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ZurückSchon vor den EU-Wahlen wuchsen die Widerstände gegen den Green Deal. Doch gerade jetzt kommt es darauf an, ihn mit einer starken sozialen Dimension weiterzuentwickeln. Umso entschlossener setzen sich die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer:innen und die Zivilgesellschaft in unterschiedlichen Initiativen für ein soziales Europa und ein gutes Leben für alle innerhalb der planetaren Grenzen ein.
Die AK fordert seit vielen Jahren einen sozialen und ökologischen Umbau, der die Kosten der notwendigen Transformation fair verteilt und niemanden zurücklässt, auch im Rahmen der European Alliance for a Just Transition. Als Teil dieser Allianz hat die AK im März 2024 in einem gemeinsamen Brief an die zuständigen Minister:innen einen EU-Politikrahmen für einen gerechten Übergang gefordert. Die Ratsschlussfolgerungen, auf die sich der Brief bezieht, wurden am vergangenen Montag beim Umweltrat in Luxemburg angenommen. Besonders hervorgehoben wird darin die Bedeutung eines stärkeren Mainstreamings der Just Transition in europäischen und nationalen Politiken.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich bereits im Dezember 2023 sehr detailliert zur Frage eines gerechten Übergangs positioniert. In seiner Stellungnahme verdeutlicht er, dass ein gerechter Übergang in der neuen Legislaturperiode ganz oben auf der Agenda stehen muss, um ein gutes Leben im Rahmen der planetaren Grenzen zu ermöglichen. Zu diesem Zweck fordert er unter anderem eine neue EU-Agenda für 2050 und eine:n eigene:n Kommissar:in für den gerechten Übergang. Dass die Menschen in Europa dieses Anliegen unterstützen, zeigt eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2023. Darin wird deutlich, dass die Verteilungsfrage als entscheidend für die Transformation angesehen wird und daher eine soziale und gerechte Politikgestaltung umso notwendiger ist.
50 Jahre Europäisches Umweltbüro
Am 13. Mai 2024 feierte das Europäische Umweltbüro (EEB) im Rahmen der Jahrestagung sein 50-jähriges Bestehen. In fünf Paneldiskussionen wurden Herausforderungen und Potenziale auf dem Weg in eine gerechte und nachhaltige Zukunft erörtert. Unter anderem betonte Johanna Sandahl, Präsidentin des EEB, die Bedeutung eines grundlegenden Wandels für ein gutes Leben in Europa. Das bestätigte auch der für Klima und Umwelt zuständige Minister der Region Brüssel-Hauptstadt, Alain Maron. Der gerechte Übergang sei das Herzstück des Green Deal und Voraussetzung für einen grünen Übergang. Josefine Vanhille von der Universität Antwerpen wies darauf hin, dass Ungleichheiten nicht als Nebenaspekte betrachtet werden dürfen. Vielmehr müssten für einen gerechten Übergang soziale, ökologische und ökonomische Ziele und Maßnahmen in integrierten und kohärenten Politiken verknüpft werden.
Die Aktivistin Chloé Mikolajczak und Yves Dejaeghere, Exekutiv-Direktor der Federation for Innovation Europe, betonten die Bedeutung von Partizipation und Demokratie. Die Menschen müssten an politischen Prozessen teilhaben und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden, um ihre Repräsentation und damit das Vertrauen in Politik und Demokratie zu stärken. Fadhel Kaboub, Präsident des Global Institute for Sustainable Prosperity, hob in der Diskussion die Dimension globaler Gerechtigkeit hervor. Um einen wirklich sozial gerechten grünen Übergang zu schaffen, müssten die tiefliegenden Wurzeln bestehender Ungleichheiten bekämpft werden, nämlich die kolonialen Strukturen.
