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ZurückAm 22. Oktober 2020 fand ein von AK EUROPA, dem ÖGB Europabüro sowie dem Wien-Haus organisiertes Webinar zum angekündigten Rechtsakt über digitale Dienste statt. Da die aktuellen Rechtsnormen teils bereits 20 Jahre alt sind und den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden, sind neue Regeln für Online-Plattformen aus Sicht der Arbeiterkammer von großer Bedeutung.
Zu Beginn der Veranstaltung stellte Kenneth Haar vom Corporate Europe Observatory (CEO) eine gemeinsam mit der AK durchgeführte Studie vor, die sich mit der verstärkten Einflussnahme beschäftigt, die Unternehmen wie bspw. Uber und Airbnb seit 2016 auf die EU-Politik ausüben. Laut Haar genießen diese Online-Unternehmen im Rahmen der mittlerweile 20 Jahre alten Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr zahlreiche Privilegien – etwa durch das Herkunftslandprinzip, fehlenden Verpflichtungen zur Kontrolle oder beschränkte Haftung. Haar äußerte seine Befürchtung, dass diese Privilegien auch durch den für den 2. Dezember 2020 angekündigten Kommissionsvorschlag zu einem Rechtsakt über digitale Dienste (Digital Services Act/DSA) erhalten bleiben werden.
Diese Einschätzung teilte Werner Stengg, Mitglied des Kabinetts von Digitalkommissarin und Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager, nicht. Während sich der DSA vor allem mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Plattformökonomie, neuen Verpflichtungen für die Plattformen und der Rechtsdurchsetzung auseinandersetzen soll, liege der Fokus des ebenfalls angekündigten Rechtsaktes zu digitalen Märkten (Digital Markets Act/DMA) auf der Marktmacht der Plattformen. Bezüglich den Arbeitsbedingungen von PlattformarbeiterInnen plane die Kommission, im vierten Quartal 2021 einen eigenen Vorschlag zu präsentieren.
Isabelle Schömann vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) hielt Haars Einschätzung hingegen für durchaus realistisch. Sie forderte die Kommission dazu auf, im Rahmen des DSA eine kohärente Lösung für die Kollektivvertragsverhandlungen der Freiberuflichen zu schaffen: Diese müssten explizit vom EU- und dem nationalen Wettbewerbsrecht ausgenommen werden. Problematisch sah Schömann, dass Plattformen bisher in einem rechtlichen Vakuum arbeiten, grundlegende arbeitsrechtliche Verpflichtungen umgehen und einen fairen Wettbewerb verhindern.
Robert Walasinski vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) berichtete über seine Erfahrungen als Betriebsrat beim Lieferdienst Foodora und die sich seit Jahren verschlechternden Arbeitsbedingungen in der Branche – nicht zuletzt auf Grund von zunehmend prekären Beschäftigungsmodellen.
Wie Klemens Himpele von der Stadt Wien berichtete, versuche diese, seit einigen Jahren Online-Plattformen stärker zu regulieren. Trotz einer Änderung des Tourismusfördergesetzes im Jahr 2016 scheitere dies allerdings oft an der Weigerung der großen Plattformen, der Stadt die notwendigen Daten zu übermitteln – vor allem im Sektor der Kurzzeitvermietung. Hier fehle bisher die Möglichkeit, bestehende Bestimmungen auch durchzusetzen.
Heidrun Maier-de-Kruijff vom Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschafft Österreichs (VÖWG) verwies vor allem auf die fehlende bzw. unzureichende Besteuerung von Online-Plattformen wie Amazon. Diese Steuereinnahmen seien aber gerade jetzt notwendig, um die überlasteten Gesundheitssysteme sowie die wirtschaftliche Erholung im Allgemeinen zu finanzieren.
Aus der konsumentInnenrechtlichen Sicht forderte Maryant Fernandez Perez von der Dachorganisation der KonsumentInnenschützerInnen Europas (BEUC), dass der DSA einen hohen Schutz für die KonsumentInnen garantieren müsse. Es brauche klare Haftungsregeln für Online-Marktplätze, umfassende Auflagen für die Plattformen, eine Stichprobenüberprüfung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen sowie starke Aufsichts- und Durchsetzungsmechanismen.
Zwei Tage vor der Veranstaltung hatte das EU-Parlament drei Initiativberichte verabschiedet, mit denen es eine ambitionierte Position bzgl. des angekündigten Rechtsaktes annimmt. Nun liegt es an der Kommission, einen ebenso ambitionierten Vorschlag vorzulegen, der nicht hinter das geforderte Schutzniveau für ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen zurückfällt.
AK EUROPA: Konsultation der Europäischen Kommission zum Digital Services Act
AK EUROPA: Initiativberichte zu Künstlicher Intelligenz und digitalen Diensten angenommen
AK EUROPA: Digitale Dienstleistungen – viele offene Baustellen bei Rahmenregelungen