Nachrichten
ZurückAm 6. September 2022 – pünktlich zur jüngsten Verhandlungsrunde zum EU-Lieferkettengesetz im Rat der EU – startete eine neue Kampagne mit dem Titel „Justice Is Everybody’s Business“ (Gerechtigkeit geht alle an). Mithilfe einer „Waage der Gerechtigkeit“ machten vor dem Haupteingang des Ratsgebäudes zahlreiche Vertreter:innen der mehr als 100 mitwirkenden Organisationen, darunter auch AK EUROPA, auf die Kampagnenforderung aufmerksam, Gerechtigkeit für Menschen zu garantieren, die durch schlechte Geschäftspraktiken geschädigt werden.
Am 23. Februar 2022 legte die EU-Kommission nach mehrmonatiger Verspätung einen Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz vor. Im Herbst werden nun intensive Verhandlungen zu dem Rechtsakt im EU-Parlament und Rat stattfinden. Diese zu begleiten ist Ziel der Kampagne „Justice Is Everybody’s Business“. Mehr als 100 Gewerkschaften und Organisationen aus der Zivilgesellschaft haben sich dabei zusammengeschlossen, um gemeinsam für ein gerechtes Gesetz zur Nachhaltigkeit von Unternehmen einzutreten. Sowohl AK EUROPA als auch das ÖGB Europabüro sind als unterstützende Organisationen beteiligt und tragen die Kampagne mit.
Der Entwurf der EU-Kommission zum EU-Lieferkettengesetz sieht unter anderem vor, dass mit Ausnahme von einzelnen Bereichen nur große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Mio Euro erfasst sind. Damit würden bloß 0,2 % der EU-Unternehmen unter die geplante Regelung fallen. Der eingeschränkte Anwendungsbereich ist dabei nur einer von mehreren Bereichen, in denen die Kampagne Verbesserungen fordert. Ziel der Kampagne ist es, einen europäischen Rechtsrahmen für Unternehmen einzurichten, der sowohl den Schutz von Menschenrechten als auch des natürlichen Lebensraums und der Umwelt garantiert.
Zentrale Forderungen
Der Kampagne liegen insgesamt 10 konkrete Forderungen an die politischen Entscheidungsträger:innen in Brüssel und den Mitgliedsstaaten zugrunde, welche auch von der AK unterstützt werden. So sollen Unternehmen strenge Verpflichtungen auferlegt werden, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und Schäden an der Umwelt und dem Klima abzuwenden bzw unverzüglich zu beenden. Derartige Verpflichtungen haben sich dabei auf die gesamte Wertschöpfungskette zu beziehen, um Schlupflöcher zu vermeiden und besonders vulnerable Akteur:innen zu schützen. Zugleich muss eine effektive Durchsetzung von etwaigen Ersatzansprüchen im Falle von Verstößen seitens der Unternehmen gewährleistet sein. Dabei soll nicht nur den Geschädigten selbst, sondern ebenso den Gewerkschaften und den Akteur:innen der Zivilgesellschaft die Befugnis zukommen, Klagen vor europäischen Gerichten einzubringen. Als elementarer Bestandteil eines umfassenden EU-Lieferkettengesetzes wird darüber hinaus auch gefordert, dass Tarifverhandlungen durch Gewerkschaften garantiert werden und Arbeitnehmer:innenvertreter:innen ein echtes Mitspracherecht bei der Einhaltung der Sorgfaltspflicht erhalten. Denn gerade diese Organisationen haben das Wissen über mögliche menschen- und umweltrechtliche Risiken und außerdem die Kapazitäten, um konkrete Maßnahmen zu einer Verbesserung der Situation vor Ort vorzuschlagen.
Wie geht es nun weiter?
In den nächsten Wochen und Monaten finden Beratungen im EU-Parlament und Rat statt, die entscheidend dafür sein werden, ob ein schlagkräftiges EU-Lieferkettengesetz in naher Zukunft Realität werden kann. An potenziellen Hürden mangelt es diesbezüglich mit Sicherheit nicht. So könnte nach einem Vorschlag der tschechischen Ratspräsidentschaft eine Priorisierung nach Risiko in den Gesetzestext aufgenommen werden. Dieser Vorschlag ist zwar besser als nur „etablierte Geschäftsbeziehungen“ unter die Lupe zu nehmen (wie im Vorschlag der Kommission vorgesehen), es ist jedoch darauf zu achten, dass Unternehmen sich nicht einer generellen Pflicht zur Sorgfalt und Nachhaltigkeit entziehen. Dies würde mit den Forderungen der Kampagne nicht übereinstimmen. Nicht nur eine inhaltliche Verwässerung des Vorschlags gilt es zu verhindern, auch wird es wichtig sein, dass es zu keiner zeitlichen Verzögerung in den Verhandlungen kommt, damit das Gesetz noch vor den nächsten EU-Parlamentswahlen im Jahr 2024 beschlossen werden kann.
Weiterführende Informationen:
Kampagne „Justice Is Everybody’s Business”
AK EUROPA: Nachbesserungen beim Entwurf für ein Lieferkettengesetz notwendig
AK EUROPA: EU-Parlament möchte Produkte aus Zwangsarbeit vom EU-Markt verbannen