Ein Pakt der Hoffnung
Neben den Diskussionsrunden wurde auch der Europäische Pakt für die Zukunft des EEB vorgestellt. Dieser soll laut Patrick ten Brink, Generalsekretär des EEB, und Pegah Moulana, Generalsekretärin von Youth and Environment Europe, den Menschen in Europa Hoffnung geben und neue Wege zeigen, wie trotz der vielen Krisen ein gutes Leben für alle möglich werden kann. Aufbauend auf dem Green Deal umfasst er zwölf zentrale Punkte. Neben der Bedeutung eines gerechten Übergangs zur Klimaneutralität und zum Schutz der Biodiversität wird die Notwendigkeit von Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft und „Wellbeing Economy“ betont. Soziale und grüne Investitionen, faire Besteuerung und Umverteilung sollen den Wandel vorantreiben, kohärente Politik und Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen einen Rahmen schaffen, der es Menschen und Wirtschaft ermöglicht, nachhaltige Lösungen zu wählen. Das umfasst nicht zuletzt Fragen der Mobilität, des Wohnens oder der Energie. EU-Beitrittskandidaten sollen in der Transformation unterstützt werden, internationale Zusammenarbeit und Partnerschaften globale Gerechtigkeit fördern. Entscheidend sind Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. In diesem Sinne sollen die Stimmen der Jugend und unterrepräsentierter Gruppen sowie das Vertrauen in die EU gestärkt, Desinformation bekämpft und eine intakte Umwelt als Menschenrecht anerkannt werden.
Eine Zukunft für die Vielen
Die Klimakrise ist längst im Alltag der Menschen angekommen. Notwendig ist daher eine grundlegende Neuausrichtung der Wirtschaft, die ein gutes Leben auch für kommende Generationen sichert. Dabei müssen die notwendigen Maßnahmen für Klimaschutz und Anpassung von den Arbeitnehmer:innen mitgetragen und gemeinsam eine Zukunft für die Vielen geschaffen werden. Die AK Wien hat mit ihrem kürzlichen veröffentlichten Plan für den sozialen und ökologischen Umbau dafür klare Wege aufgezeigt. Er stützt sich auf drei Säulen: Gerechtigkeit, planende und demokratische Dekarbonisierung sowie begleitende Politik, die niemand zurücklässt. Damit ist der Plan ein weiterer Baustein in der Auseinandersetzung über eine sozial gerechte und nachhaltige Gegenwart und Zukunft.
In den nächsten Wochen wird sich das EU-Parlament neu konstituieren, im Herbst dann auch die zukünftige Zusammensetzung der EU-Kommission klarer abzeichnen. Die personelle Besetzung und die Arbeitsprogramme werden gemeinsam mit der strategischen Agenda, die Ende Juni final angenommen werden soll, die inhaltliche Richtung der kommenden Legislaturperiode maßgeblich bestimmen. Damit ein gerechtes, soziales, demokratisches und nachhaltiges Europa zukünftig Priorität hat, müssen sich Gewerkschaften und progressive Kräfte nun umso entschlossener dafür einsetzen. Auch das Manifest des Europäischen Gewerkschaftsbundes zur EU-Wahl erinnert daran, dass für ein lebenswertes Europa die Stimmen der Arbeitnehmer:innen gehört werden müssen. Eine gerechte Transformation kann nur gelingen, wenn prekäre Arbeit beendet, qualitative Arbeitsplätze gesichert, öffentliche Gelder für sozialen Fortschritt eingesetzt und Tarifverhandlungen und sozialer Dialog europaweit gestärkt werden.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Ein EU-Rahmen für einen gerechten Übergang. Welche Maßnahmen sind gefragt?
AK EUROPA Publikation: Joint letter to Ministers calling for an EU policy framework for a just transition (Nur Englisch)
AK EUROPA: Der gerechte Übergang zur Klimaneutralität – vor welchen Herausforderungen stehen wir?
A&W Blog: Der soziale und ökologische Umbau braucht einen Plan
A&W Blog: „Just Transition”: Weil Klimapolitik eine soziale Frage ist!
AK Wien: Eine Zukunft für die vielen. Der Plan der Arbeiterkammer für den sozialen und ökologischen Umbau (Langfassung)
EEB: European Pact for the Future (Nur Englisch)