der gesamten EU zu etablieren. Dabei reichen die Begründungen für den Richtlinienentwurf von Fahrer:innenmangel über die Steigerung der Verkehrssicherheit bis hin zum Umweltschutz – der Vorschlag ist Teil eines Anfang Juli vorgestellten Gesetzespakets zur Ökologisierung des Güterverkehrs. Aus Sicht der AK sind die vorgebrachten Argumente nicht haltbar. Aufgrund der zahlreichen Probleme, die mit einer erleichterten Zulassung von Gigalinern in der EU verbunden wären, lehnt die AK überlange und -schwere Lkw auf europäischen Straßen strikt ab.
Gigaliner verschärfen die Verlagerungsproblematik von der Straße auf die Schiene
Im Sinne der grünen Transformation ist eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene dringend notwendig. Die Einführung von Gigalinern würden dieses Ziel jedoch konterkarieren. Eine schrittweise Anhebung von Gewichts- und Längenbegrenzungen führt zu einem steigenden Wettbewerbsdruck und zu einer Verbilligung des Gütertransports auf der Straße. Das wäre nicht nur aus Umweltperspektive nachteilig. Ein Rückgang des Gütertransports auf der Schiene wäre zudem mit dem Verlust von qualifizierter Beschäftigung in diesem Bereich verbunden.
Zusätzlich ist mit der Einführung von Gigalinern auf Europas Straßen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Lenker:innen zu befürchten. Der Vorstoß der Kommission würde nämlich den Druck, der auf diesen lastet, noch weiter erhöhen: Mehr Verantwortung, erhöhter Schulungsbedarf und längere Be- und Endladezeiten wären die Folge. Ein weiterer Verfall des ohnehin schon niedrigen Lohnniveaus lässt ein „race-to-the-bottom“ und eine damit verbundenen Branchenflucht erwarten. Bereits jetzt stellen Lenkpausen und Ruhezeiten eine Herausforderung für das Personal dar. Mangels ausreichend verfügbarer Rastplätze verbringen viele Lenker:innen ihre Pausen schon jetzt auf den Pannenstreifen. Längere Lkw bedeuten auch einen steigenden Platzbedarf auf den Rastplätzen. Somit ist eine weitere Verschlechterung der Pausensituation zu erwarten. Als Interessenvertretung von Arbeitnehmer:innen kann die AK Gigaliner daher nur ablehnen.
Gigaliner gefährden zudem die Verkehrssicherheit, das Risiko schwerer Verkehrsunfälle steigt. Schon jetzt sind überladene Lkw ein Problem im Straßenverkehr. Generell ist die Infrastruktur nicht für den Einsatz von Gigalinern geeignet. Baulich müssten sehr aufwändige Anpassungen vorgenommen werden, selbst herkömmliche Lkw kommen im niederrangingen Straßennetz immer wieder in gefährliche Situationen. Die Verladeinfrastruktur ist nicht für den Einsatz von Gigalinern geeignet und so wäre die Umstellung zu übergroßen Lkw mit hohen Investitionen verbunden. Wenn es zu Unfällen mit Gigalinern kommt, sind auch die aktuellen Bergefahrzeuge der Feuerwehr nicht für Gigaliner geeignet, da sie das Maximalgewicht von 40 Tonnen übersteigen. Zusätzlich wird die Übersichtlichkeit für alle Verkehrsteilnehmer:innen verschlechtert und die Schwere von Unfällen aufgrund des zusätzlichen Gewichts erhöht.
Vermeidbare Leerfahrten reduzieren: ein effektives Mittel gegen den Fahrer:innenmangel
Um dem Problem des Fahrer:innenmangels zu begegnen, wäre die Reduzierung von Leerfahrten ein effektives Mittel. Europaweit gibt es eine gigantische Anzahl von Leerfahrten, welche die Umwelt und Infrastruktur belasten. Allein in Österreich wurden im Vorjahr 926 Millionen Kilometer ohne Ladung zurückgelegt. Eine EU-weite Regelung zu Leerfahrten wäre finanziell günstiger und würde den Einsatz von Gigalinern obsolet machen.
Zudem empfiehlt die AK, die Kontrolldichte zu erhöhen und die einschlägigen Standards zu verbessern. Der vorliegende Richtlinienentwurf sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat sechs Fahrzeugkontrollen je eine Million Fahrzeugkilometer durchführen muss. Diese Vorgabe ist aus Sicht der AK deutlich zu niedrig und hat keine abschreckende Wirkung gegen Missbrauch.
Die Arbeiterkammer spricht sich daher vehement gegen eine Einführung von Gigalinern auf europäischen Straßen aus. Der vorliegende Kommissionsvorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie hätte einen negativen Einfluss auf die Verkehrssicherheit, würde den Arbeitsdruck für Lenker:innen erhöhen und den Klimazielen entgegenwirken. Bevor er Rechtskraft erlangt, müssen sich aber erst das EU-Parlament und der Rat dazu positionieren. Es bleibt zu hoffen, dass in den beiden gesetzgebenden Institutionen die Gefahren erkannt werden, die in dem Vorschlag stecken.
Weiterführende Informationen
AK EUROPA: Höchstzulässige Abmessungen und Gewichte bei Lkw im europäischen Straßengüterverkehr
AK EUROPA: Neue CO2 –Standards für Lkw sowie Erweiterung auf Busse
EU-Kommission: Der Grüne Deal: Ökologisierung des Güterverkehrs für größeren wirtschaftlichen Nutzen bei geringeren Umweltauswirkungen
EU-Kommission: Richtlinie über Gewichte und Abmessung von Nutzfahrzeugen
AK EUROPA: Fokus auf die Beschäftigen im Verkehrsbereich
AK EUROPA: Wie der Verkehr nachhaltiger werden soll
ETF: Contradictions in EC’s Greening Transport Package (Nur Englisch)