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Auch wenn TiSA, das umstrittene internationale Handelsabkommen zu Dienstleistungen, zurzeit auf Eis liegt, bietet es noch immer umfassenden Diskussionsstoff, wie ein im November 2017 abgehaltener Workshop in Brüssel gezeigt hat. Die dem Workshop zugrundeliegende Studie ist nun veröffentlicht worden.

 

Nachdem AK Europa Ende November zum Workshop „ASSESS TiSA” lud, bei dem ExpertInnen aus dem Umfeld der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments, von NGOs, Gewerkschaften und Wissenschaft mit großem Interesse die Frage diskutierten, wie die offiziellen Darstellungen zum ökonomischen Nutzen von TiSA, zu bewerten sind, ist die gleichnamige zugrundeliegende Studie nun veröffentlicht worden und steht zum Download verfügbar.

 

Angesichts des Stillstands der Verhandlungen rücken zunehmend die eher fragwürdigen Grundlagen der ökonomischen Folgenabschätzungen – dem sogenannten „Sustainability Impact Assessment“ (kurz: SIA) der Europäischen Kommission in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die von der Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) verfasste Studie hat sich nun eben diese Methoden genauer angeschaut und kommt zu recht eindeutigen Ergebnissen.

 

Zentrale Ergebnisse der Studie

Die offizielle Folgenabschätzung der Europäischen Kommission kommt zu dem Schluss, dass die ökonomischen Effekte von TiSA zwar positiv sind, jedoch sehr gering ausfallen: Für das EU BIP wird ein Anstieg um 0,1 %, für die EU-Exporte ein Anstieg um 0,2 % erwartet. Neben den ökonomisch eher ernüchternden angeblichen Vorteilen von TiSA sind vor allem die methodischen Grundlagen der offiziellen Folgenabschätzung kritisch zu hinterfragen. So zeigt die Studie unter anderem auf, dass das angewendete ökonometrische Modell auf unrealistischen Grundannahmen basiert und für den Dienstleistungssektor wichtige ökonomische Effekte nicht erfassen kann.

 

Das Modell geht davon aus, dass TiSA die Lücke zwischen dem derzeitigen Liberalisierungsniveau und jenem des GATS schließt und so Unsicherheiten für Unternehmen beseitigt. Der „Nutzen“ von TiSA ergibt sich so vorrangig aus der Reduktion dieser Unsicherheit, so die Grundannahme. Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass die TiSA-Staaten und insbesondere die EU in den letzten drei Jahrzenten bereits eine Vielzahl bilateraler Handels- und Investitionsabkommen abgeschlossen haben, die teilweise weit über GATS hinausgehen.

 

Einseitiges Verständnis von Kosten und Nutzen von Regulierungen

Die Studie zeigt anschaulich, dass die offiziellen Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission grundsätzlich auf einem einseitigen Verständnis von Regulierung basieren. So werden Regulierungen in der Regel lediglich als bloßer Kostenfaktor bzw. Handelshemmnis verstanden. Die negativen Auswirkungen von weitreichender Deregulierung auf ArbeiternehmerInnen und die Gesellschaft sowie die positiven, wohlfahrtssteigernden Effekte von Regulierungen werden hingegen nicht berücksichtigt. Dies birgt die Gefahr, dass EntscheidungsträgerInnen ihre Zustimmung zu einer weiteren Handelsliberalisierung auf verzerrten Entscheidungsgrundlagen bauen, die gesellschaftliche und ökonomische Vorteile von Regulierung nicht abbilden.

 

Hinzu kommt, dass das Modell immer Vollbeschäftigung annimmt und so die uU negative Beschäftigungswirkung für ArbeitnehmerInnen im Dienstleistungsbereich nicht direkt abbilden kann. Außerdem können beispielsweise Dienstleistungen, die die Niederlassung im Ausland betreffen, in der Folgenabschätzung nicht berücksichtig werden. Das wäre nicht weiter schlimm, würden sie nicht nach Berechnungen der Kommission selbst knapp 69 % (2013) aller EU-Dienstleistungsexporte ausmachen!

 

Zentrale Empfehlungen für die Politik

Demzufolge kommen die Studienautoren auch zu eindeutigen Empfehlungen. Sie raten zu einem ausgewogeneren Ansatz für die Behandlung von Regulierungen in Folgenabschätzungen, d.h. die Abschätzung von positiven und negativen Aspekten regulatorischer Angleichung unter Einbeziehung aller betroffenen AkteurInnen.

 

Empfohlen wird des Weiteren ein Sicherstellen von Handlungsspielräumen für Regulierungen im öffentlichen Interesse in EU-Handelsabkommen, allen voran TiSA, durch effektive Ausschlussklauseln für sensible Bereiche, wie z.B. durch eine entsprechende Musterklausel zur Herausnahme von öffentlichen Dienstleistungen. Bei neuen (De-)Regulierungsverpflichtungen in Handelsabkommen soll daher immer klargestellt werden, welche Risiken damit einhergehen – vor allem im Hinblick auf die Irreversibilität vieler Verpflichtungen sowie dem Verlust von regulatorischer Flexibilität. Nicht zuletzt schlagen die Autoren auch eine Verankerung von Rechtsmitteln zum Schutz öffentlicher Interessen in EU-Handelsabkommen, wie z.B. zur internationalen Einklagbarkeit von Arbeitsrechten oder durch effektive Revisionsklauseln, vor, die die Rücknahme schädlicher Liberalisierungen ermöglichen.



Weiterführende Informationen:

AK Europa Artikel zu TiSA Bericht des Europäischen Parlaments

Blog Arbeit&Wirtschaft: EU-Kommission zu Globalisierung: More of the same

AK EUROPA: Stillstand bei TiSA - Risiken für Regulierungen im öffentlichen Interesse bleiben bestehen

AK EUROPA: AK warnt vor Druck auf öffentliche Dienstleistungen durch TiSA

AK EUROPA: Reclaiming Public Services: Öffentliche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge zurück in die öffentliche Hand!

AK EUROPA: Die Auswirkungen von CETA auf die öffentliche Daseinsvorsorge in Österreich