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ZurückBereits seit 2012 hängt der Richtlinienvorschlag der Kommission zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten auf 40 % aufgrund der Blockade einiger Mitgliedsstaaten im Rat in der Warteschleife. Die Gleichstellungskommissarin Helena Dalli möchte den Richtlinienabschluss nun erneut auf den Weg bringen, das Europäische Parlament unterstützt dieses Vorhaben.
Ohne Quote kaum Fortschritte
Laut dem aktuellen Frauen.Management.Report der AK waren 2019 im EU-Durchschnitt lediglich 28,8 % der Aufsichtsratsmitglieder Frauen. Damit ist der Frauenanteil seit 2009 insgesamt zwar um 17,8 % Prozent angestiegen, dieser Anstieg ist aber vor allem jenen Mitgliedsstaaten zu verdanken, die in den letzten Jahren Quoten implementierten. In Mitgliedsstaaten, die keine Maßnahmen setzten, sind laut des Europäischen Gleichstellungsinstituts (EIGE) im Durchschnitt lediglich 15 % Frauen in Aufsichtsräten vertreten und damit nicht einmal 3 % mehr als vor 10 Jahren. Die Notwendigkeit einer europäischen Regelung hat daher keineswegs an Aktualität und Dringlichkeit verloren.
Kommissarin Dalli: „Frauen haben lang genug gewartet“
Die EU-Gleichstellungskommissarin Helena Dalli sieht Quoten als „notwendiges Übel“ an, um Geschlechtergleichheit in Schlüsselpositionen zu erreichen. Bei einem Hearing des Frauenausschusses am 21. September 2020 versicherte sie abermals, dass die Auflösung der Blockade dieser Richtlinie eines der Hauptziele ihres Mandats sei. Denn ein Legislativinstrument sei nicht nur der richtige Weg, um für mehr Repräsentation von Frauen zu sorgen, sondern auch eine Frage von guter Unternehmensführung: Studien zeigen, dass Unternehmen mit Frauen im Vorstand erfolgreicher sind als jene, die keine Frauen in den Vorstand berufen.
Parlament seit 2012 für Abschluss der Richtlinie
In der gemeinsamen Sitzung des Frauen- und Rechtsausschusses am 21. September 2020 herrschte fraktionsübergreifend wenig Verständnis für den anhaltenden Stillstand. „Das Parlament hat seine Hausaufgaben bereits 2012 erledigt“, betonte etwa MEP Lara Wolters (S&D). Auf die Initiative von MEP Evelyn Regner (S&D) wurde das Thema „Frauenanteil in Aufsichtsräten“ auf die Tagesordnung des Plenums des Europäischen Parlaments gesetzt und mit Michael Roth als Vertreter der deutschen Ratspräsidentschaft sowie der Gleichstellungskommissarin Helena Dalli diskutiert. Dabei sprach die deutsche Abgeordnete Maria Noichl (S&D) den „Elefanten im Raum“ an: Deutschland habe die Richtlinie bisher selbst blockiert, die Abgeordnete forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, endlich von der Bremse zu steigen.
Deutschland – Blockierer und Mediator zugleich?
Deutschland hat nun die Chance, einen Positionswechsel zu vollziehen und sein Interesse an Geschlechtergerechtigkeit zu beweisen. Der deutsche Europaminister Michael Roth betonte beim Austausch im EP-Plenum, den Rat zu vertreten und nicht die zu dem Thema gespaltene deutsche Regierung. Er sprach Deutschland eine Rolle als Vermittler zu und stimmte der Notwendigkeit einer solchen Regelung zur Anhebung des Frauenanteils zu.
Der bislang letzte Versuch, den Richtlinienvorschlag der Kommission durch bilaterale Gespräche aus der Ratsblockade zu lösen, erfolgte unter rumänischem Ratsvorsitz 2019 und war nicht von einem erfolgreichen Abschluss gekrönt. Es bleibt zu hoffen, dass mit der Initiative Helena Dallis und dem seit Jahren anhaltenden Rückenwind aus dem EP – sowie einem Positionswechsel von Deutschland – ein Abschluss der Richtlinie nun endlich Realität wird.
Weiterführende Informationen:
AK: Frauen.Management.Report 2020. Die Aufsichtsratsquote wirkt – was jetzt?
AK EUROPA: Neue Gleichstellungsstrategie veröffentlicht
AK EUROPA: Frauen in Aufsichtsräten: Wann durchbricht die EU die „gläserne Decke“?