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ZurückIm Sinne der KonsumentInnen fordert die Arbeiterkammer seit Jahren die Möglichkeit europaweiter Sammelklagen. Nun haben die europäischen Institutionen am 22. Juni 2020 eine Einigung auf eine Richtlinie erzielen können. Ein Meilenstein auf dem Weg europaweit effiziente Durchsetzung für VerbraucherInnenrechte zu ermöglichen.
Seit Jahren weisen VerbraucherInnenschützerInnen darauf hin, dass die Möglichkeiten für VerbraucherInnen, ihre Ansprüche bei Rechtsverletzungen durch Unternehmen in Form von Sammelklagen zu bündeln, europaweit verbessert werden müssen. Die Skandale bei Volkswagen und Cambridge Analytica brachten neuen Schwung in die Debatte. Sie verdeutlichten auf ernüchternde Art und Weise, wie eingeschränkt die Rechte der europäischen VerbraucherInnen hinsichtlich der kollektiven Rechtsdurchsetzung sind. Während die KonsumentInnen in den USA hohe Entschädigungen erhielten, standen in Europa keine einheitlichen und effizienten Verfahren zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung. Die Europäische Kommission reagierte darauf im April 2018 mit ihrem Paket für einen „New Deal for Consumers“, welcher als einen von zwei Rechtsakten einen Vorschlag für eine neue Richtlinie zu Sammelklagen umfasste.
Verhandlungsergebnis im Trilog
Entsprechend der Einigung in den sogenannten „Trilogverhandlungen“ zwischen Kommission, Parlament und Rat sind gemäß der neuen Richtlinie alle EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Verfahren kollektiver Rechtsdurchsetzung einzuführen. Dies umfasst sowohl Unterlassungsklagen als auch Leistungsklagen wie etwa Klagen auf Schadensersatz oder Gewährleistung. Eingebracht werden können die Klagen von sogenannten „qualifizierten Einrichtungen“. Für diese sollen – je nachdem, ob es sich um innerstaatliche oder grenzüberschreitende Verfahren handelt – unterschiedliche Qualitätskriterien gelten. Im Falle von grenzüberschreitenden Verfahren müssen die Einrichtungen unter anderem einen gemeinnützigen Charakter haben und nachweisen, dass sie sich bereits seit zumindest 12 Monaten für die Interessen von VerbraucherInnen einsetzen. In Österrreich erfüllen jedenfalls Arbeiterkammer und der Verein für Konsumenteninformation (VKI) diese Kriterien. Für innerstaatliche Verfahren können die Mitgliedstaaten entweder die Kriterien der „qualifizierten Einrichtungen“ für grenzüberschreitende Verfahren übernehmen oder selbst geeignete Kriterien festlegen. Die Kommission soll weiters prüfen, ob ein/e europäische/r BürgerInnenbeauftragte/r für kollektive grenzüberschreitende Klagen eingerichtet werden soll.
Äußerst positiv ist, dass sich die TrilogverhandlerInnen auf einen weiten Anwendungsbereich der Richtlinie geeinigt haben: Dieser umfasst neben dem allgemeinen VerbraucherInnenrecht auch Verstöße von HändlerInnen in Bereichen wie Datenschutz, Finanzdienstleistungen, Reisen und Tourismus, Energie, Telekommunikation, Umwelt und Gesundheit sowie Flug- und Zugpassagierrechte. Letzteres war bis zuletzt ein Streitpunkt zwischen den Institutionen. Durch die Einbeziehung des Bereichs Datenschutz werden unter anderem auch Sammelklagen gegen große Online-Konzerne möglich.
Zustimmung EP und Rat sowie nationale Umsetzung
Als nächster Schritt müssen nun noch das Plenum des EU-Parlaments sowie der Rat dem Verhandlungsergebnis aus dem Trilog zustimmen. Danach haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen und weitere sechs Monate, bis die entsprechenden Gesetze in Kraft treten müssen. Auch wenn eine schnellere Umsetzung in Österreich begrüßenswert wäre, ist vor allem auf die Praxistauglichkeit und eine gute Einbindung der (nationalen) VerbraucherInnenverbände zu achten.
Arbeiterkammer und BEUC: Positives Verhandlungsergebnis
Der Europäische VerbraucherInnenverband (BEUC) bezeichnete die Einigung zur Richtlinie zu Sammelklagen als einen „historischen Deal“. Gleichzeitig wies BEUC aber darauf hin, dass nun auch die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Umsetzung dazu beitragen müssen, eine erfoglreiche Regelung zu schaffen.
Auch die Arbeiterkammer begrüßt die Einigung im Sinne einer ihrer langjährigen Forderungen. Die AK hatte den Vorschlag der Kommission zu einer Sammelklagen-Richtlinie von Beginn an unterstützt und im Laufe der Verhandlungen für einen Rechtsakt zu Sammelklagen geworben. Im Auftrag von AnlegerInnen, AutobesitzerInnen und Reisenden führt die AK schon seit vielen Jahren Verbands- und Sammelklagen durch. Dabei handelt sich aber – bislang – um sehr langwierige und kostspielige Prozesse, die noch dazu eine enorme Belastung für die heimischen Gerichte darstellen. Immerhin konnte die AK aber auch unter der aktuellen Rechtslange einiges für die VerbraucherInnen erreichen: So wurden etwa für durch die Bank Meinl European Land geschädigte AnlegerInnen Entschädigungszahlungen in der Höhe von 13 Millionen Euro erwirkt. Aktuell führt die Arbeiterkammer in Folge der Pleite des Baukonzerns Alpine für rund 1.500 AnlegerInnen insgesamt elf Sammelverfahren gegen österreichische Banken. Der Streitwert beläuft sich dabei auf 27 Millionen Euro. Begrüßenswert ist die Einigung aus Sicht der AK auch, weil sie eine EU-weite Durchsetzung von KonsumentInnenrechten bei Verstößen auf europäischer Ebene ermöglicht. Damit können zukünftig auch ausländische Unternehmen endlich zur Verantwortung gezogen werden. Ein derartiges Instrument hätte die Bewältigung des Dieselskandels bedeutend einfacher gestaltet.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier zum New Deal for Consumers
AK EUROPA: Verbandsklagen-Richtlinie – Beginn der Trilogverhandlungen
AK EUROPA: New Deal For Consumers: Wichtige Entscheidungen am Ende der Wahlperiode
BEUC: EU institutions reach historic deal on EU-wide collective redress law