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ZurückDas neue Emissionshandelssystem ETS II steht in den Startlöchern und soll 2027 in vollem Umfang in Kraft treten. Die finanziellen Auswirkungen steigender Treibstoff- und Heizkosten sollen insbesondere für ärmere Haushalte abgefedert werden. Kurz vor Ablauf der Frist hat jedoch noch kein Mitgliedstaat den erforderlichen Klima-Sozialplan vorgelegt, um ab 2026 Mittel aus dem Klima-Sozialfonds zu erhalten.
Im Rahmen des Fit-for-55 Pakets hat die EU-Kommission im Juli 2021 Maßnahmen vorgeschlagen, um die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55% zu senken und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Bereits seit 2005 gibt es ein EU-Emissionshandelssystem (EU ETS), bei dem jede emittierte Tonne CO2 durch ein Zertifikat gedeckt sein muss; die gesamte Menge an Zertifikaten sinkt von Jahr zu Jahr. Bisher umfasste das ETS vor allem Anlagen der energieintensiven Industrie und des Energiesektors sowie seit 2012 die innereuropäische Luftfahrt und seit 2024 auch den Seeverkehr.
Das neue ETS II: Ungleiche Auswirkungen
Eine der zentralen Maßnahmen von Fit-for-55 ist die Ausweitung des EU ETS auf die Bereiche Gebäude (Raumwärme), Straßenverkehr und weitere Sektoren. Das neue ETS II wird, analog zum bisherigen ETS, als Cap-and-trade-Mechanismus ausgestaltet, aber parallel zu diesem eingeführt. Die ETS II-Zertifikate werden versteigert und generieren dadurch erhebliche Einnahmen für die Mitgliedstaaten. Die EU-Kommission will jedoch vorerst eine Preisobergrenze von 45 Euro pro Tonne CO2 zu Preisen von 2020 einhalten, was etwa 60 Euro entspricht, wenn das ETS II 2027 in Kraft tritt.
Der Brüsseler Think Tank Bruegel hat in einem Policy Brief dargelegt, inwiefern diese Kosten nun stärker an Endverbraucher:innen weitergegeben werden. Vor allem steigen Heiz- und Kraftstoffkosten, wodurch ländliche und einkommensschwache Haushalte unverhältnismäßig stark belastet werden. Dieser Verteilungseffekt ist sowohl innerhalb der Mitgliedstaaten als auch EU-weit festzustellen. Ärmere Menschen müssen einen höheren Anteil ihres Einkommens für die steigenden Kosten aufwenden, da sie tendenziell in weniger energieeffizienten Häusern leben und in ärmeren Mitgliedstaaten fossile Brennstoffe eher zu den Hauptenergiequellen zählen. Hinzu kommt der Verteilungseffekt des Stadt-Land-Gefälles, da der außerstädtische Verkehr 70% der nationalen Verkehrsemissionen in der EU ausmacht.
Wird der Klima-Sozialfonds ausreichen?
Um diese negativen Verteilungswirkungen abzufedern, sollen die ETS II-Einnahmen umverteilt werden. Dies geschieht unter anderem durch die Einrichtung eines Klima-Sozialfonds (SCF), in den im Zeitraum 2026-2032 bis zu 65 Mrd. Euro aus den ETS II-Erlösen (laut Bruegel insgesamt zwischen 342 und 570 Mrd. Euro) fließen sollen. Der Rest wird auf die EU-Mitgliedstaaten aufgeteilt, auf Grundlage ihrer vergangenen Emissionen zwischen 2016 und 2018. Davon fließen weitere 22 Mrd. Euro in den SCF, wodurch dieser auf bis zu 87 Mrd. Euro aufgestockt wird. Die meisten Mittel gehen an Polen, gefolgt von Frankreich, Italien und Spanien. Betrachtet man die erwarteten Einnahmen des jeweiligen Landes relativ zum BIP, so zeigt sich, dass die Mittel für osteuropäische EU-Staaten am bedeutsamsten sind.
Bruegel kritisiert, dass der CO2-Preis schon ab 2029 deutlich höher liegen könnte als der von der EU-Kommission angestrebte CO2-Preis von 45 Euro pro Tonne. Mit steigenden CO2-Preisen steigen auch die Kosten für die Konsument:innen proportional an. Bruegel berechnet, dass ein Preis von 200 € pro Tonne CO2 Auswirkungen hätte, die über die Energiekrise im Jahr 2022 hinausgehen. Trotz voraussichtlich höherer Kosten bleibt das Volumen des SCF jedoch bei max. 65 Mrd. Euro.
