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ZurückDie Corona-Krise und die drohende Rezession der Wirtschaft weckt schlechte Erinnerung an das Krisenmanagement der Euro-Krise, von welchem gerade Italien, Spanien oder Griechenland besonders betroffen waren. Mitgliedsstaaten ringen um eine gemeinsame Lösung, die die verheerenden wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Krise abmildern soll. Wird die Gemeinschaft der europäischen Staaten es jetzt besser machen als vor 10 Jahren?
Seit Beginn der Corona-Krise sucht die Europäische Union eine gemeinsame und koordinierte Antwort. Ein funktionierender Binnenmarkt, Hilfsgüter, die unter den Mitgliedsstaaten versendet werden, selbst PatientInnen, die etwa aus Frankreich und Italien ausgeflogen werden, verleihen angesichts von nationalen Egoismen und Alleingängen nur oberflächlich den Anschein einer solidarischen Gemeinschaft. Doch wie kann eine gemeinsame europäische Antwort auf die bevorstehende Rezession lauten, die die Fehler der Euro-Krise nicht wiederholt? Die Debatte darüber ist zutiefst politisch, schließlich bedarf es jetzt eines ernsten Bekenntnisses zu europäischer Solidarität und einen Umbau zu einem sozial fairen und nachhaltigem Europa, welcher eine Reform der Wirtschafts- und Währungsunion, die Stärkung der Europäischen Sozialpolitik, den Green Deal und die Neuausrichtung zahlreicher europäischer Politikbereiche, etwa der EU-Handelspolitik, umfasst.
Unterschiedliche Ausgangslage in den Mitgliedsstaaten
Die Forderung nach Corona-Bonds, also einer gemeinsamen Schuldenhaftung aller Euro-Staaten, die möglichst auch Nicht-Euro-Länder inkludieren sollte, wurde unter anderem von Italien, Frankreich und Spanien in einem Brief an Ratspräsident Charles Michel vorgebracht. Alle drei Länder weisen hohe Fall- und Sterbezahlen auf. Im Vergleich zu Deutschland sind die innerstaatlichen Hilfspakete prozentual zum Bruttoinlandsprodukt jedoch gering. Hinzu kommen die Einnahmenausfälle durch die schwere Rezession, die über die Kapitalmärkte finanziert werden müssen. Auch wenn für alle Länder die Zinsen derzeit noch fernab der gefährlich hohen Niveaus in der Euro-Krise vor zehn Jahren sind, so sind die Unterschiede relevant: Während Deutschland und die Niederlande durch zusätzliche Schulden sogar verdienen, müssen Italien und Griechenland deutlich über 1 % zahlen.
Europäischer Rettungsschirm oder Corona-Bonds?
Nun wird die Idee von gemeinsamen Anleihen wieder aktuell. Im Kontext der Ölkrise 1975 gab es sogar schon einmal sogenannte Community Bonds. Auch in der Finanzkrise 2008/09 wurden sogenannte Euro-Bonds gefordert, die am vehementen Widerstand Deutschlands scheiterten. Es kam der ESM, der Europäische Stabilitätsmechanismus, unter den sich einzelne Mitgliedsstaaten, allen voran Griechenland, „flüchteten“ - harte Sparmaßnahmen inklusive. Wie der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte im deutschen Fernsehen erklärte, sei die Lage jetzt anders: Man habe es mit einer „epochalen Herausforderung“ zu tun, die sich nicht auf einen Mitgliedsstaat beschränke, der falsch gewirtschaftet habe. Vielmehr sind alle Mitgliedsstaaten von einem wirtschaftlichen Einbruch bedroht. Es bedürfe also einer gemeinsamen solidarischen Lösung, die allen zu Gute käme.
Corona-Bonds als zeitlich und quantitativ beschränkte Eurobonds
Corona-Bonds sind Anleihen, die von allen Staaten gemeinsam getragen werden. Im Unterschied zu Euro-Bonds würde es ich bei Corona-Bonds um eine einmalige, spezifische Lösung handeln, statt einer langfristigen und unbegrenzten Haftungsgemeinschaft. Das Volumen der Corona-Bonds könnte beispielsweise auf 1.000 Milliarden Euro (etwa 7 % des EU-BIP) limitiert und relativ zur nationalen Wirtschaftsleistung gleich verteilt werden. Stark krisengebeutelte Staaten könnten so von den insgesamt besseren Konditionen besonders profitieren. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag für ein neues EU-Kurzarbeitsinstrument (SURE) unternommen. Ursula von der Leyen argumentierte diese Maßnahme am 1. April, dass man „aus der Krise 2008/09 gelernt habe“. Das neue Instrument soll 100 Milliarden Euro umfassen, die über gemeinsame Anleihen besichert mit Haftung aller Mitgliedstaaten aufgenommen werden sollen.
Gemeinsame Anleihen wurden im Zuge der Euro-Krise mit dem ESM verpasst. Vielmehr konnten Sparmaßnahmen aufgezwungen werden, denen öffentliche Infrastruktur, Gesundheits- und Sozialwesen zum Opfer fielen. Aktuell wird eine Variante der ESM-Lösung mit angepassten Kreditlimits diskutiert. Betroffene Länder könnten so von ESM-Krediten über 100 Milliarden Euro im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Virus profitieren, ohne dass diese Kredite an Sparmaßnahmen gekoppelt wären.
Verhärtete Fronten durch Kurzarbeitsbezug und geringes Volumen aufgeweicht?
Österreich, die Niederlande, Finnland und Deutschland sind bislang die härtesten Gegner von Corona-Bonds, obwohl selbst arbeitgebernahe WirtschaftsexpertInnen gute Argumente für eine gemeinsame Schuldenhaftung liefern. Auch der EGB hat sich bereits zu Beginn der Debatte für Corona-Bonds ausgesprochen und kritisiert das Scheitern des Euro-Gipfels als verpasste Chance einer gemeinsamen Lösung. Die Europäische Kommission versuchte bereits vor Vorstellung des neuen Kurzarbeitsinstruments, die verfahrene Diskussion mit einem überarbeiteten Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 und mit dem Vorschlag einer zügigen Umsetzung der europäischen Arbeitslosenrückversicherung zu entschärfen. Der Ball liegt nun vor allem bei der Euro-Gruppe, die innerhalb der nächsten zwei Wochen einen Plan zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen vorlegen soll.
Weiterführende Informationen:
Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 02. April 2020
AK EUROPA: Positionspapier zum Bericht „Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden“