Nachrichten
ZurückJustizkommissar Didier Reynders verkündete am 29. April, eine europäische Regelung zu verpflichtenden unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Angriff zu nehmen. Während die öffentliche Konsultation bereits in den nächsten Wochen starten soll, ist ein Vorschlag für eine gesetzliche Initiative für Anfang 2021 geplant. Damit können die langjährigen Bemühungen von der Zivilgesellschaft und einzelnen Abgeordneten des Europäischen Parlaments Früchte tragen – ein wichtiges erstes Etappenziel wäre damit erreicht.
Bislang wurde auf Unionsebene der freiwilligen Selbstverpflichtung von Unternehmen in Bezug auf die Kontrolle ihrer Lieferketten – von einzelnen Sektoren abgesehen – der Vorzug gegeben. In der Praxis hat dieser Ansatz nicht zum gewünschten Erfolg geführt: Viele Unternehmen steigern ihre Profite, indem sie Menschenrechtsverletzungen und fehlenden Umweltschutz in ihren Lieferketten akzeptieren. Aus Sicht der Arbeiterkammer ist daher eine sektorenübergreifende, verpflichtende EU-Gesetzgebung bereits überfällig.
Im Oktober 2019 kündigte EU-Justizkommissar Didier Reynders an, sich mit der Thematik einer verpflichtenden EU-Regelung auseinanderzusetzen. Die Kommission gab eine Studie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten bei Lieferketten und möglichen Regulierungsoptionen in Auftrag. Diese wurde Ende Februar 2020 veröffentlicht und zeigte abermals klaren Handlungsbedarf: Nur eines von drei Unternehmen wendet freiwillig Sorgfaltspflichten an – und diese zumeist nur für die direkten Zulieferbetriebe und nicht auf die gesamte Lieferkette. Auch der europäische Aktionsplan für Menschenrechte für 2020-2024 erwähnt die unternehmerischen Sorgfaltspflichten. Am 29. April 2020 verkündigte Reynders nun seine Absicht Anfang 2021 einen Rechtsakt vorzulegen.
Ankündigung einer sektorenübergreifenden, verpflichtenden Regelung
Immer mehr Mitgliedsstaaten arbeiten auf nationaler Ebene an der Schaffung von Regelungen. In Frankreich, das hier eine Vorreiterrolle eingenommen hat, gibt es bereits seit 2017 ein Gesetz. Auf das französische Modell verwies auch Reynders daran orientiert könnte eine europäische Regelung folgen. Während die Details noch auszuverhandeln sind, zeichnet sich bereits eine Richtung ab, in welche die europäische Regelung nach Reynders Vorstellungen gehen dürfte. Übereinstimmend mit den Ergebnissen der Studie sicherte der EU-Justizkommissar zu, dass er einen branchenübergreifenden Ansatz anstrebe, welcher mit Sanktionen verbunden wird: Denn „eine Regelung ohne Sanktionen ist keine Regelung.“ Das Programm der mit Juli beginnenden deutschen Ratspräsidentschaft wird aktuell noch überarbeitet, um den Anforderungen, die sich aus der Pandemie und ihren Folgen ergeben, zu entsprechen. In dem Austausch zwischen Reynders, der „Verantwortliche Unternehmensführung“ Arbeitsgruppe des Europäischen Parlaments und anderen TeilnehmerInnen sicherte ein Vertreter des deutschen Arbeits-und Sozialministeriums bereits zu: „Sie haben unser Unterstützung aus Berlin“. Es bleibt abzuwarten, wie sich unternehmerische Sorgfaltspflichten in dem Arbeitsprogramm der deutschen Präsidentschaft angesichts Corona wiederfinden werden.
Coronakrise verdeutlicht Handlungsbedarf
Der Bedarf an einer verpflichtenden Regelung auf Unionsebene zeigt sich auch angesichts der Coronakrise. Mit dieser ging ein Zusammenbruch von globalen Lieferketten einher, Millionen von ArbeiterInnen am Ende von Lieferketten wurden gekündigt – oftmals ohne von einem sozialen Netz aufgefangen zu werden. Auch ohnehin niedrige Gehälter wurden teils nicht mehr ausbezahlt, da sich manche Unternehmen weigerten, zuvor in Auftrag gegebene und bereits produzierte Ware zu bezahlen oder von neuen Aufträgen absahen. Jene, die in den Produktionsländern noch tätig sind, arbeiten zumeist unter erhöhten Gesundheits- und Sicherheitsrisiken. Die Verbreitung des Virus steht zudem in Zusammenhang mit dem Verlust von Biodiversität, der Klimakrise und der fortschreitenden Abholzung. Letzteres führt zu dem Verlust von natürlichen Barrieren zwischen Wildtieren und Menschen, die Übertragungen von diversen Krankheiten auf den Menschen begünstigt. Sorgloses unternehmerisches Handeln hat der Europäischen Koalition für Unternehmensgerechtigkeit (ECCJ) zufolge, bereits wesentlich zu diesen Umständen beigetragen. Reynders sieht ebenso die Notwendigkeit einer verpflichtenden Regelung zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten: Corona sei ein Grund mehr, jetzt tätig zu werden. Eine verpflichtende Regelung sollte dem EU-Justizkommissar zufolge im Kontext des wirtschaftlichen Erholungsplans und des Green Deals stehen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Menschenrechte: Kommissionsstudie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten
AK EUROPA: Kommission präsentiert außenpolitischen Aktionsplan für Menschenrechte 2020-2024
AK Policy Brief: Unternehmen und Menschenrechte
ECCJ: Unmöglichen zum Unvermeidlichen: Unternehmensgerechtigkeit in Zeiten von COVID-19