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ZurückZwei Jahre nach dem Sozialgipfel in Porto wurde am 26. und 27. Mai 2023 am Porto Sozialforum Bilanz über die bisherigen Fortschritte bei der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) gezogen. Hauptthemen des Forums waren das Europäische Jahr der Kompetenzen vor dem Hintergrund des digitalen und grünen Wandels sowie die Fortsetzung der sozialen Agenda der EU. Insbesondere wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, ein adäquates Angebot an Aus- und Weiterbildung anzubieten und die EU-Kindergarantie rascher und effektiv umzusetzen.
Zwei Jahre nach der Verabschiedung der Erklärung von Porto und dem Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) am Porto Sozialgipfel im Mai 2021 organisierte die portugiesische Regierung mit Unterstützung der EU-Kommission und unter Zusammenarbeit mit dem EU-Parlament ein Sozialforum in Porto. Dort kamen die Sozial- und Arbeitsminister:innen der Mitgliedstaaten, EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit, die Präsidenten des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen sowie Sozialpartner:innen und Interessenvertreter:innen zusammen, um die Fortschritte der ESSR zu evaluieren und Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu finden. Im Rahmen des Forums wurde von 37 politischen Enscheidungunsträger:innen ein offener Brief unterzeichnet, in dem unter anderem für eine effektive Umsetzung der EU-Kindergarantie plädiert wurde und die Bedeutung von Kompetenzen und Qualifikationen für den grünen und digitalen Übergang betont wurde.
Ziele des Forums: Armutsbekämpfung und mehr Aus- und Weiterbildung
Ein Kernthema des Forums war die Notwendigkeit in den nächsten Jahren vor allem die Armutsbekämpfung und die Förderung der Jugendbeschäftigung zu priorisieren. Im Jahr 2021 waren 95,4 Millionen Menschen in der EU von Armut oder sozialer Exklusion bedroht, was sich im Jahr 2022 durch die Lebenshaltungskostenkrise nachweislich noch verschärft hat. Nach einem bereits verfehlten Ziel zur Armutsbekämpfung bis zum Jahr 2020, wurde bereits im 2021 Aktionsplan zur ESSR eine Reduktion der armutsgefährdeten EU-Bürger:innen um mindestens 15 Millionen Menschen bis 2030 angestrebt.
Eine weitere Priorität des Forums war das Thema Aus- und Weiterbildung von Jugendlichen und Erwachsenen angesichts der neuen Anforderungen an Arbeitskräfte im Rahmen der grünen und digitalen Transformation. EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit unterstrich dies in seiner Rede im Rahmen des Sozialforums: „Um die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser dringend benötigten Qualifizierungsprogramme zu unterstützen, wurden 65 Milliarden Euro an EU-Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds+ und der Aufbau- und Resilienzfazilität bereitgestellt.“ Auch der Beschäftigungsausschuss des EU-Parlaments hat anlässlich des Forums eine Resolution über einen Fahrplan zu einem sozialen Europa verabschiedet, in welcher die Notwendigkeit betont wurde, soziale Inklusion und Würde zu fördern und den Zugang zu einem qualitativ hochwertigen Arbeitsmarkt sicherzustellen. Zur beruflichen Bildung und dem lebenslangen Lernen schlägt das EU-Parlament darin unter anderem auch eine bezahlte Bildungskarenz vor, welche die AK schon seit längerem fordert.
EU-Sozialkommissar befürwortet Arbeitszeitreduktion als Reaktion auf Fachkräftemangel
Begrüßenswert sind die Ausführungen von EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit hinsichtlich der Einführung einer 4-Tage-Woche. In der EU sei gegenwärtig der Arbeitskräftemangel ein großes Problem. Zum Thema „verkürzte Arbeitswoche“ gebe es zwar keinen gemeinsamen Standpunkt in der EU – so Schmit –, der hier auf die Bedeutung sozialpartnerschaftlicher Vereinbarungen verwies. Dennoch sei er selbst, auch angesichts der veränderten Vorstellungen jüngerer Generationen über das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben, offen für eine Verkürzung der Arbeitszeit.
AK: Ambitionierte soziale Mindeststandards zur Festigung der ESSR
Um den sozialen Fortschritt in der EU auch in Zukunft voranzubringen, wird es aus Sicht der AK auch in Zukunft wichtig sein, ehrgeizige europäische Mindeststandards in weiteren Bereichen festzulegen: Neben dem anhaltenden Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping, zählen hierzu etwa soziale Rechte im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz, Mindeststandards für Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege und für Live-in-Pflegekräfte, und in den Bereichen Arbeitslosenversicherung und Mindestsicherung. Ganz im Sinne der Hauptthemen des diesjährigen Forums tritt auch die AK für ein Recht auf Bildungsurlaub und ein Mindestmaß an Aus- und Weiterbildung während der Arbeitszeit ein. Eine Festigung der ESSR in der nächsten Legislaturperiode braucht jedenfalls einen verantwortungsvollen sozialen Dialog. So auch Oliver Röpke, Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, in seiner Rede am Forum in Porto, in der er betont, dass die vielfältigen Herausforderungen, denen die EU gegenüberstehe, nicht ohne die Einbindung der Sozialpartner und zivilgesellschaftlicher Organisationen bewältigt werden können.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Rückblick auf den EU-Sozialgipfel in Porto
AK EUROPA Policy Brief: Aktionsplan zur Säule sozialer Rechte und EU Sozialgipfel: Notwendige soziale Neuausrichtung der EU
Resolution des EU-Parlaments: „Roadmap for a Social Europe : two years after Porto” (Nur Englisch)
Rede von EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit am Porto Sozialforum (Nur Englisch)
Rede vom Präsidenten des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses Oliver Röpke am Porto Sozialforum (Nur Englisch)