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ZurückAm 9. September präsentierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Namensliste und am Folgetag die Portfolios der übrigen designierten 26 EU-KommissarInnen. Bereits in den Tagen zuvor kursierten verschiedenste Namenslisten und Zuordnungen der Themenbereiche. Seit 10. September ist nun klar wer für welches Aufgabengebiet vorgeschlagen wird und auch, dass es ein paar grundlegendere Änderungen gibt.
Schwerpunkte und Balanceakte
Erster exekutiver Vizepräsident soll Frans Timmermans bleiben. Mit dem Themenbereich des Green Deals für Europa hat der Niederländer auch eine der zentralen Prioritäten der Kommission als Portfolio. Die dänische zweite exekutive Vizepräsidentin Margarethe Vestager übernimmt neben der Wettbewerbspolitik in Zukunft auch die digitalen Agenden. Die Balance versucht von der Leyen geographisch zu schaffen, indem sie den Letten Valdis Dombrovskis zum dritten exekutiven Vizepräsidenten mit dem Themenfeld „eine Wirtschaft für die Menschen“ machen möchte. Alle drei sollen erstmals auch direkt Zugang zu den Generaldirektoraten haben. Dieses Recht war bisher jenen KommissarInnen vorbehalten, die nicht auch VizepräsidentInnen waren. Die übrigen nicht-ausführenden fünf VizepräsidentInnen sollen ebenfalls aus mittel-, ost- und südeuropäischen Ländern kommen.
In ihrer Rede an das europäische Parlament Mitte Juli hatte von der Leyen sich für neben der geopolitischen Balance auch für Geschlechterparität ausgesprochen. Knapp ist sich dies mit 13 weiblichen und 14 männlichen KommissarInnen nicht ausgegangen. Positiv herauszuheben ist die Schaffung einer Gleichstellungskommissarin, die von der die Malteserin Helena Dalli bekleidet werden soll.
Zuständigkeiten und erste Kritik
Für andere Nominierungen und Zuständigkeiten ist bereits deutliche Kritik zu hören. So wird von mehreren EU-Abgeordneten die Frage gestellt, was genau mit Margaritis Schinas’ Arbeitsbereich “Schützen, was Europa ausmacht“ gemeint ist und warum Migration unter diesen Titel fällt. Die europäische Gewerkschaftsunion ETUC kritisierte den Titel als „absurd“. MigrantInnen seien nicht die Gefahr für Europa, sondern die extreme Rechte. Zu verteidigen wäre unsere Demokratie und zu schützen wäre unser Klima und soziale Standards. Weiters wird kritisch hinterfragt, warum „Verteidigungsindustrie“ so ein prominentes Feld unter der Französin Sylvie Goulard, wird. Außerdem besteht auch personelle Kritik an manchen vorgeschlagenen KandidatInnen: Der Ungar Laszlo Trocsanyi ist ein Orban-Unterstützer, der die Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn mitgetragen hat. Die Rumänin Rovana Plumb sieht sich mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Auch gegen den Polen Janusz Wojciechowski wird wegen Betrugs ermittelt.
Der Pole soll für die Agrarpolitik zuständig sein und damit Phil Hogan nachfolgen, der Handelskommissar wird. Mit ihm wird ein härterer Zugang zu Verhandlungen erwartet, aber kaum inhaltliche Veränderungen. In den beiden Bereichen Handels- und Agrarpolitik wären aber wichtige Schritte für ein klimaneutrales Europa zu setzen. Aus Sicht der AK wäre es außerdem notwendig, die EU-Handelsverträge hinsichtlich der Schiedsgerichtsbarkeit und durchsetzbarer Nachhaltigkeitskapitel zu reformieren.
Positiv hervorzuheben ist die Nominierung des Luxemburgers Nicolas Schmit für Arbeitsplätze und Soziales. Bereits in seiner Funktion als Luxemburger Arbeitsminister setzte er sich stark für ein soziales Europa ein.
Bereits vorab war klar, dass der Spanier Josep Borell die Außenagenden von Frederica Mogherini übernehmen wird. Diese Position wird nämlich vom Europäischen Rat vorgeschlagen. Der österreichische Kommissar Johannes Hahn, für den es die dritte Periode in der EU-Kommission sein wird, soll die wichtigen Agenden Haushalt und Verwaltung bekommen.
Parteizugehörigkeit und Brexit
Mit der letzten Nominierung des Italieners Paolo Gentiloni stellen die SozialdemokratInnen mit 10 Personen die zahlenmäßig meisten KommissarInnen, 9 KommissarInnen sind den Europäischen Volksparteien zuzuordnen. Auch die liberale Renew-Gruppe ist mit 6 Sitzen stark vertreten. Hinzu kommen Virginijus Sinkevicius (Litauen) und Janusz Wojciechowski (Polen), die in der Logik der Gruppen im EU-Parlament den Grünen bzw. Konservativen und Reformern zuzuordnen sind. Großbritannien hat im Zuge des Brexits keine/n KommissarIn mehr ernannt. Sollte dieser aber wieder verschoben werden, besteht von der Leyen auf eine Nominierung.
Wie es weitergeht
Im September und Oktober wird nun das europäische Parlament alle designierten KommissarInnen eingehend in Hearings befragen und schließlich darüber abstimmen, ob sie von der Leyens Gesamtliste zustimmen oder nicht. Grundsätzlich werden die KommissarInnen von dem Parlamentsausschuss befragt, der in ihren Geschäftsbereich fällt. Ein schlechter Eindruck im Ausschuss hatte in der Vergangenheit bereits zur Zurücknahme von Kandidaturen geführt. Abschließend muss das gesamte Kollegium der Kommission vom EU-Parlament mehrheitlich angenommen werden. Läuft alles planmäßig würde die „Kommission von der Leyen“ am 1. November ihre Arbeit aufnehmen.
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