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ZurückMit dem Arbeitsmarktmonitor erstellt die Arbeiterkammer in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) jährlich eine EU-weite Studie zur Situation am Arbeitsmarkt. Nun wurde mit dem Arbeitsmarktmonitor 2019 die bereits neunte Aktualisierung veröffentlicht.
Basierend auf den vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) erhobenen Daten liefern AK und WIFO mit dem Arbeitsmarktmonitor seit 2011 jährlich einen umfangreichen und vergleichbaren Überblick über die Arbeitsmärkte der EU-Mitgliedsländer. Es werden dabei nicht nur aktuelle Entwicklungsrichtung analysiert, sondern auch potentielle Fragen für eine vertiefende Analyse aufgezeigt. Während sich die Beobachtung der Situation am Arbeitsmarkt in der EU oft auf wenige Schlüsselindikatoren – insbesondere die Arbeitslosenquote – beschränkt, versucht der Arbeitsmarktmonitor, ein breites Spektrum an relevanten Aspekten zu beleuchten und dadurch ein differenzierteres Bild zu zeichnen.
Die 5 Dimensionen
Im Jahr 2010 wurden von Arbeiterkammer, WIFO und dem Europäische Gewerkschaftsinstitut (ETUI) fünf arbeitsmarktrelevante Dimensionen erarbeitet, die eine umfassende Analyse des Arbeitsmarktes ermöglichen. Anschließend wurden 58 Indikatoren definiert, die diese Dimensionen möglichst gut abbilden sollen. Kriterium dafür waren einerseits inhaltliche Faktoren, andererseits aber auch die Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit der entsprechenden Daten. Untersucht werden die allgemeine Leistungskraft des Arbeitsmarktes, die Erwerbsteilnahme unterschiedlicher Personengruppen, Ausgrenzungsrisiken am Arbeitsmarkt, die Verteilung der Erwerbseinkommen sowie die Umverteilung durch den Sozialstaat. Für jede dieser fünf Dimensionen werden eine Reihe von europaweit vergleichbaren und regelmäßig verfügbaren Indikatoren herangezogen, auf deren Basis anschließend ein Bereichsindex – in diesem Fall eine Zahl zwischen 1 und 10 – gebildet wird. Komplexe ökonomische, politische und gesellschaftliche Zusammenhänge können so verständlich und übersichtlich dargestellt und verglichen werden. Anhand der Studie lässt sich außerdem nicht nur ablesen, welche Länder sich in den jeweiligen Dimensionen im Spitzenfeld befinden, sondern auch, was diese Länder in dieser Hinsicht auszeichnet.
Nordeuropäische Länder mit Spitzenwerten
Klassischerweise sind es vor allem kleine Mitgliedsländer mit vergleichsweise weniger EinwohnerInnen, die im Spitzenfeld landen. Vor allem die nordischen Staaten Schweden, Finnland und Dänemark belegen regelmäßig die vordersten Plätze. Auf den hinteren Plätzen finden sich hingegen häufig die südeuropäischen sowie die neueren Mitgliedsländer, etwa Griechenland und Bulgarien. Ersichtlich wird im Arbeitsmarktmonitor auch, wie stark sich die Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt niedergeschlagen hat. So zeigt ein Blick auf die erste Dimension, die sich mit der allgemeinen Leistungskraft des Arbeitsmarktes befasst, dass sich die Arbeitsmarktperformance der EU-Mitgliedsländer in Folge der Krise stark auseinander entwickelt hat. Nach wie vor sind die Unterschiede zwischen den EU-Ländern erheblich größer als vor 2009. Am besten schneidet Irland ab. Österreich liegt – fast gleichauf mit Estland – im oberen Mittelfeld. Die Situation in Griechenland erholt sich zwar seit 2014 langsam, trotzdem belegt das Land hier nach wie vor den letzten Platz.
Während die erste Dimension viele Indikatoren enthält, die sehr stark von der Konjunktur abhängig sind und sich auch in kurzen Zeiträumen stark verändern können, konzentrieren sich die restlichen vier Dimensionen stärker auf Strukturindikatoren, die sich über die Zeit meist nur langsam ändern – etwa das Bildungsniveau oder die Einkommensverteilung.
Österreich mit gemischtem Ergebnis
Österreich zählt mit einem überdurchschnittlich hohen BIP pro Kopf zu den reichsten Ländern der EU. Die Arbeitsproduktivität ist nur in drei anderen Ländern höher, die Arbeitslosenquote der Jugendlichen und jungen Erwachsenen vergleichsweise gering. Punkten kann Österreich im europäischen Vergleich außerdem bei der sozialen Absicherung und der Umverteilung durch den Sozialstaat, hier liegt man im Spitzenfeld. Zwar sind die durchschnittlichen Einkommen insgesamt relativ hoch, die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttoverdienst von Frauen und Männern ist es mit 19.9 % allerdings ebenso – konkret ist es das fünftgrößte Gender Pay Gap der EU. Zu den Schwächen zählen außerdem die vergleichsweise hohe Besteuerung von Arbeit sowie die hohe Teilzeitquote auf Grund von Betreuungspflichten. Bei der Betreuungsquote der Kinder unter drei Jahren liegt Österreich beispielsweise im Schlussfeld. Nur 20 % der Kinder in dieser Altersklasse besuchen eine formale Kinderbetreuungseinrichtung, im EU-Schnitt sind es immerhin rund 35 %. Auch bei den öffentlichen Bildungsausgaben liegt Österreich mit 4,8 % des BIP gerade einmal im unteren Mittelfeld. Im Bereich Gesundheit sind vor allem eine vergleichsweise hohe Quote an tödlichen Arbeitsunfällen sowie – mit 56,8 Jahren – ein niedriger Wert an gesunden Lebensjahren auffällig.
Mit dem Arbeitsmarktmonitor hat die Arbeiterkammer in Zusammenarbeit mit dem WIFO ein deskriptives Instrument geschaffen, das in der Lage ist, den Arbeitsmarkt in seiner ganzen Komplexität übersichtlich und verständlich darzustellen. Dadurch können relevante Forschungsfragen identifiziert und tiefgehender untersucht werden. Das ist unabdingbar, wenn man Missstände und problematische Entwicklungen erkennen und entsprechende politische (Gegen-) Maßnahmen einleiten will. Gerade angesichts der momentanen Krise und den verheerenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ist ein solches Instrument von äußerster Wichtigkeit.
Weiterführende Informationen:
Arbeiterkammer: Arbeitsmarktmonitor 2019
AK EUROPA: Perspektiven für ein soziales Europa
AK EUROPA: Faire Mindestlöhne im Zeitalter der Plattformwirtschaft