Nationale Pläne: Die Zeit drängt
Um Auszahlungen aus dem Klima-Sozialfonds zu erhalten, müssen die Mitgliedstaaten nationale Klima-Sozialpläne vorlegen, in denen sie aufschlüsseln, wohin die Gelder des SCF fließen werden. Diese Pläne müssen im Einklang mit den europäischen Klimazielen stehen. Das Projekt folgt einem sehr straffen Zeitplan. Die nationalen Pläne müssen bis zum 30. Juni 2025 eingereicht werden. Im Jänner 2026 will die EU-Kommission mit den ersten Auszahlungen beginnen. Im Jahr 2027 tritt dann das ETS II in Kraft, wobei die vollen Auswirkungen für Verbraucher:innen ab 2028 spürbar werden.
Zwei Monate vor dem Ablauf der Frist hat jedoch noch kein einziges Land einen Plan bei der EU-Kommission eingereicht. Die zweite Hälfte des Jahres 2025 ist für die Evaluierung der Maßnahmen und notwendige Anpassungen reserviert. Wenn die Pläne verspätet eingehen, verzögern sich auch die Auszahlungen, machte Beatriz Yordi Aguirre, die Direktorin für CO2-Märkte bei der Generaldirektion Klima, bei einer Bruegel-Veranstaltung deutlich.
Woran scheitert es?
Nicht zuletzt die Energiekrise hat gezeigt, dass die Verwaltungskapazitäten auf nationaler Ebene begrenzt sind. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, gefährdete Haushalte zu erreichen und dabei eine Balance zwischen einfachen Maßnahmen, die zu Fehlallokationen führen können, und gezielten Maßnahmen, die einen hohen bürokratischen Aufwand erfordern, zu finden. Joanna Pandera, Gründerin und Präsidentin von Forum Energii, einem polnischen Think Tank zur Unterstützung der Energiewende, meinte im Rahmen der Veranstaltung, in Polen fehle es an ausreichender finanzieller und technischer Unterstützung für die Vorbereitung der Umsetzung sowie an Aufklärung über die Möglichkeiten und Auswirkungen in den Haushalten selbst.
Wo steht Österreich?
Auch Österreich hat bis jetzt noch keinen Plan ausgearbeitet. Aufgrund des langen Regierungsbildungsprozesses hat sich auch die Erstellung des Plans verzögert. Zuständig sind nunmehr das BMF und das BMLUK. Finanzminister Markus Marterbauer hat jedoch zuletzt in einem Vortrag an den Ministerrat bekanntgegeben, dass der Plan bis Ende Juni vorliegen soll.
Österreich liegt jedoch bei der Mittelzuteilung aus dem SCF nur an 18. Stelle, was einer Zuweisung von 0,89% und somit rund 650 Mio. Euro in den Jahren 2026 bis 2032 insgesamt (in Preisen von 2021) entspricht. Die Einnahmen aus den ETS II-Erlösen sind somit von wesentlich höherer Bedeutung. Gleichzeitig ist die Verwendung dieser Mittel um einiges weniger streng reguliert. Da Österreichs SCF-Mittel nicht einmal ausreichen, um die Belastung des ersten Einkommensdezils stark zu verringern, ist es umso wichtiger, diese nationalen Einnahmen richtig zu nutzen.
Um den Austausch von Ideen zu fördern, hat die EU-Kommission eine Liste mit Good-Practice-Beispielen vorgelegt. Darunter befinden sich auch zwei Beispiele aus Österreich. Einerseits wird die Initiative „Sauber Heizen für Alle“ angeführt, durch die einkommensschwachen Haushalten die Kosten für den Umstieg auf klimafreundlichere Heizmethoden erstattet werden. Andererseits findet sich das Modell der Stadt Wien zu sozialem Wohnbau, das Gemeindebauten, geförderte Wohnungen und die geförderte Renovierung umfasst.
Worauf ist nun zu achten?
Auch die AK sieht im Zusammenhang mit dem ETS II die Gefahr starker Preissteigerungen und hoher Volatilität der Preise von Energieträgern für Haushalte. EU-Kommission und Mitgliedstaaten müssen daher gemeinsam sicherstellen, dass insbesondere Haushalte mit niedrigen Einkommen vor starken Preisanstiegen geschützt sind. Ein gut funktionierender Klima-Sozialfonds spielt dabei eine wichtige Rolle. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten aber auch die anderen Einkünfte aus dem ETS II klug verwenden, um vor allem die Kostensteigerungen für Haushalte mit niedrigen Einkommen abzufedern.
Weiterführende Informationen:
Bruegel: Policy Brief: Making the best of the new EU Social Climate Fund (nur Englisch)
AK EUROPA: Gerechter Weg zur Klimaneutralität!
AK EUROPA: Strengere Klimaziele: EU-Parlament muss Verhandlungen neu beginnen
AK EUROPA: „Fit for 55“ – Europas Weg zur Klimaneutralität
AK EUROPA Positionspapier: „Fit for 55“ Paket 1: Bepreisung von Treibhausgasemissionen
EGB: ETUC position on the creation of a second ETS on road transport and building and of a new Social Climate Fund (nur Englisch)