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ZurückDurchgeführt in 14 Staaten, darunter Österreich, belegt eine neue Umfrage des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (EGI) einmal mehr niedrige Verdienstmöglichkeiten bei gleichzeitig hoher Fluktuation und kurzen, gestückelten Arbeitszeiten von Internet- und Plattformarbeiter:innen. Dazu wurde am 17. Februar 2022 auch in einer großen thematischen Konferenz des EGI diskutiert. Die dort präsentierten Erkenntnisse bestätigten die Forderungen der AK: Der von der Kommission im Dezember 2021 vorgelegte Vorschlag zu Plattformarbeit ist dringendst notwendig und darf im weiteren Verhandlungsprozess nicht verwässert werden.
„Plattformarbeit ist meist nur ein Nebenjob und damit zu klein, um sie zu regulieren“. Aussagen wie diese sind, so Martin Gruber-Risak, Professor für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien, nur vorgeschobene Argumente einer neoliberalen Agenda. Die von Ipsos durchgeführte EGI-Umfrage berechnet die Zahl der (teilweisen) Internetarbeiter:innen, also Menschen, die schon einmal digital vermittelte Dienstleistungen verrichtet haben, auf 47,5 Mio (das entspricht ca 17 % der EU-Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter). Etwa 12 Mio Menschen in der EU (4,3 %) verrichten teilweise Arbeit über Plattformen und etwa 3 Mio Menschen (1,1 %) sind Plattformarbeiter:innen einzustufen.
Als eines der Hauptcharakteristika von Plattformarbeit bezeichnet Silvia Rainone (EGI) im Rahmen der EGI-Konferenz das Prekariat, welches durch Scheinselbstständigkeit, unbezahlte Bereitschaftszeiten und durch das besondere Ungleichgewicht in der Verhandlungsmacht zwischen Plattform und Arbeiter:in entsteht. 85 % der Arbeitnehmer:innen verdienen weniger als die Hälfte ihres Jahreseinkommens durch die Plattformarbeit. Der Verdienst pro Stunde liegt zwischen 15 Euro pro Stunde am oberen Ende für professionelle Fernarbeit und etwas über 8 Euro pro Stunde für Zustellarbeiten. Mehr als die Hälfte der Plattformarbeiter:innen bezieht Löhne unter dem gesetzlichen Mindestlohn.
Die EGI-Umfrage zeigt auch, dass Internet- und Plattformarbeit meist als zusätzliche Einkommensquelle für Menschen mit weniger stabilen Offline-Jobs genutzt wird. Klick-Work, zB die Durchführung von kurzen Produktbeschreibungen, wird bzw wurde von fast 10 Mio Menschen verrichtet, während weniger Menschen (1,5 Mio) im Zustell- und Transportbereich, zB bei Uber und Deliveroo, arbeiten. Plattform- und Internetarbeit ist auch von hoher Fluktuation gezeichnet. Während fast 30 % der Befragten der Umfrage schon einmal versucht haben, über Plattformen Geld zu verdienen, beendete knapp die Hälfte davon vor der Umfrage die Tätigkeit auch schon wieder. Das liegt laut Valeria Pulignano (Zentrum für soziologische Forschung) auch daran, dass Internet- und Plattformarbeiter:innen lange Arbeitszeiten haben, aber dennoch wenig verdienen. Eine der Schlussfolgerungen im Rahmen der EGI-Konferenz war daher auch, dass ein dringender Bedarf an kollektiven Strukturen und Rechten besteht, um die Stellung der Plattformarbeiter:innen zu verbessern.
AK: Wichtiger Vorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei Online-Plattformunternehmen
In einem neuen Positionspapier zum Richtlinienvorschlag der Kommission begrüßt ihn die AK als wichtigen Schritt, jedoch sind Nachschärfungen notwendig: Wichtig ist insbesondere eine klare Definition, ab wann eine Plattform als Dienstgeberin zu qualifizieren ist. Äußerst positiv ist, dass eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses eingeführt werden soll. Hierbei sieht der Kommissionsvorschlag jedoch vor, dass mindestens zwei plattformarbeitstypische Kriterien erfüllt sein müssen, was aus Sicht der AK zu restriktiv ist. Der Kriterienkatalog sollte um weitere Punkte ergänzt werden und das Vorliegen eines dieser Kriterien ausreichen, um die gesetzliche Vermutung zur Anwendung zu bringen.
Informationspflichten und Schutz in Bezug auf algorithmisches Management
Ein begrüßenswerter Bestandteil des Kommissionsvorschlages sind die Informationspflichten gegenüber Beschäftigten, welche auch gegenüber Selbstständigen gelten sollen. Eine schlechtere Behandlung gegenüber Arbeitnehmer:innen aufgrund des algorithmischen Managements soll verboten werden: Die AK fordert hierbei noch ein ausdrückliches Verbot der „Rufschädigung“, die die weiteren Erwerbschancen beeinträchtigen kann, etwa in Form „schwarzer Listen“ oder weitergegebener „bad rankings“. Hier muss die Möglichkeit geschaffen werden, falsche sowie diskriminierende Bewertungen anzufechten und zu löschen sowie verankert werden, dass personenbezogene Daten nicht an andere Plattformen weitergegeben werden dürfen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: EU-Richtlinie soll Arbeitsbedingungen von Online-Plattform-Beschäftigten verbessern
AK EUROPA Positionspapier: Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit
AK EUROPA Policy Brief: Platform work (nur Englisch)
EGI-Konferenz „Working conditions in the platform economy” (nur Englisch)
EGI-Studie „The platform economy in Europe” (nur Englisch)