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ZurückDer Ruf nach europäischen Initiativen für mehr Steuergerechtigkeit ist nicht neu, der Weg dorthin hat sich bislang allerdings als steinig erwiesen. Das Thema war auch während der Hearings mit den designieren KommissarInnen ein Dauerbrenner. Dabei ging es zumeist um die Digitalsteuer, die auf europäischer Ebene Anfang dieses Jahrs gescheitert ist. Ein globaler Ansatz im Kampf gegen Gewinnverlagerungen und für einen Mindeststeuersatz auf OECD-Ebene steht in einer entscheidenden Phase und birgt Chancen.
Die OECD hat im Rahmen der BEPS-Initiative (Base Erosion Profit Shifting) gemeinsam mit den G20-Staaten ein sogenanntes Inclusive Framework geschaffen, das inzwischen 134 Länder hinter dem Ziel einer besseren und gerechteren internationalen Unternehmensbesteuerung vereint. Nachdem bereits erste Maßnahmen gesetzt wurden, steht nun BEPS 2.0 an. Die OECD setzt dabei auf 2 Säulen, sogenannte pillars: 1. Die Neuaufteilung der Unternehmensgewinne und 2. ein globaler Mindeststeuersatz für Unternehmensgewinne. Über einen Kompromiss zur ersten Säule, der Neuaufteilung von Unternehmensgewinnen, hat die OECD am 09.10. zu einer Konsultation eigeladen. Eine Konsultation zu Säule 2, dem Mindeststeuersatz, soll noch 2019 folgen. Die politischen Entscheidungen sind für 2020 zu erwarten.
Erste Säule: Neuaufteilung der Gewinne
Beim Thema Steuern wird oft zurecht kritisiert, dass das Regelwerk nicht mehr zeitgemäß ist: Oft wird der Ort der Produktion in den Vordergrund gestellt, in einer digitalisieren Welt mit global aktiven Unternehmen ist diese Regelung wenig sinnvoll. Mit dem OECD Vorschlag gewinnt der Ort des Konsums an Wichtigkeit. So würden die großen digitalen Player wie Google und Co. mit dem sogenannten unified approach mehr Steuern in Österreich zahlen – obwohl sie dort physisch nicht anwesend sind, also nicht im klassischen Sinn „produzieren“. Diese Verschiebung klingt zunächst begrüßenswert, ihre Folgen sind allerdings schwer abschätzbar. Schließlich gilt die gleiche Regel auch für andere Unternehmen, die zuvor Steuern in Österreich bezahlt haben, beispielweise Industrieunternehmen, die für die EndverbraucherInnen produzieren, zB Red Bull.
Zweite Säule: Ein globaler Mindeststeuersatz
Die Neuaufteilung der Unternehmensgewinne zugunsten der Marktstaaten ist zwar eine Antwort auf die Digitalisierung der Wirtschaft, sie stellt aber noch kein ausreichendes Besteuerungsniveau sicher. Ausgerechnet Donald Trump hat mit seiner Steuerreform von 2018 eine Mindestbesteuerung für US-Unternehmen erreicht. Würde man den Ansatz des US-Präsidenten auf die EU umlegen, bedarf es zum einen einer „Income Inclusion Rule“, die besagt: Wenn der effektive Mindeststeuersatz z. B. 18 Prozent beträgt und die Tochtergesellschaft eines EU-Unternehmens in einer Steueroase mit nur 3 Prozent besteuert wird, darf das EU-Land (Sitzland der Konzernmutter) die verbleibenden 15 Prozent „aufstockend“ besteuern. Damit das System nicht unterlaufen werden kann, braucht es klare (internationale) Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Zum anderen stellt eine sogenannte „Undertaxed Payments Rule“ sicher, dass die Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen in der EU ihre Gewinne nicht mehr in Steueroasen verlagern können und jedenfalls einen Mindeststeuersatz von eben z. B. 18 Prozent zahlen müssen. Die „Undertaxed Payments Rule“ verhindert auch, dass sich EU-Konzerne durch Verlagerung der Zentrale ins Ausland (Corporate Inversion) dem Mindeststeuersatz entziehen können.
Ausblick: Die Chancen für einen Mindeststeuersatz stehen gut
Der Mindeststeuersatz würde nicht nur die Verschiebung von Konzerngewinnen in Steueroasen erheblich erschweren, auch der Steuerwettbewerb in der EU wäre de facto „eingefroren“. Er macht ebenfalls Druck in Richtung einer harmonisierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage in der EU - ohne Harmonisierung wäre das effektive Steuerniveau nämlich gar nicht objektiv ermittelbar. Damit wäre auch der wesentliche Grundstein für eine formelbasierte Gewinnverteilung (Gesamtkonzernsteuer) innerhalb der EU gelegt, was eine langjährige Forderung von NGOs, Gewerkschaften und auch der AK darstellt.
Die politische Machbarkeit des Mindeststeuersatzes wird als hoch eingeschätzt: Mangels nennenswerter GegnerInnen wird es der Mindeststeuersatz aus heutiger Sicht spielend in den finalen Beschluss der G20 schaffen. Die „üblichen Verdächtigen“ in der EU (Irland, Luxemburg, Malta usw.) stünden durch den G20-Beschluss unter erhöhtem Druck, einer Umsetzung auf EU-Ebene zuzustimmen. Allerdings muss ein effektiver Mindeststeuersatz in der EU auch richtig ausgestaltet sein, damit er effektiv sein kann. Hier ist die Höhe entscheidend: Die Forderung nach 25 Prozent (österreichisches Niveau) ist schwer durchzusetzen, keinesfalls aber darf sich die Mindestbesteuerung an den Schlusslichtern der EU orientieren (rund 10 Prozent in Ungarn und Bulgarien). Denkbar wäre auch ein abgestufter Steuersatz – ein höherer für die entwickelten Volkswirtschaften, ein niedrigerer für die aufholenden Ökonomien.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Policy Brief: Digitalisation and Taxation
AK EUROPA: Digitale Strategie für Europa: Hearing mit Margrethe Vestager
AK EUROPA: Kampf gegen Steuertricks: EP-Sonderausschuss setzt hohe Ansprüche
A&W blog: Eine Steuerrevolution für die EU?
Bertelsmann Stiftung: Digitalsteuer in der EU – wo stehen wir?