Nachrichten
ZurückUm den Grünen Deal und das darin verankerte Ziel der Klimaneutralität der EU bis 2050 zu erreichen, muss vor allem auch das europäische Energiesystem einen großen Beitrag dazu leisten. Hierzu hat die Europäische Kommission am 8. Juli 2020 zwei Strategien vorgelegt, die den Weg vorgeben, wie das Energiesystem in den nächsten Jahren effizienter gestaltet werden soll.
Beim Grünen Deal handelt es sich um einen der zentralen Schwerpunkte der neuen EU-Kommission mit dem Ziel, bis 2050 keine Nettotreibhausemissionen mehr auszustoßen. Um dies zu erreichen, hat die Kommission im Dezember 2019 nicht weniger als 47 Folgemaßnahmen ankündigt. Zwei dieser Maßnahmen sind die Strategie zur Integration des Energiesystems sowie die Wasserstoffstrategie, die die Kommission kurz vor der Sommerpause 2020 vorgelegt hat.
Mit der EU-Strategie zur Integration des Energiesystems versucht die Kommission, alle Sektoren besser zu verbinden und damit die Energieversorgung in Europa ganzheitlich zu betrachten. Damit soll erreicht werden, dass Synergien zwischen unterschiedlichen Energieträgern, Infrastrukturen und Verbrauchssektoren besser genutzt werden können und damit die Energieeffizienz deutlich erhöht wird. Denn bislang gehen allein 29 % des industriellen Energiebedarfs als Abwärme verloren. Diese Energie könnte beispielsweise durch Fernwärmesysteme anderen Gebäuden für die Raumwärme zur Verfügung gestellt werden und damit fossile Energieträger ersetzen. Gleichzeitig würde dadurch Europas Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten gesenkt werden. Hierzu will die Kommission unter anderem Leitlinien ausarbeiten, wie der Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ bei nationalen und europäischen Rechtsvorschriften Anwendung finden soll.
Ein zweites Ziel der Strategie ist der Ausbau der Elektrifizierung, da Strom aus erneuerbaren Energiequellen eine maßgebliche Rolle im Energiesystem der Zukunft spielen wird. Vor allem die Offshore-Winderzeugung hat nach Berechnungen der Kommission ein großes Potential, das es stärker zu nutzen gilt. Aber auch im Gebäudesektor kann zB durch den Einbau von Wärmepumpen der Anteil erneuerbarer Energien erhöht werden. Für die Privathaushalte strebt die Kommission die Erhöhung des Stromanteils zur Deckung des Heizbedarfs auf 50 bis 70 % bis 2050 an. Hinzu kommt die Bedeutung der Elektromobilität im Verkehrsbereich, denn Elektrofahrzeuge sollen verstärkt als Stromspeicher für Überschüsse aus der Stromproduktion von erneuerbaren Energiequellen dienen. Außerdem hat die Kommission als Ziel ausgegeben, bis 2025 eine Million Ladepunkte für E-Autos in der EU zu errichten. Eine Konsultation zur Änderung der Energieeffizienzrichtlinie sowie der Richtlinie für Erneuerbare Energien hat die Kommission bereits gestartet.
Ein dritter Schwerpunkt der Strategie zur Integration des Energiesystems liegt auf der Förderung von CO2-armen Brennstoffen, wie beispielsweise nachhaltiges Biogas, Biomethan, Biokraftstoffe oder CO2-armem Wasserstoff. Diese sollen in energieintensiven Bereichen einen zentralen Baustein bilden, wie beispielsweise bei industriellen Prozessen, aber auch im Luft- oder Seeverkehr, bei denen es kaum Alternativen zur Dekarbonisierung gibt. Die separate Wasserstoffstrategie umreißt den Rahmen für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Europa, wobei sie den Fokus auf erneuerbaren Wasserstoff legt. Angesichts der begrenzten Ressourcen an erneuerbarem Strom ist dieser Ansatz zu begrüßen.
Zwar hält die Kommission fest, die VerbraucherInnen in den Mittelpunkt ihrer Energiepolitik stellen zu wollen. Allerdings beschränken sich die konkreten Ankündigungen in erster Linie auf leichter zugängliche Informationen sowie eine neue Informationskampagne. Zwar erkennt sie Handlungsbedarf bei den KonsumentInnenrechten für den Gas- und Fernwärmebereich, als Schlüsselmaßnahme wird jedoch lediglich für 2021 die Stärkung der Rechte für GaskundInnen im Rahmen eines neuen Rechtsrahmens für den Gassektor angekündigt. Für den Nah- und Fernwärmebereich fehlen konkrete Maßnahmen, obwohl genau in diesem Bereich die Rechte der KonsumentInnen deutlich schlechter sind als im Strom- und Gasbereich, wie Untersuchungen der Arbeiterkammer ergeben haben.
Des Weiteren ist aus Sicht der AK von zentraler Bedeutung, dass bei klima- und energiepolitischen Maßnahmen die verteilungspolitischen Auswirkungen stärker zu untersuchen und zu berücksichtigen sind. Denn die Beachtung sozialer Aspekte und eine gerechte Verteilung der Kosten und des Nutzens der Maßnahmen sind entscheidend, um die Klimakrise zu bewältigen. Die Energiewende kann nur dann gelingen, wenn die Entstehung einer Zwei-Klassen-Energiegesellschaft verhindert wird: Es darf nicht sein, dass nur die finanziell und technisch gut ausgestatteten Haushalte von der Energiewende profitieren und alle anderen Haushalte die Kosten tragen müssen. Vielmehr braucht es konkrete Maßnahmen gegen Energiearmut sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Dazu zählen die bessere Zugänglichkeit von Förderungen für thermische Sanierungen oder der Austausch von Heizungen für energiearme Haushalte, verbindliche Grundversorgungsmodelle sowie allgemeine Schutzbestimmungen für KonsumentInnen im Energiebereich.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Policy Brief: District Heating and Cooling
AK EUROPA Positionspapier: Mitteilung zum Europäischen Grünen Deal
AK EUROPA: Energiearmut – Handeln auf Europäischer Ebene notwendig
AK EUROPA: Flexible Stromtarife – Fluch oder Segen für KonsumentInnen?