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ZurückAm 31. Jänner 2024 trafen sich der Europäische Gewerkschaftsbund, die europäischen Arbeitgeber:innenverbände, die EU-Kommission und die belgische Ratspräsidentschaft auf Schloss Val Duchesse in Brüssel zum Sozialpartnergipfel. Als Teil des europäischen Sozialmodells spielt der soziale Dialog eine zentrale Rolle bei der gerechten Gestaltung des ökologischen und digitalen Wandels in der Arbeitswelt.
In Erinnerung an den ersten Gipfel der europäischen Sozialpartner vor 39 Jahren setzten sich die Teilnehmenden erneut in Val Duchesse an einen gemeinsamen Tisch und unterzeichneten eine „Dreigliedrige Erklärung für einen dynamischen europäischen sozialen Dialog“. Die Erklärung folgt der vor einem Jahr von der EU-Kommission präsentierten Initiative zur Stärkung und Förderung des sozialen Dialogs. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Sozialpartnergipfel auch in ihrer Rede zur Lage der Union (SOTEU) 2023 angekündigt.
Der 1985 vom damaligen EU-Kommissionspräsident Jacques Delors initiierte Sozialpartnergipfel in Val Duchesse stellte den Startschuss für die Einbindung der Sozialpartnerschaft in die europäische Beschäftigungs- und Sozialpolitik dar. Heute ist der soziale Dialog im Vertrag über die Arbeitsweise der EU und in der Europäischen Säule sozialer Rechte verankert. Jacques Delors zählt zu den Architekten der modernen EU. Er verstarb Ende 2023 im Alter von 98 Jahren.
Dreigliedrige Erklärung für einen dynamischen europäischen sozialen Dialog
Die Ende Jänner 2024 in Val Duchesse unterzeichnete Erklärung steht für ein erneuertes Engagement zur Stärkung des sozialen Dialogs und enthält vier konkrete Punkte zur gemeinsamen Bewältigung aktueller Herausforderungen.
Erstens wird die Bedeutung der Sozialpartnerschaft und des sozialen Dialogs sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene betont, insbesondere im Hinblick auf den ökologischen und digitalen Wandel. „Dieses Bekenntnis zum sozialen Dialog ist gerade in Zeiten multipler Krisen wichtig, der soziale Dialog schafft Stabilität“, betonte Wolfgang Katzian, Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) beim Gipfel.
Zweitens wird die EU-Kommission eine:n Beauftragte:n für den europäischen sozialen Dialog einrichten. Diese:r soll als Ansprechpartner:in für gemeinsame Anliegen der Sozialpartner dienen. Damit soll auch die Mitteilung zur Stärkung des sozialen Dialogs der EU-Kommission umgesetzt werden.
Drittens will die EU-Kommission gemeinsam mit den Sozialpartnern noch heuer im Frühjahr einen Aktionsplan zur Behebung des aktuellen Arbeits- und Fachkräftemangels ausarbeiten. Die Unterzeichner der Erklärung verpflichten sich dazu, mit ihren verfügbaren Mitteln mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, die Anerkennung von Qualifikationen zu erleichtern sowie Arbeitskräfte aus Drittstaaten zu integrieren.
Schließlich soll bis Anfang 2025 ein Pakt für den europäischen sozialen Dialog ausgearbeitet werden. In mehreren zwei- und dreigliedrigen Treffen soll ermittelt werden, wie der soziale Dialog auf EU-Ebene gestärkt werden kann. Dies beinhaltet u.a. Unterstützung durch den Europäischen Sozialfonds Plus, die Möglichkeit autonomer Sozialpartner-Vereinbarungen auf EU-Ebene und den Aufbau sozialpartnerschaftlicher Kapazitäten in EU-Beitrittskandidatenländern.
Neuer Schwung für den europäischen sozialen Dialog?
Zuletzt hat der europäische soziale Dialog einen herben Rückschlag erlebt. Die europäischen Sozialpartner sollten eine Rahmenvereinbarung zur Telearbeit und zum Recht auf Nichterreichbarkeit ausverhandeln. Die Verhandlungen scheiterten jedoch, nachdem zwei von drei Arbeitgeber:innenverbänden den Verhandlungstisch verlassen hatten. EGB-Generalsekretärin Esther Lynch forderte daraufhin die EU-Kommission auf, einen Legislativvorschlag vorzulegen. Die dreigliedrige Erklärung ist somit ein wichtiges Signal zur Stärkung des sozialen Dialogs zum richtigen Zeitpunkt.
In diesem Zusammenhang ist auch der jüngst von der EU-Kommission präsentierte Vorschlag zur Reform der Europäischen Betriebsräte zu erwähnen. Europäische Betriebsräte gibt es in grenzübergreifend tätigen Unternehmungen, die eine bestimmte Größe überschreiten und deren Standorte sich in mehreren europäischen Ländern befinden. Die stellvertretende EGB-Generalsekretärin Isabelle Schömann bezeichnet die bislang geltende Richtlinie als „zahnlosen“ Tiger und begrüßt den von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlag zur Überarbeitung.
Weiterführende Informationen:
ÖGB: Sozialer Dialog muss Markenzeichen der EU werden
AK EUROPA: EU-Kommission rückt Stärkung des sozialen Dialogs in den Vordergrund
Belgische Ratspräsidentschaft: Val Duchesse: verstärkter sozialer Dialog in Arbeitsmarktfragen
EGB und ETUI: Jacques Delors und der soziale Dialog
EU-Kommission: Vorschlag zur besseren Aufstellung der Europäischen Betriebsräte