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ZurückBereits 2019 kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen „Neustart“ in der Migrations- und Asylpolitik der EU an. Am 23. September 2020 präsentierte die Kommission hierzu einen neuen Migrations- und Asylpakt. Dieser erfolge angesichts der humanitären Katastrophe im griechischen Lager Moria zwar eine Woche früher als geplant, jedoch mit Verschlechterungen für geflüchtete Menschen.
Abkehr vom bisherigen Dublin-System und schnellere Abschiebungen
Obwohl die Mehrheit der Migration in die EU aus anderen Gründen geschieht, fokussiert der Migrations- und Asylpakt überproportional stark auf Flucht. Das bisherige Dublin-System, welches die Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren regelt, bleibt in seiner ursprünglichen Form nicht erhalten. In Zukunft sollen bei der Antragsstellung neben eine Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfung im Rahmen eines EU-genormtes Verfahren an den Grenzen durchgeführt werden. Ankommende Menschen sollen dann innerhalb von fünf Tagen in ein jeweiliges Verfahren übergeleitet werden. Geflüchtete, die aus Ländern mit einer Anerkennungsquote in Asylverfahren von unter 20 % stammen und damit eine geringere Wahrscheinlichkeit haben, Asyl zu bekommen, sollen in Zukunft 12-wöchigen Schnellverfahren unterzogen werden. Besonders befremdlich ist hier die Pauschalierung auf Grund des Herkunftslandes. Zu befürchten ist, dass diese vorgeschlagene Vorgehensweise den Rechtsschutz von Geflüchteten gefährdet und einzig und allein dazu dient, Abschiebungen zu beschleunigen.
Keine Quote und sogenannte „Abschiebepartnerschaften“
Der neue Pakt sieht bedauerlicher Weise keine verpflichtenden Aufnahmequoten für die Verteilung von Asylsuchenden zwischen den Mitgliedstaaten vor. Stattdessen soll eine neue Arbeitsteilung zwischen den EU-Staaten etabliert werden: Die Aufnahme von Geflüchteten soll freiwillig erfolgen. Länder, die sich weigern, geflüchtete Menschen aufzunehmen, können ihren Beitrag in Zukunft in Form von materieller Unterstützung oder durch die Durchführung von Abschiebungen im Rahmen von sogenannten „Abschiebepartnerschaften“ leisten. Zusätzlich sollen Drittstaaten noch verstärkter Migration aus ihren Ländern verhindern und zur Umsetzung von Rückübernahmeabkommen und -vereinbarungen angehalten werden.
Zu den wenigen positiven Punkten zählt, dass sich im Pakt auch ein Bekenntnis zur Rettung von in Seenot geratenen Menschen wiederfindet. Es bleibt zu hoffen, dass diesem Bekenntnis auch tatsächliche Rettungsmaßnahmen folgen und dem Sterben im Mittelmeer nicht mehr länger tatenlos zugesehen wird. Zudem bleibt abzuwarten, ob die Visegrad-Staaten, die sich seit Jahren weigern, Geflüchtete aufzunehmen, dem Kommissionsvorschlag überhaupt zustimmen werden.
Kritik an fehlender Solidarität
Der Pakt stößt bereits auf viel Kritik. S&D Vize-Präsidentin für Migration Kati Piri (S&D) weißt in einer ersten Reaktion darauf hin, dass das Recht auf Asyl unbedingt sichergestellt werden muss und fordert eine faire Aufteilung der Geflüchteten zwischen den Mitgliedsstaaten durch ein permanentes humanitäres Aufnahmeprogramm. Der Europäische Gewerkschaftsbund lehnt außerdem den Fokus auf Abschiebungen und harte Grenzen ab und spricht sich für echte Solidarität mit Menschen auf der Flucht aus.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Inklusiver Arbeitsmarkt: Erneutes Bekenntnis zur europäischen Integrationspartnerschaft