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ZurückDie Inflation in der Europäischen Union steigt nach wie vor an und erreichte im Oktober 2022 mit 11,5 % einen neuen Rekord. Zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten herrschen jedoch große Unterschiede. Während die von Eurostat errechnete Inflationsrate in Frankreich etwa bloß 7,1 % beträgt, weist Estland mit einer Rate von 22,5 % den höchsten Wert auf. Österreich liegt mit einer Inflation von 11,5 % genau im Durchschnitt. Die Gründe für diese zum Teil gravierenden Unterschiede sind sehr vielfältig und nicht immer einfach zu erklären.
In allen europäischen Staaten ist die teurer werdende Energie der wichtigste Grund für die hohe Inflation. Dies lässt sich nicht nur den Analysen der Herbstprognose 2022 für die einzelnen Mitgliedstaaten entnehmen, auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde führte im Rahmen des Währungspolitischen Dialogs im ECON-Ausschuss am 28. November 2022 die hohen Preise für Gas, Öl und Strom als Hauptfaktor für den massiven Inflationsanstieg an. Der Energiemix sowie die unterschiedlich stark ausgeprägte Abhängigkeit von Energieimporten der europäischen Staaten sind vor diesem Hintergrund zentrale Gründe für die unterschiedlichen Inflationsraten. Staaten mit einer höheren Importabhängigkeit sind wesentlich stärker von den angestiegenen Energiepreisen betroffen als jene Länder, die in einem höheren Ausmaß energieautonom sind.
Abseits von Energie sind die Lebensmittelpreise ein wesentlicher Preistreiber. Aufgrund des Krieges in der Ukraine, die wegen der hohen Menge an Getreideexporten als „Kornkammer Europas“ gilt, spitzen sich gerade im Lebensmittelbereich die Preise besonders stark zu. Davon sind wiederum vor allem jene Länder stark betroffen, die in einem vergleichsweise hohen Ausmaß Lebensmittel importieren. Dazu zählt vor allem Estland mit der europaweit höchsten Inflation im Oktober 2022. Aber auch klimabedingte Ursachen bewirken steigende Lebensmittelpreise: So ist die Trockenheit im Sommer 2022 ein maßgeblicher länderspezifischer Grund für die stark gestiegenen Lebensmittelpreise in Portugal.
Letztlich spielen auch die unterschiedlichen Währungen in Europa eine nicht zu unterschätzende Rolle hinsichtlich der unterschiedlichen Inflationsraten. Für jene EU-Mitgliedstaaten mit eigener Währung ist der Wechselkurs zum Euro ein zusätzlicher Faktor, der das Preisniveau aufgrund von Importen und Exporten stark beeinflussen kann. So ist der deutliche Rückgang des ungarischen Forint im Jahr 2022 im Vergleich zum Euro etwa ein wesentlicher Grund, warum die Inflation in Ungarn mit 21,9 % ganz oben in der Rangliste zu finden ist. Das Gegenteil gilt für die Schweiz mit ihrem erstarkenden Schweizer Franken. Dort lag die Inflation im Oktober bei lediglich 3 %.
Ländervergleich bestärkt die AK-Forderung nach einem Preisdeckel
Jene Länder, die in den Energiemarkt eingegriffen und Preisdeckel für Strom, Gas und/oder Fernwärme eingeführt haben, weisen den Daten zufolge verhältnismäßig niedrigere Inflationsraten auf. Dies ist zum Beispiel in Frankreich der Fall, wo die Inflation aufgrund des Preisdeckels für Strom und Gas gemäß Schätzungen der Kommission um 3 %-Punkte sank. In Spanien, das mit einer Inflation von 7,3 % nach Frankreich die zweitniedrigste Inflationsrate in Europa aufweist, hat die Regierung mit dem „iberischen Modell“ ebenfalls einen Preisdeckel für jenes Gas eingeführt, das zur Stromproduktion verwendet wird. Auch hier führt die EU-Kommission diese Maßnahme als wesentlichen Grund für die im europäischen Vergleich niedrige Inflationsrate an.
Dementsprechend fordert die AK für die gesamte EU ein „iberisches Modell“, also eine Deckelung des Gaspreises für jenes Gas, das zur Stromproduktion verwendet wird und damit den Strompreis maßgeblich bestimmt. Eine Studie im Auftrag der AK hat ergeben, dass dieser Deckel die Inflation in Österreich um ein Viertel verringern würde, und die Reallohnverluste damit um ein Drittel gesenkt werden könnten. Den häufig vorgebrachten Befürchtungen, wonach diese Ausgestaltung eines Preisdeckels zu einem erhöhten Gasverbrauch führen würde, widerspricht eine weitere von der AK in Auftrag gegebene Studie. Der höhere Gasverbrauch für die Stromproduktion in Spanien und Portugal ist vordergründig auf den Rückgang in der Stromproduktion durch Wasserkraft in Folge des trockenen Sommers 2022 sowie verstärkter Exporte nach Frankreich und Marokko zurückzuführen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Herbstprognose 2022 zur EU-Wirtschaft
AK EUROPA: Empirische Analyse der iberischen Strompreisobergrenze (Teil I/II)