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ZurückNach 2012 und 2015 wurde dieses Jahr zum dritten Mal ein europäischer Aktionsplan für Menschenrechte vorgelegt. Dieser soll, hinsichtlich den Beziehungen mit Drittländern, gemeinsame Prioritäten in den Bereichen Demokratie und Menschenrechte festlegen und ein konsequentes und kohärentes Vorgehen der EU ermöglichen.
Die Achtung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit gehören zu den selbst erklärten Grundwerten der Europäischen Union. Am 25. März 2020 präsentierten die Kommission und der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, nun ihren Vorschlag für den Aktionsplan für Menschenrechte. Der Aktionsplan soll die Prioritäten und möglichen Maßnahmen im Bereich Menschenrechte für das außenpolitische Agieren der EU und ihrer Mitgliedstaaten festlegen. Des Weiteren soll er helfen, sich den Herausforderungen unserer Zeit, etwa in Form von „Angriffen auf die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte“, zu stellen und diesen im Einklang mit den eigenen Werten zu begegnen, um „Rückschritte im Bereich der Demokratie“ zu verhindern.
Parallel zur veröffentlichten Mitteilung unterbreiten die Kommission und der EU-Außenbeauftragte dem Rat außerdem einen Vorschlag bezüglich einer Empfehlung an den Europäischen Rat. Dieser soll auf Empfehlung des Rates hin beschließen, die Mitteilung und den Aktionsplan als Beschluss über die strategischen Interessen und Ziele der EU anzunehmen. Ein solcher Beschluss würde den Stellenwert des Plans unterstreichen und dem Rat das Erlassen spezifischer Durchführungsmaßnahmen für den Aktionsplan ermöglichen, wobei diese vom Rat mit einer qualifizierten Mehrheit beschlossen werden müssten.
Handlungsschwerpunkte
Im Vorschlag der Kommission werden fünf Prioritäten festgelegt, die bei der Bewältigung des geopolitischen Wandels, der Digitalisierung und der Klimakrise helfen sollen. Diese fünf Schwerpunkte sollen als Grundlage für entsprechende Maßnahmen auf nationaler, regionaler und multilateraler Ebene dienen, wobei die Kommission betont, dass „örtliche Gegebenheiten und Besonderheiten“ dabei berücksichtigt werden sollen. Zu den konkret angestrebten Zielen gehören unter anderem die Umsetzung einer Null-Toleranz-Linie beim Thema Kinderarbeit, die Abschaffung der Todesstrafe und die Beseitigung von Zwangsarbeit. Ein weiterer Punkt, der im Rahmen des Aktionsplans Erwähnung findet, ist die Förderung unternehmerischer Sorgfaltspflichten in globalen Versorgungsketten. Hier fordert die Arbeiterkammer von der EU und ihren Mitgliedstaaten, Unternehmen gesetzlich zu verpflichten, bei ihren weltweiten Geschäften sowohl die Rechte der Menschen als auch die Umwelt zu respektieren. Außerdem soll die Ausarbeitung eines verbindlichen UN-Vertrages zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte unterstützt werden und der Einhaltung von Menschenrechten, Umweltrechten sowie der Kernarbeitsnormen der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) höchste Priorität zukommen, wenn zukünftig Handelsabkommen verhandelt werden.
Maßnahmen und Instrumente
Im Rahmen des Aktionsplans schlägt die Kommission vor, auf ein breites Spektrum von politischen Maßnahmen und Instrumenten zurückzugreifen. Diese umfassen beispielsweise (Menschenrechts-)Dialoge, thematische und geografische Instrumente des Mehrjährigen Finanzrahmens, Kommunikationsmaßnahmen und Sensibilisierungskampagnen sowie die Beobachtung von Wahlen und Gerichtsverfahren gegen MenschenrechtsaktivistInnen. Außerdem soll die Handelspolitik der EU einschließlich des Allgemeinen Präferenzsystems als Instrument genutzt werden. Dadurch soll der Aktionsplan auch sicherstellen, dass dem Themenbereich Menschenrechte und Demokratie künftig eine größere Rolle beigemessen wird, wenn es um Fragen des auswärtigen Handels geht.
Evakuierung griechischer Flüchtlingslager auf Grund der Corona-Pandemie
Gemäß Pressemitteilung der Kommission steht die EU “bei der Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie weiterhin unerschütterlich an vorderster Front.” Wirft man allerdings einen Blick auf die Lage in den Flüchtlingslagern auf Lesbos und anderen griechischen Inseln, zeigt sich hinsichtlich der Menschenrechtssituation auch innerhalb der EU enormer Handlungsbedarf. Im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos sind die vorhandenen Kapazitäten etwa um ein vielfaches überschritten und eine medizinische Versorgung der Menschen vor Ort ist ebenso wenig gewährleistet wie die Versorgung mit Strom, Heizungen oder fließend Wasser. Angesichts der ersten bestätigten Infektion in einem griechischen Flüchtlingslager kündigt sich hier vor den Augen der Weltöffentlichkeit eine humanitäre Katastrophe an. Die notwendigen Hygienevorschriften sind angesichts der Überbelegung und der fehlenden Versorgungsstruktur nicht einzuhalten. Deswegen machte sich etwa die österreichische SPÖ-Europaabgeordnete Bettina Vollath dafür stark, “sofort einen EU-Notfalleinsatz auf den griechischen Inseln” durchzuführen und die Evakuierung der betroffenen Lager vorzunehmen. Diese Forderung wurde durch Juan Fernando López Aguilar, dem Vorsitzenden des Justizausschusses des EU-Parlaments, bereits ebenso vorgebracht wie durch rund 150 NGOs. Zusätzlich läuft aktuell die Petition „leave no-one behind“, die bereits von mehr als 260.000 Menschen unterzeichnet wurde.
Josep Borrell verwies anlässlich der Präsentation des neuen Aktionsplanes für Menschenrechte auf die “besonderen Herausforderungen”, welche die Corona-Pandemie “für die wirksame Ausübung und den wirksamen Schutz der Menschenrechte” mit sich bringe. Die EU kann nun beweisen, dass es sich bei solchen Bekenntnissen nicht nur um leere Phrasen handelt und man das Prinzip, niemanden zurücklassen zu wollen (“leave no-one behind”), tatsächlich ernst nimmt. Es steht nicht zuletzt auch die Glaubwürdigkeit von Projekten wie dem Aktionsplan Menschenrechte auf dem Spiel.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Policy Brief: Business and human rights
AK EUROPA: Menschenrechte: Kommissionsstudie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten.
AK EUROPA: Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich machen