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ZurückIm Zuge des Europäischen Semesters veröffentlicht die EU-Kommission jährlich Länderberichte und Länderspezifische Empfehlungen mit dem Ziel, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten besser aufeinander abzustimmen. Der am 23. Mai 2022 vorgelegte Länderbericht zu Österreich enthält aus AK Sicht positive Ansätze in einigen Bereichen.
Die EU-Kommission legt mit ihrem Frühjahrspaket 2022 des Europäischen Semesters den Grundstein für die künftige wirtschaftspolitische Ausrichtung: So wird eine höhere öffentliche Verschuldung in der derzeitigen Situation (Corona- und Energiekrise) eher in Kauf genommen als in Zeiten der neoliberalen Sparprogramme nach der Finanz- und Wirtschaftskrise. Seit mehreren Jahren wird nun in den Länderberichten und den Länderspezifischen Empfehlungen nicht mehr nur auf wirtschaftliche Indikatoren Bezug genommen, sondern im Sinne der europäischen Säule sozialer Rechte auch auf sozialpolitische Aspekte: Im Falle Österreichs legte die EU-Kommission in diesem Jahr insbesondere Empfehlungen hinsichtlich der Erwerbsbeteiligung von Frauen, dem Bildungssystem und dem Steuersystem vor.
Erfreulich ist insbesondere, dass sich die von der AK oft vorgebrachte Kritik am mangelnden Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich von der EU-Kommission aufgegriffen wurde. Insbesondere Müttern wird dadurch eine aktivere Teilnahme am Arbeitsmarkt erschwert. Statt den benötigten 1,6 Milliarden Euro für einen flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung sehe Österreich nur 28 Mio Euro vor. Die Kritik der EU an den sehr geringen Investitionen in die institutionelle Kinderbetreuung sollte daher als ein weiterer Anreiz für die österreichische Regierung gelten, das gemeinsame Forderungspapier der Sozialpartner und der Industriellenvereinigung zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf umzusetzen und die öffentlichen Investitionen in diesem Bereich deutlich anzuheben. Dass ein flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuung gleichzeitig auch ein wesentlicher Beitrag zum Abbau der großen Lohnschere zwischen Frauen und Männern (Gender Pay Gap) und des daraus resultierenden hohen „Gender Pension Gap“ wäre, wird im Länderbericht ebenfalls hervorgehoben.
Ein weiterer Kritikpunkt der EU-Kommission ist das Steuersystem, welches nach ihrer Einschätzung in Österreich fairer und ‚wachstumsfreundlicher‘ gestaltet werden könnte. Die EU-Kommission empfiehlt daher eine Steuerstrukturreform, welche die Abgaben auf Arbeit deutlich verringert. Dies könne ihr zufolge explizit durch die Einführung einer Erbschafts- oder Schenkungssteuer ermöglicht werden, was eine langjährige Forderung der AK darstellt. Im Gegensatz dazu lehnt die AK die von der EU-Kommission empfohlene Senkung der Lohnnebenkosten klar ab, weil dies einer Kürzung der Sozialstaatsbeiträge seitens der Unternehmen gleichkomme, die gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten besonders dringend benötigt werden.
Kritisch anzumerken ist auch, dass die EU-Kommission keinen Handlungsbedarf im Bereich der Armutsbekämpfung sieht. Die aktuellen Teuerungen bei Wohnen, Energie und Lebensmitteln verschärfen das Armutsrisiko nach der Pandemie, insbesondere für Alleinerzieher:innen, Arbeitslose und Pensionist:innen.
Fiskalregeln weiterhin ausgesetzt
Die EU-Kommission hat des Weiteren darüber informiert, dass die Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes im Jahr 2023 bestehen bleibt und im Herbst 2022 Leitlinien für eine mögliche Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung vorlegt werden sollen. Die erheblichen Abwärtsrisiken, die in Bezug auf die Wirtschaftsaussichten im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine bestehen, die in beispiellosen Energiepreissteigerungen und die anhaltenden Störungen der Lieferketten resultieren, rechtfertigen die Verlängerung, so die EU-Kommission.
Positive Bewertung von AK und Gewerkschaften
Die Arbeiterkammer sowie der europäische Gewerkschaftsbund begrüßen die erneute Aussetzung des neoliberalen Spardiktats. Dies sei der richtige Schritt für Millionen von Arbeitnehmer:innen, die um ihr Auskommen kämpfen und Hilfe benötigen. Die Arbeiterkammer und Finance Watch weisen zusätzlich darauf hin, dass die geltenden EU-Wirtschaftsregeln nicht zweckmäßig sind und einer Reform bedürfen. Vielmehr benötige es eine goldene Investitionsregel, um öffentliche Investitionen für den sozial-ökologischen Wandel zu ermöglichen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Economic Governance Review
AK EUROPA: Entscheidende Phase zur sozialen Neuausrichtung der europäischen Wirtschaftspolitik
Europäischer Gewerkschaftsbund: Semester – Suspended austerity rules should be scrapped (nur Englisch)
Europäische Kommission: Europäisches Semester – Frühjahrspaket