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ZurückAm 11. November 2021 präsentierte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni die Herbstprognose. Nach der coronabedingten Rezession befinden sich die europäischen Volkswirtschaften derzeit auf einem Pfad wirtschaftlicher Erholung. Auch wenn die Prognosen positiv ausfallen, steht die wirtschaftliche Entwicklung der EU aufgrund der ungewissen Entwicklung der Corona-Pandemie, globaler Lieferengpässe und steigender Energiepreise auf einem wackeligen Fundament.
Die Corona-Pandemie hatte die europäischen Volkswirtschaften stark getroffen: Im Jahr 2020 ging die Wirtschaftsleistung der EU-27 um 5,9% zurück. Getragen durch Impffortschritte und der schrittweisen Aufhebung der gesundheitspolitischen Schutzmaßnahmen in der EU, begann sich die europäische Wirtschaft im Frühjahr 2021 wieder langsam zu erholen. Dieser Trend wurde nun auch in der Herbstprognose der Europäischen Kommission bestätigt.
Die Wachstumsprognose: Von der Erholung zur Expansion
„Die europäische Wirtschaft geht von der Erholungsphase in eine Expansionsphase über“, so Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Im dritten Quartal 2021 erreichte die europäische Wirtschaft das Vorkrisenniveau des Bruttoinlandsproduktes. Für das Jahr 2021 wird eine Wachstumsrate von 5% in der EU prognostiziert. Für die Jahre 2022 und 2023 werden Wachstumsraten von 4,3% beziehungsweise 2,5% erwartet. Die wirtschaftliche Dynamik dürfte in den nächsten Jahren nicht zuletzt durch Investitionen und Reformen für die sozial-ökologische und digitale Transformation im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität unterstützt werden, so Gentiloni. Der wirtschaftliche Aufschwung wird jedoch in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU sehr unterschiedlich ausfallen: Während für Irland im Jahr 2021 ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um enorme 14,6% prognostiziert wird, dürfte die deutsche Volkswirtschaft lediglich um 2,7% wachsen. Für Österreich ist 2021 laut Herbstprognose eine Wachstumsrate von 4,4% zu erwarten.
Erholung auch am Arbeitsmarkt
Die Corona-Pandemie hatte verheerende Folgen für den Arbeitsmarkt. Durch die Einführung von Kurzarbeitsmodellen sowie dem europäischen SURE-Instrument konnten der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit in einigen Branchen sehr gut abgefedert werden. Die wirtschaftliche Erholung ist nun auch am Arbeitsmarkt zu spüren: Im zweiten Quartal 2021 wurden innerhalb der EU etwa 1,5 Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Auch die Arbeitslosenquote ging deutlich zurück und wird 2021 einen durchschnittlichen Wert von 7,1% in der EU-27 erreichen. Laut Herbstprognose wird für die zwei folgenden Jahre ein weiterer Rückgang auf 6,7% im Jahr 2022 und auf 6,5% im Jahr 2023 erwartet. In Österreich soll die Arbeitslosigkeit von derzeitigen 5% bis 2023 auf 4,5% sinken. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Arbeitslosenquote im Rahmen der Herbstprognose gemäß der Eurostat-Methode berechnet wird, nicht nach der in Österreich üblichen Berechnung auf Basis der AMS-Registerdaten.
Steigende Energiepreise treiben vorübergehend Inflation
In der Eurozone stieg die Inflation gegenüber 2020 spürbar an und erreichte im dritten Quartal 2021 einen Wert von 2,8%. Im Oktober stieg die Teuerungsrate sogar auf 4,1% und lag damit deutlich über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von 2%. Die derzeitig hohe Inflation lässt sich primär durch steigende Energiepreise, vor allem bei Gas, erklären. Die Kommission rechnet jedoch damit, dass es sich hierbei lediglich um ein vorübergehendes Phänomen handelt und prognostiziert ein Absinken der Teuerungsrate auf 2,2% im Jahr 2022 und auf 1,4% im Jahr 2023. Für Österreich wird ein Absinken der Inflation bis 2023 auf 2% erwartet.
Positive Prognose steht auf wackeligem Fundament
Die Aussicht einer wirtschaftlichen Erholung in Europa steht jedoch im Angesicht diverser Risiken auf wackeligem Fundament. Ungewiss ist vor allem wie sich die Corona-Pandemie global als auch in Europa kurz- und mittelfristig entwickeln wird. Gerade aufgrund der sich derzeit verschlechternden epidemiologischen Lage können weitreichende gesundheitspolitische Maßnahmen in den Mitgliedstaaten nicht ausgeschlossen werden. Weitere ökonomische Risiken ergeben sich aus den anhaltenden Engpässen in globalen Lieferketten – z.B. im Bereich der Halbleiterproduktion – und den daraus resultierenden Schwierigkeiten für die verarbeitende Industrie. Während die EU-Kommission versucht dieser Problematik durch ein für 2022 geplantes Chipgesetz beizukommen, könnten solche angebotsseitigen Schwierigkeiten bis dahin auch entgegen dem prognostizierten Sinken der Inflation zu anhaltend hohen Teuerungsraten und steigenden Energiepreisen führen.
Weiterführende Informationen:
Europäische Kommission: Herbstprognose 2021
Europäische Kommission: European Economic Forecast Autumn 2021 (nur Englisch)
AK EUROPA: Hohe Energiepreise -Kommission präsentiert Maßnahmenkatalog
A&W Blog: Chip, Chip, Hurra? Lehren der aktuellen Chipkrise