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ZurückDie Forderungen nach einem EU-Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten gewinnt immer mehr Für-SprecherInnen. Nach der Ankündigung im April von EU-Justizkommissar Didier Reynders Anfang kommenden Jahres einen Kommissionsvorschlag vorzulegen, folgen nun weitere Stimmen, die ein solches Gesetz unterstützen. Auch die gerade gestartete deutsche Ratspräsidentschaft macht das Thema der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zu einer ihrer Prioritäten.
Im April 2020 kündigte Justizkommissar Didier Reynders an, Anfang 2021 einen Kommissionsvorschlag zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten vorzulegen. Dass der Ansatz der freiwilligen Selbstverpflichtung von Unternehmen unzureichend ist, hat sich einmal mehr in einer von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie gezeigt. Am 19. Mai 2020 brachte nun auch Handelskommissar Phil Hogan im Rahmen des „OECD Forums zu verantwortungsvollem Unternehmenshandeln“ zum Ausdruck, die Initiative von Justizkommissar Reynders zu unterstützen.
Auch Sozialkommissar Nicolas Schmit sicherte im Zusammenhang mit der Präsentation der deutschen Ratspräsidentschaftsziele „die volle Unterstützung der Kommission im Engagement des deutschen Vorsitzes für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in globalen Lieferketten“ zu. Die deutsche Ratspräsidentschaft schlägt weiters auch einen Aktionsplan vor: „Wir setzen uns für einen EU-Aktionsplan zur Stärkung der Unternehmensverantwortung in globalen Lieferketten ein, der menschenrechtliche, soziale sowie ökologische Standards und Transparenz fördert und den Erfahrungen und Lehren der COVID-19-Pandemie Rechnung trägt“. Dies soll durch die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen geschehen. Der deutsche Ratsvorsitz wird auch am 6. und 7. Oktober 2020 eine Konferenz zu Lieferketten abhalten. Reynders betonte dazu in einem Austausch mit zivilgesellschaftlichen AkteurInnen am 8. Juni 2020: „Wir müssen schnell sein“. Der Start der offiziellen Konsultation ist für September geplant, um die Kommissionsinitiative im März 2021 vorlegen zu können.
Austausch zwischen EU-Abgordneten und ExpertInnen
Bei einem Hearing im EU-Parlament verwies Markus Krajewski, einer der geladenen ExpertInnen und Co-AutorInnen der Policy Briefings für das Parlament, auf die Wichtigkeit, dass tatsächlich alle Unternehmen unabhängig von Größe und Sektor unter den Rechtsakt fallen und alle Verstöße gegen Menschenrechte abgedeckt werden. Die Regelung sollte eine für sich alleinstehend sein. Krajewski äußerte Bedenken, dass es zu einem Rechtsakt kommen könnte, der Directors‘ Duties, also Pflichten, welche Vorstandsmitgliedern gegenüber ihrem Unternehmen obliegen, und unternehmerische Sorgfaltspflichten miteinander verbindet. Auch NGOs fordert von Reynders in einem gemeinsamen Brief eine klare Trennung dieser beiden Initiativen. Unternehmerische Sorgfaltspflichten sollen für alle Unternehmen – und damit auch für KMUs – Anwendung finden und nicht nur für jene, die einer Regelung zu Directors‘ Duties unterliegen. Beata Faracik, ebenfalls Co-Autorin eines der Policy Briefs, sprach in Bezug auf das Einbeziehen von KMUs die Möglichkeit eines langsameren „Fading in“ an.
Forderungen der Arbeiterkammer und der Zivilgesellschaft
Die jahrelangen Bemühungen der Zivilgesellschaft könnten mit einer gelungenen und ambitionierten europäischen Regelung endlich Früchte tragen. Die Arbeiterkammer hat sich als Teil einer zivilgesellschaftlichen Allianz - der Treaty Alliance Österreich – in einem Schreiben an die Kommission gewendet. In diesem werden die Überlegungen zu einer europäischen Regelung ausdrücklich begrüßt. Diese sollten unter Anwendung der UN-Prinzipien erfolgen und die EU sollte zudem auch in die auf UN-Ebene laufenden Verhandlungen einsteigen. Ein effektiver Zugang zu den Rechten und Rechtsbehelfen soll ebenso gewährleistet werden. Das von der AK unterstützte Schreiben betont, dass die europäische Regelung für alle Unternehmen angewandt werden muss, die Produkte oder Dienstleistungen am Binnenmarkt anbieten. Zudem ist auch eine Einbeziehung der jeweiligen Gewerkschaften in den Mitgliedsländern zentral um die Rechte der ArbeitnehmerInnen zu schützen.
Überprüfung der EU-Handelspolitik
Am 16. Juni 2020 hat die EU-Kommission eine umfassende Überprüfung der EU-Handelspolitik eingeläutet, die laut Handelskommissar Phil Hogan unter anderem aus (geo-)politischen Gründen notwendig geworden ist. Während sich die USA seit einigen Jahren zunehmend ihrer globalen Führungsrolle entledigen würden, werde China stetig wichtiger – sowohl als Partner als auch als „systemischer Rivale“ – wie Hogan vor dem Handelsausschuss des EU-Parlaments ausführte. Der aber wohl ausschlaggebendste Grund für die Überprüfung der EU-Handelspoltitik ist zweifellose die Coronakrise und ihre verheerenden Auswirkungen auf die Wirtschaft und den globalen Handel. Für Letzteren wird im Jahr 2020 ein Rückgang zwischen 10 und 16 Prozent prognostiziert. Angesichts dieser massiven Krise soll die Überprüfung einerseits aufzeigen, wie Handelspolitik zu einem stabilen sozioökonomischen Wiederaufbau und einer gestärkten EU beitragen und andererseits auch den Weg zu einer „Offenen Strategischen Autonomie“ ebnen kann. Zentrale Themen aus Sicht der Kommission sind beispielsweise die Rolle von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die Unterstützung des grünen Übergangs sowie das Sicherstellen eines fairen Wettbewerbs zu gleichen Bedingungen. Um dies bestmöglich zu gewährleisten, startete die Kommission eine öffentliche Konsultation, an der sich InteressenvertreterInnen noch bis zum 15. September 2020 beteiligen können.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: EU-Lieferkettengesetz: Erstes Etappenziel in Sicht
Offener Brief der Treaty Alliance Österreich an die EU-Kommission
European Parliament: Human Rights Due Diligence Legislation – Options for the EU