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ZurückDie aktuelle Krise bringt für die Menschen in Europa und auf der ganzen Welt weitreichende Einschnitte in allen Lebensbereichen mit sich. Nicht zuletzt auch für Reisende. Während Fluglinien und ReiseanbieterInnen für eine Aufweichung des geltenden EU-Rechts lobbyieren, kämpfen Arbeiterkammer und KonsumentenschützerInnen für die Betroffenen.
Tausenden Menschen hat die Ausbreitung des Corona-Virus und die dadurch notwendig gewordenen Maßnahmen einen Strich durch ihre Reisepläne gemacht. Viele können oder wollen ihre bereits gebuchten Reisen auf Grund der momentanen Situation nicht antreten. Auf Grund der schwer abzuschätzenden Dauer der Krise, stehen sogar Reisen in den Sommermonaten auf der Kippe. Dadurch stellen sich natürlich viele Fragen hinsichtlich der angefallen Kosten und deren möglicher Rückerstattung. Gleichzeitig werden in der Reisebranche Forderungen nach einer Lockerung der Reiserechte laut, denen die Arbeiterkammer eine klare Absage erteilt.
Corona und Fluggastrechte
Bei Verspätungen oder Annullierungen sieht die EU-Fluggastrechte-Verordnung Entschädigungszahlungen und Versorgungsleistungen – etwa die Verpflegung und Unterbringung bei längeren Wartezeiten oder Umbuchungen – für betroffene PassagierInnen vor. Da PassagierInnen in der Praxis oft Schwierigkeiten haben, ihre Rechte geltend zu machen, wird bereits seit dem Jahr 2013 über eine Überarbeitung der Verordnung verhandelt. Die Arbeiterkammer kritisiert allerdings, dass die Diskussionen dazu aus Sicht der Fluggäste bisher in die falsche Richtung verliefen.
Einer der strittigsten Punkte in der Verordnung waren schon bisher die sogenannten „außergewöhnlichen Umstände“. Entschädigungszahlungen sind laut der geltenden Verordnung dann nicht zu leisten, wenn die Annullierung auf solche „außergewöhnliche Umstände“ - also alle Umstände, „die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“ - zurückzuführen sind. Die Kommission kommt in einer aus aktuellem Anlass veröffentlichen Klarstellung und Orientierungshilfe zur Fluggastrechte-Verordnung zum Schluss, dass solche außergewöhnlichen Umstände angesichts der derzeitigen Pandemie und den damit verbundenen Grenzschließungen vorliegen. Es müsse allerdings von Fall zu Fall entschieden werden. Dennoch haben Reisende bei Streichung ihrer Flüge durch die Airlines auf jeden Fall einen Anspruch auf die Rückerstattung des Ticketpreises – auf Wunsch auch als Bar-Rückzahlung. Die durch verschiedene Lobbygruppen der Fluglinien vorgebrachte Forderung, die Verpflichtungen hinsichtlich der Versorgung von Reisenden angesichts der momentanen Umstände zu beschränken, wurde von der Kommission in ihrer Kommunikation nicht berücksichtigt. Sie hält im Gegenteil fest, dass die Fluglinien ihrer Interpretation nach „auch über einen langen Zeitraum“ hinweg verpflichtet sind, die Reisenden zu versorgen und sie von dieser Pflicht auch dann nicht entbunden sind, wenn die Situation auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückzuführen ist. Die Kommunikation soll dazu dienen, „angesichts der massiven Annullierungen und Verspätungen, mit denen Passagiere und Beförderungsunternehmen aufgrund der COVID-19-Pandemie konfrontiert sind (…) Rechtssicherheit in Bezug auf die Anwendung der EU-Passagierrechte (zu) schaffen“, wie EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean betonte. Nachdem eine einseitige Änderung der Rechtslage durch die Kommission bekanntlich nicht möglich ist, kommt der Kommunikation allerdings keinerlei Rechtsverbindlichkeit zu. Das Auslegungsmonopol verbleibt diesbezüglich beim Europäischen Gerichtshof.
Pauschalreisen
Pauschalreisen, also Reisen, bei denen zumindest zwei verschiedene Reiseleistungen (etwa Beförderung und Unterbringung) gebucht wurden, können sowohl von Seiten der ReiseveranstalterInnen als auch von Seiten der Reisenden storniert werden, wenn am Urlaubsort oder in seiner näheren Umgebung „außergewöhnliche Umstände“ auftreten. In diesem Fall haben die Reisenden Anrecht auf die volle Rückerstattung des Reisepreises. Auch hinsichtlich dieses Anrechts wird durch die Reisebüros und -veranstalter derzeit Druck auf die Kommission ausgeübt, und sie drängen auf eine Abänderung der Pauschalreiserichtlinie, um eine Entschädigung der Reisenden in Form von Gutscheinen zu ermöglichen.
Arbeiterkammer gegen Aufweichung der KonsumentInnen-Rechte
Aus Sicht der Arbeiterkammer steht fest, dass KonsumentInnen die Wahlfreiheit haben müssen, ob sie die Kosten für die stornierte Pauschalreise ausbezahlt bekommen oder einen Gutschein akzeptieren wollen. Bei Gutscheinen sollte aber jedenfalls sichergestellt werden, dass diese unbegrenzt gültig und vor allem für den Fall einer Insolvenz abgesichert sind. Gerade Letzteres ist nach geltender Rechtslage aber ungewiss. Ein Ausweg, der Klarheit schaffen würde, wäre die Übernahme einer staatlichen Insolvenzabsicherung auf nationaler Ebene. Es muss auf jeden Fall verhindert werden, dass die Reisenden „doppelt Opfer der Coronavirus-Pandemie werden“, wie auch Karima Delli, die Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments, erklärte.
Auf einer eigens zu Fragen bezüglich der Pandemie und ihren Auswirkungen eingerichteten Website informieren Arbeiterkammer und ÖGB – unter anderem auch – zum Thema „Freizeit und Reise“. Spezifisch zum Thema Reisen und Corona haben außerdem das Sozialministerium und der Verein für Konsumenteninformation eine Servicehotline eingerichtet.
Weiterführende Informationen:
AK und ÖGB: Job und Coronavirus: die wichtigsten Fragen und Antworten
AK EUROPA: Fahrgastrechte auf dem Prüfstand
AK EUROPA: Thomas Cook Insolvenz: EU Parlament fordert besseren Schutz von Reisenden