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ZurückMit einer neuen Entschließung forderte das EU-Parlament die EU-Kommission am 9. Juni 2022 dazu auf, Produkte vom EU-Markt zu verbannen, die unter Zwangsarbeit und menschenunwürdigen Bedingungen entstehen. Aus Sicht der Arbeiterkammer ist dieser Vorstoß des EU-Parlaments sehr zu begrüßen.
Ob in den Zuckerplantagen in Pakistan, im Kobalt-Bergbau in der Demokratischen Republik Kongo oder in den Einweghandschuh-Fabriken in Malaysia: Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen stehen leider noch auf der Tagesordnung. Zuletzt verhängten die amerikanischen Zollbehörden einen Einfuhrstopp für Einweghandschuhe des malaysischen Produzenten WRP Asia Pacific wegen des Verdachts auf Zwangsarbeit. Laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) sind weltweit etwa 25 Millionen Menschen in einer Situation der Zwangsarbeit. Schon lange forderte das EU-Parlament, NGOs, Gewerkschaften und die Arbeiterkammer die EU-Kommission auf, gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen tätig zu werden.
Im Februar 2022 präsentierte die EU-Kommission schließlich ihren Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz. Ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit ist im EU-Lieferkettengesetz jedoch nicht enthalten. Der Vorsitzende des Handelsausschusses des EU-Parlaments, Bernd Lange (S&D), legte nun am 22. März 2022 einen Entschließungsantrag vor, der die EU-Kommission auffordert, rasch eine effektive Regelung zur Zwangsarbeit auszuarbeiten. Das EU-Parlament stimmte am 9. Juni 2022 nach einer Aussprache fast einstimmig dieser Resolution zu. "Um Zwangsarbeit wirksam zu bekämpfen, brauchen wir ein echtes Importverbot für den europäischen Binnenmarkt, welches den Behörden erlaubt, Produkte bei Verdacht an der Grenze zu stoppen.“, so Anna Cavazzini, Mitglied des EU-Parlaments (Grüne).
Menschen, die Zwangsarbeit verrichten, sind unterschiedlichen Formen von Zwang ausgesetzt, zB (angedrohter) Gewalt, Vorenthaltung des Lohns, übermäßige Überstunden oder Drohungen gegen die Familie. Zur Feststellung von Zwangsarbeit sollten laut EU-Parlament die von der IAO definierten 11 Indikatoren herangezogen werden. Das zukünftige Instrument soll WTO-konform und nach dem Vorbild der USA und Kanadas konstruiert sein, welche seit 2020 laut dem Handelsabkommen USA-Mexiko-Kanada (USMCA") verpflichtet sind, Waren aus Zwangsarbeit zu verbieten. Der Rechtsakt soll sich zum Ziel setzen, Waren an der EU-Grenze zu stoppen, wenn es den begründeten Verdacht gibt, dass sie unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. Das EU-Parlament fordert weiters, dass ein öffentliches Verzeichnis der mit Sanktionen belegten Einrichtungen, Gebiete und Produkte erstellt wird, damit die Zollbehörden die Produkte schnell aus dem Verkehr ziehen können. Eine weitere wichtige Forderung des EU-Parlaments ist, dass Unternehmen, deren Produkte unter Zwangsarbeit hergestellt wurden, Wiedergutmachung an die betroffenen Arbeitnehmer:innen leisten müssen. Außerdem muss es zivilgesellschaftlichen Akteuren oder Gewerkschaften möglich sein, auf potenzielle Verstöße hinzuweisen und Nachforschungen anzustoßen. Als Koordinierungs- und Informationssystem soll eine öffentliche Datenbank eingerichtet werden, welche Informationen zu einzelnen Lieferanten und dem mit ihnen verbundenen Risiko enthält (Supply-Chain Mapping).
Forderungen der Arbeiterkammer
Die Arbeiterkammer tritt dafür ein, dass die EU ihre Marktmacht dafür nutzt, um Zwangsarbeit effektiv zu bekämpfen. „Ausbeuterische Arbeit bedeutet auch, dass Gewerkschaften und Tarifverhandlungen verhindert werden. Nur wenn sich Arbeiter:innen vereinigen können, haben sie die Möglichkeit, gemeinsam für existenzsichernde Löhne zu kämpfen“, so Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl. Die handelsbasierte Maßnahme soll – so die Forderung der Arbeiterkammer – sicherstellen, dass nicht nach geographischer Herkunft diskriminiert wird, sondern die Import- und Exportverbote evidenzbasiert passieren. Weiters muss auf Kohärenz mit dem Aktionsplan zu Nachhaltigkeitskapiteln und deren Verankerung in Freihandelsabkommen geachtet werden. Die EU-Kommission hat nun bereits auf den öffentlichen Druck reagiert und angekündigt, einen Rechtsvorschlag im September 2022 vorzulegen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Nachbesserungen beim Entwurf für ein Lieferkettengesetz notwendig
AK EUROPA Positionspapier: Richtlinie über unternehmerische Sorgfaltspflichten