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ZurückUm die mit stärkeren Schwankungen verbundene Stromproduktion durch erneuerbare Energien besser nutzen zu können, will die Europäische Kommission die Nachfrage mittels flexibler Stromtarife wirksamer danach ausrichten. Aus Sicht der Arbeiterkammer bergen diese Tarifmodelle die Gefahr einer „Zwei-Klassen-Energiegesellschaft“.
Mit den Änderungen hin zu einer grüneren Wirtschaft entwickeln sich vor allem auch im Energiebereich neue Geschäftsmodelle. Hinter zeitlich flexiblen Stromtarifen steckt das Ziel, KonsumentInnen dazu zu bringen, Strom außerhalb der Spitzenzeiten zu verbrauchen. Doch oft ist unklar, wie der Preis zustande kommt und wie die KonsumentInnen in Anbetracht ihrer Tagesabläufe darauf reagieren können. Der europäische Dachverband der KonsumentInnenschützerInnen (BEUC) hat daher genau zu diesem Thema zu einem Austausch geladen. Denn aufgrund der EU-weiten Verflechtungen am Energiemarkt und der länderübergreifenden Stromnetze ergeben sich auf europäischer Ebene einige Grundsatzfragen. Dementsprechend sind laut BEUC drei essentielle Punkte für KonsumentInnen bei flexiblen Stromtarifen von zentraler Bedeutung:
1. Zugang zu Strom als Grundrecht
Unabhängig davon, wie digital der Strommarkt wird, muss sichergestellt werden, dass alle Menschen Strom beziehen können und auch Zugang zu günstigen Tarifen haben. Insbesondere ältere Menschen sind keine „digital-natives“ und fühlen sich von aktuellen Entwicklungen überfordert. Dementsprechend muss auch für Menschen ohne intelligente Zählgeräte („smart meter“) der Zugang zu günstigen Tarifen gewährt werden. Ziel des Europäischen 3. Energiepaketes ist eine Netzabdeckung mit diesen „smart metern“ von 80% in den europäischen Haushalten mit 2020. Energiearmut ist bereits heute ein großes Problem in der EU und könnte durch steigende Kosten für Fixpreistarife noch weiter verstärkt werden.
2. Kontrolle durch die KonsumentInnen
Eine der größten Gefahren der flexiblen Stromtarife ist es, dass jene Menschen mit einem überdurchschnittlichen Energieverbrauch zu den Spitzenzeiten mehr zahlen müssen, weil sie beispielsweise aufgrund ihrer Arbeitszeiten nicht in der Lage sind, ihren Stromverbrauch in „günstigere“ Zeitfenster zu verschieben. In diesem Zusammenhang wird oft auf die Zeitvoreinstellungen der Geräte oder Zeitschaltuhren verwiesen, doch diese alleine werden das Problem nicht lösen und sind zudem nur durch neue „smarte“ Geräte möglich. Zusätzlich dazu müssen KonsumentInnen die Kontrolle ihres Stromverbrauchs behalten können und autonom von digitalen Systemen sein, wenn dies im Notfall notwendig sein sollte.
3. Datenschutz
Es ist oftmals sehr intransparent, wie mit den Daten der KonsumentInnen umgegangen wird und wie bzw. ob sie über ihre Rechte aufgeklärt werden. Dies verstärkt sich noch weiter mit einem intelligenten Zählgerät (smart meter), das bei flexiblen Stromtarifen eingesetzt werden muss, um den zeitgenauen Verbrauch erfassen zu können. Die vom smart meter erfassten Informationen müssen transparent und für die KonsumentInnen zugänglich sein. Außerdem muss auch sichergestellt sein, dass sie das Recht haben, dass Daten nicht geteilt werden, ohne dadurch Nachteile zu erfahren.
Vorsicht ist geboten
Insgesamt ist festzuhalten, dass sich der Stromverbrauch in der Praxis für die meisten Haushalte kaum so regulieren lässt, dass ein flexibler Tarif zu ihrem Vorteil reicht. Der Plan der Kommission in ihrem Energiepaket, KonsumentInnen stärker einzubinden, geht an der Lebensrealität der meisten Haushalte vorbei. Daher muss sichergestellt werden, dass Menschen mit zeitunabhängigen Tarifen im Vergleich zu jenen mit flexiblen Tarifen nicht schlechter gestellt werden. Die von der BEUC vorgelegte Studie zeigt, wie flexible Stromtarife funktionieren können und wo es Nachholbedarf gibt. Insbesondere die Kommunikation von Preisen ist oft zu komplex und die Technologie ist nicht nach den KonsumentInnen ausgerichtet. Vielmehr steht oftmals die Optimierung der Energiewirtschaft im Mittelpunkt – auch zu Lasten von KonsumentInnen. Die AK pocht daher darauf, dass sich dies ändern muss.
Außerdem darf aus Sicht der AK die finanzielle Last des grünen Wandels nicht auf die KonsumentInnen ausgelagert werden. Eine Reduktion des Energieverbrauchs funktioniert nur Hand in Hand mit einer effizienten Energiepolitik, wie etwa Sanierungen und Wärmedämmungen und die Reduzierung des Verbrauchs in anderen Sektoren. Denn der Stromverbrauch von KonsumentInnen ist nicht der einzige Faktor, der für die Erreichung des grünen Wandels betrachtet werden muss.
Weitere Informationen
AK Europa: „Energiearmut: Handeln auf europäischer Ebene notwendig"
AK Positionspapier: „Ein sauberer Planet für alle“
AK Positionspapier: „Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa 2030“
AK Europa: „Parlament beschließt wichtige Teile des Energiepakets“
BEUC Studie: „Fit for the Consumer? Do’s and Don’ts of flexible energy contracts"”