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Von ArbeitnehmerInnenseite wurde die Mitteilung zur Säule sozialer Rechte der Kommission am 26. April größtenteils als enttäuschend eingestuft. Diese Bewertung ist auch verständlich: Immerhin kündigte Kommissionspräsident Juncker zu Beginn seiner Amtszeit die soziale Dimension als eine seiner zehn Prioritäten an, und die Erwartungen wurden von der Kommission seitdem auch immer wieder hoch gehalten. Doch das angestrebte „AAA-Rating“ in Hinblick auf soziale Rechte in der EU, wie es die Kommission mit dieser Mitteilung als Ziel angibt, wird damit nicht erreicht.

 

Eine Analyse der AK Wien zeigt die Problematik der vorliegenden Empfehlung. Es handelt sich in erster Linie um eine Auflistung bereits bestehender Rechte auf EU- bzw. völkerrechtlicher Ebene. Hinzu kommen rechtlich unverbindliche Prinzipien, die die Mitgliedstaaten – oder genauer gesagt die Euro-Staaten – einhalten sollen. Viele Prinzipien sind aber so allgemein formuliert, dass sie einen breiten Interpretationsspielraum zulassen. Konkrete messbare Zielsetzungen, die jedenfalls erreicht werden sollen, und konkrete rechtlich verbindliche Maßnahmen zur Erreichung solcher Ziele, sucht man in der Mitteilung vergeblich.

 

Hinzu kommt, dass manche Formulierungen auch als Schlechterstellung ausgelegt werden können: So sollen Arbeitslosenleistungen keine negativen Anreize für eine schnelle Rückkehr in die Beschäftigung aufweisen. Dies kann durchaus auch so gelesen werden, dass Versicherungsleistungen für Arbeitslose nicht zu hoch sein sollen.

 

Im Gegensatz zum Entwurf zur sozialen Säule, den die Kommission im Vorjahr zur Konsultation vorlegte und zu dem die AK Wien ein umfangreiches Positionspapier erstellte, ist in der Mitteilung keine Koppelung des gesetzlichen Pensionsalters an die Lebenserwartung zu finden. Sehr wohl findet sich dieser Vorschlag aber weiterhin im Reflexionspapier, das ebenfalls Teil der Sozialen Säule ist. Nicht enthalten ist in der Mitteilung aber ein soziales Fortschrittsprotokoll, mit dem klargestellt würde, dass weder die wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarktes noch die Wettbewerbsregeln Vorrang gegenüber den sozialen Grundrechten erhalten.

 

Vergangene Woche stellten sich die Kommissare Valdis Dombrovskis und Marianne Thyssen im Beschäftigungsausschuss (EMPL) des Europäischen Parlaments den Fragen der Abgeordneten. Dabei betonten sie, dass eine Konsultation der SozialpartnerInnen über den Zugang zum Sozialschutz und die Vorschriften für Arbeitsverträge erfolgen wird. Darüber hinaus wird auch eine öffentliche Konsultation über den Zugang zum Sozialschutz für Menschen in allen Beschäftigungsformen durchgeführt. Gleichzeitig kündigten sie an, dass die Kommission sehr wohl tätig werden wolle, wenn sich die SozialpartnerInnen auf keinen gemeinsamen Vorschlag einigen können. Zudem bekräftigte Kommissarin Thyssen neuerlich, dass die Indexierung von Familienleistungen für die Kommission keine Option ist.

 

Das Europäische Parlament hat seinerseits sehr wohl eine klare Position für eine starke Soziale Säule abgegeben: Im Bericht von Maria Joao Rodrigues über die Europäische Säule sozialer Rechte, der im Europäischen Parlament bereits im Januar angenommen wurde, fordert das Europäische Parlament die Kommission auf, verbindliche soziale Normen zu definieren. Ausdrücklich wird auf Vermittlungen von Arbeiten über digitale Plattformen eingegangen, für die Mindeststandards gelten müssen und der Schutz durch Sozial- und Krankenversicherung sicherzustellen ist.

 

Das Europäische Parlament kann auch noch maßgeblichen Einfluss auf die Verbesserung der Sozialen Säule nehmen: Die Mitteilung zur sozialen Säule ist praktisch wortgleich auch als Vorschlag für eine gemeinsame Proklamation des Parlamentes, der Kommission und des Rates vorgelegt. Durch diese Proklamation sowie konkrete Vorschläge – wie sie als Richtlinienentwurf zur Work-Life-Balance und den öffentlichen Konsultationen zum Zugang zu Sozialschutz und Vorschriften für Arbeitsverträge vorliegen – kann und muss die soziale Säule noch mit Inhalten gefüllt werden. Das bedeutet eine wirksame Bekämpfung von Ungleichheiten innerhalb Europas, das auch als eigenständiges Ziel definiert und als Wachstumsmotor verstanden wird. Ansonsten bleibt von großen Ankündigungen nur eine Hülle übrig.

 

 

Weiterführtende Links:

AK EUROPA: Die soziale Säule Europäischer Rechte: Soziales als Mittel zum Zweck?

AK EUROPA: Für ein soziales Europa!

Vorrang für soziale Rechte!

Webseite zur Säule sozialer Rechte