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Mit dem Frühjahrspaket stellte die Kommission am 22. Mai die länderspezifischen Empfehlungen für die Mitgliedsstaaten vor. Österreich hat – trotz positiver wirtschaftlicher Prognose und einem im EU-Vergleich relativ stabilen Arbeitsmarkt – Nachbesserungsbedarf bei der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen, Bildungschancen für Personen aus sozial schwächeren Verhältnissen und/oder mit Migrationshintergrund.

 

Die mit dem Frühjahrspaket vorgestellten länderspezifischen Empfehlungen soll den Mitgliedsstaaten Orientierung hinsichtlich wirtschaftspolitischer Maßnahmen und Reformanstrengungen, die sie innerhalb der kommenden zwölf bis 18 Monate umsetzen, geben. Sie sind in das Europäische Semester eingebettet und folgen dem Winterpaket, das im Februar mit einer Einschätzung der Kommission zu bereits erreichten Reformfortschritten der Mitgliedsstaaten veröffentlicht wurde.

 

Ähnlich wie bereits im Februar betonte die Kommission bei der Vorstellung am Montag, dass die Mitgliedsstaaten die aktuelle wirtschaftliche Erholung dazu nutzen sollten, Strukturreformen, Investitionen und Haushaltskonsolidierung voranzutreiben. Neu ist allerdings, dass die Kommission verstärkt auf bestehende Ungleichheiten und deren Bekämpfung innerhalb der Mitgliedsstaaten verwies. Mit der Einbindung der Prinzipien der Europäischen Säule Sozialer Rechte und dem sozialen Scorebord solle sozialen Aspekten im Europäischen Semester mehr Präsenz eingeräumt werden. „Die Produktivitätszuwächse sollten sich auch in höheren Löhnen niederschlagen“, betonte Kommissarin Thyssen. Auch in qualitativ hochwertige allgemeine und berufliche Bildung sollten die Mitgliedsstaaten investieren, um den wandelnden Kompetenzanforderungen, beispielsweise durch die fortschreitende Digitalisierung, gerecht zu werden.

 

Für Österreich empfiehlt die Kommission unter anderem, die mittelfristigen Budgetziele bis 2018 einzuhalten sowie die Nachhaltigkeit des Gesundheits- und Pensionssystems zu gewährleisten. Anders als bisher empfiehlt die Kommission dieses Jahr die Einführung einer Automatik im Bereich Pensionen nicht direkt, sondern nur im ausführlichen Begründungsteil – eine Forderung, die die AK ablehnt: Der geringe prognostizierte Anstieg der Pensionsausgaben um lediglich 0,5 Prozentpunkte des BIP bis zum Jahr 2060 ist angesichts der demographischen Entwicklungen ein klarer Beleg dafür, dass eine automatische Anpassung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung weit über das Ziel hinausschießen würde. Erfahrungen in anderen europäischen Ländern wie etwa Schweden zeigen darüber hinaus, dass eine Automatik mit zahlreichen Problemen verbunden ist. Pensionen werden seitens der Kommission lediglich als Kosten und nicht in ihrer umfassenden ökonomischen Bedeutung als Einkommen betrachtet. Aber gerade die Ausgestaltung des derzeitigen Systems trägt maßgeblich dazu bei, eine umfassende Absicherung im Alter zu gewährleisten.

 

Außerdem verweist die Kommission auf Nachbesserungsbedarf bei der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen. Zwar ginge es dem österreichischen Arbeitsmarkt im EU-Vergleich gut, allerdings sind es weiterhin vor allem Frauen, die davon wenig profitieren. Sie arbeiten weiterhin häufiger in Teilzeitverhältnissen und werden schlechter bezahlt. Österreich solle, so die Kommission, mehr Kinderbetreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren schaffen. Hier würde Österreich mit einer Betreuungsquote von 25,5 Prozent klar und deutlich das Barcelona-Ziel von 33 Prozent verfehlen. Eine Studie der AK zeigt unter anderem, dass Investitionen in Kinderbetreuung zu einer besseren Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf führen können und daher auch die Vollzeitbeschäftigung von Frauen ermöglichen. Der Ausbau von Vollzeitkinderbetreuung für Kleinkinder kann daher nicht zuletzt auch zu einer Verringerung des Gender Pay Gaps und des Gender Pension Gaps führen.

 

Schließlich empfiehlt die Kommission Österreich auch, die hohe Abhängigkeit des schulischen Erfolgs vom sozioökonomischen Hintergrund zu reduzieren. Zwar habe Österreich die Europa2020-Ziele im Bereich Bildung bereits erreicht, jedoch sei weiterhin die Herkunft in überdurchschnittlich hohem Maße ausschlaggebend für den Bildungserfolg. Seit PISA 2000 ist die Kluft hier unverändert groß: In Naturwissenschaften erreichen Kinder von AkademikerInnen in allen drei Domänen rund 100 Punkte mehr als SchülerInnen, deren Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben. Das entspricht einem Leistungsunterschied von mehr als zwei Lernjahren. Was PISA für Österreich Jahr für Jahr ebenfalls aufs Neue belegt: Besonders SchülerInnen mit Migrationshintergrund sind im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung massiv benachteiligt, und zwar stärker als in fast jedem anderen Land, das an der Studie teilnimmt. Dies ist ein Befund, den die Arbeiterkammer seit Langem mit Besorgnis verfolgt und dringend überfällige Reformen, vor allem auch in der dualen Ausbildung, einmahnt.

 


Die Europäische Kommission weist darüber hinaus auf die besondere Rolle des Bildungssystems bei der Integration von Flüchtlingen hin. Eine weitere Herausforderung, die das österreichische Schulwesen somit zu meistern hat: Werte zu vermitteln, die auf eine Teilhabe in Republik und Gesellschaft vorbereiten.

 

Weiterführende Informationen:

Länderspezifische Empfehlungen Österreich

Bildung ist der Schlüssel

AK EUROPA Position Länderbericht 2017

Falter-Beilage Pensionen