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ZurückDie vergangenen Monate haben gezeigt, dass die EU-Vorschriften, die die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für Asylanträge regeln (das sogenannte Dublin-System) nicht dazu geeignet sind, eine nachhaltige EU-weite Lastenteilung und eine zeitnahe Bearbeitung von Asylanträgen zu gewährleisten. Die Kommission hat daher am 6. April 2016 einen Prozess zur Reform des Dublin-Systems angestoßen. Am 4. Mai 2016 wurden Vorschläge der Kommission präsentiert und am 11. Mai 2016 im Europäischen Parlament diskutiert.
Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Gemäß dem Vorschlag der Kommission soll auch zukünftig an dem Grundsatz festgehalten werden, dass AsylbewerberInnen ihren Asylantrag in dem Land stellen müssen, in dem sie erstmals EU-Boden betreten (sofern sie nicht über Familienangehörige in einem anderen EU-Land verfügen), es soll aber eine Lastenteilung unter den Mitgliedstaaten erfolgen. Mittels automatischem Korrekturmechanismus („Fairness-Mechanismus“) soll künftig festgestellt werden, wenn das AsylbewerberInnenaufkommen in einzelnen Ländern gemessen an der Bevölkerungsgröße und am relativen Wohlstand (BIP) unverhältnismäßige Ausmaße annimmt. Steigt das AsylbewerberInnenaufkommen auf das Anderthalbfache eines auf dieser Grundlage berechneten Schwellenwerts, sollen alle weiteren neuen Asylbewerber nach einer Prüfung des Asylantrages auf Zulässigkeit auf die übrigen EU-Mitgliedstaaten verteilt werden, bis das AsylbewerberInnenaufkommen wieder unter den betreffenden Schwellenwert sinkt. Ein Mitgliedstaat hat auch die Möglichkeit, vorübergehend nicht an dem Umverteilungsmechanismus teilzunehmen. In diesem Fall zahlt er einen Solidarbeitrag von € 250.000 EUR pro Person (in den Medien als „Strafzahlung“ oder „Freikaufen“ bezeichnet) an den Mitgliedstaat, der an seiner Stelle einen ihm nach dem Fairnessmechanismus zugedachten AsylbewerberInnen übernimmt.
Eine insgesamt positive Bewertung dieses Vorschlags erfolgte durch EVP und ALDE, S&D äußerte hingegen Zweifel, ob das Verteilungsschema in der Praxis funktionieren kann. Kritik wurde auch von GUE, EFDD und ENF geäußert, da das Dublin-System im Kern beibehalten werde. Der Vorschlag, dass Mitgliedstaaten sich von ihrer Pflicht, Asylsuchende aufzunehmen, befreien können, indem sie dem letztendlichen Aufnahmeland eine finanzielle Gegenleistung überweisen, wurde überwiegend abgelehnt. Einige Fraktionen führten bei ihrer Kritik an diesem Vorschlag hingegen das Recht der Mitgliedstaaten auf Selbstbestimmung an.
Weiterführende Informationen:
Presseaussendung des Europäischen Parlaments vom 11.5.2016
Verordnung zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) – nur auf Englisch vorhanden
Visafreiheit für die Türkei
Am 4. Mai 2016 hat die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgeschlagen, die Visafreiheit für türkische Staatsbürger bis Ende Juni 2016 umzusetzen, unter der Voraussetzung, dass die Türkei die noch fehlenden Zielvorgaben (benchmarks), die im Fahlrplan (roadmap) für die Visafreiheit festgelegt wurden, erfüllt. Das Europäische Parlament hat darüber am 11. Mai 2016 diskutiert. Die Türkei hat bis dato in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, Datenschutz, justizielle Zusammenarbeit mit den EU Mitgliedstaaten, verstärkte Kooperation mit EUROPOL und Revision der Terrorgesetzgebung noch nicht alle Zielvorgaben umgesetzt. Das europäische Parlament hat fraktionsübergreifend deutlich gemacht, dass die Erfüllung aller Zielvorgaben die Voraussetzung für die inhaltliche Behandlung des Vorschlags der Kommission sei. Es könne für die Türkei keine Ausnahme oder „Rabatte“ geben.
Hintergrund:
Die EU hat den Dialog mit der Türkei über die Visaliberalisierung bereits im Dezember 2013 eröffnet. Es wurde ein Fahrplan mit 72 Zielvorgaben erstellt, die die Türkei zur Erlangung der Visafreiheit erfüllen muss. Beim EU-Türkei-Gipfel am 29. November 2015, bei dem der „Gemeinsame Aktionsplan EU-Türkei“ im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise aktiviert wurde, begrüßte die EU die Zusage der Türkei, den Fahrplan zur Visaliberalisierung beschleunigt umzusetzen. Beim EU-Türkei-Gipfel am 18. März 2016 sagte die Türkei eine weitere Beschleunigung zu. In der gemeinsamen Erklärung nach dem Gipfel am 18. März 2016 verpflichteten sich die 28 EU-Staats- und Regierungschefs, die Visumpflicht für BürgerInnen der Türkei bis spätestens Ende Juni 2016 aufzuheben – vorausgesetzt, dass alle 72 Zielvorgaben des Fahrplans erfüllt wurden.
Während EVP und S&D das EU-Türkei Abkommen grundsätzlich unterstützen, äußerten alle anderen Fraktionen Kritik und sprachen von Erpressung durch die Türkei. Für ALDE, GUE/NGL und Grüne wäre die – grundsätzlich positive – Visaliberalisierung vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Menschenrechtslage ein falsches Signal zur Unterstützung Erdogans.
Weiterführende Informationen: