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ZurückVon 24. bis 30. Oktober 2022 wurde die dritte Europäische Woche der Geschlechtergleichstellung im Europäischen Parlament veranstaltet. Wie auch in den letzten beiden Jahren rückten die verschiedenen Ausschüsse in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich besonders das Thema Gleichberechtigung in den Fokus.
Ein Blick auf den vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) jährlich veröffentlichten Gender Equality Index zeigt, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten auch dieses Jahr den eigenen Ansprüchen nach einer umfassenden Gleichstellung nicht gerecht werden. So wurde im EU-Durchschnitt ein Wert von 68,6 Punkten erreicht, wobei 100 Punkte die völlige Gleichstellung von Frauen und Männern bedeuten würden. Zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zeigen sich dabei deutliche Unterschiede: Während Österreich mit 68,8 Punkten fast exakt im EU-Durchschnitt liegt, gibt es mit einem Wert von 83,9 für Spitzenreiter Schweden und 53,4 Punkten für Schlusslicht Griechenland deutliche Unterschiede.
Besonders großer Nachholbedarf im Hinblick auf Gleichstellung herrscht bei den Positionen von Entscheidungsträger:innen in der Wirtschaft und Politik. So sind Frauen unter anderem in politischen Ämtern und Vorstands- sowie Aufsichtsratsgremien von privaten und öffentlichen Unternehmen nach wie vor verhältnismäßig stark unterrepräsentiert. Vor diesem Hintergrund ist auf die Anfang Juni 2022 erzielte Einigung zur Richtlinie über Frauen in Aufsichtsräten hinzuweisen, welche eine verpflichtende Frauenquote von mindestens 40 % in Aufsichtsräten oder alternativ einen Frauenanteil von 33 % im Durchschnitt für Vorstand und Aufsichtsrat vorsieht. Damit ist zumindest in diesem Bereich ein erster Schritt in Richtung Gleichstellung getan.
Gleichstellungsschwerpunkt in den Ausschüssen des EU-Parlaments
Welchen hohen Stellenwert die Gleichstellungswoche im Europäischen Parlament hat, wird anhand der Tagesordnungen der einzelnen Ausschüsse sichtbar. So beschäftigten sich die für die unterschiedlichsten Bereiche zuständigen Ausschüsse allesamt mit Gleichstellungsthemen. Im Handelsausschuss (INTA) wurde etwa eine Sitzung abgehalten, in der Möglichkeiten erörtert wurden, wie Handelsbeziehungen einen Beitrag zur internationalen Bekämpfung der Ungleichheit von Frauen und Männern leisten können. Der Industrie- und Energieausschuss (ITRE) diskutierte über Geschlechterungleichheiten im Energiesektor, was nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Energiekrise und dem Ziel einer europäischen Autonomie in diesem Bereich von großer Bedeutung für die Zukunft ist.
Nachholbedarf bei Gleichstellung im Pflegebereich besonders gravierend
Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) und der Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) hielten eine besondere Sitzung ab, um zusammen mit Vertreter:innen von EIGE gleichstellungsrelevante Aspekte im Zusammenhang mit der Anfang September vorgestellten Europäischen Pflegestrategie zu erörtern.
Der Pflegesektor und die frühkindliche Betreuung sind jene Bereiche, in denen die herrschende Ungleichheit in einem besonders gravierenden Ausmaß sichtbar wird. Dies belegt eine zwischen Juni und Juli 2021 durchgeführte Umfrage mit insgesamt 42.300 Befragten, anhand welcher die Auswirkungen der Pandemie auf informelle Pflegeleistungen untersucht wurden. Dabei wurde festgestellt, dass Frauen weitaus häufiger Pflegeaufgaben zu erfüllen hatten als Männer, sich wiederum unmittelbar auf die Situation auf dem Arbeitsmarkt auswirkt. So gab etwa jede dritte nicht erwerbstätige Frau an, dass informelle Pflege der Hauptgrund für ihre Erwerbslosigkeit ist. Auch bei einem Viertel der Frauen, die lediglich einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, ist die Bereitstellung von Pflegeleistungen der wesentliche Grund für den Verzicht auf eine Vollzeittätigkeit. Ganz generell ist festzuhalten, dass 6 von 10 erwerbstätigen Frauen angeben, durch Pflegeaufgaben in ihrer Erwerbstätigkeit zumindest einmal eingeschränkt worden zu sein. In vielen Fällen handelt es sich um Weiterbildungsmöglichkeiten, welche die Frauen dann nicht wahrnehmen können.
Es zeigt sich demnach ein gravierender Nachholbedarf im Pflegebereich, um Frauen gezielt und verstärkt zu unterstützen. Aus diesem Grund ist aus Sicht der AK eine geschlechtersensible und nachhaltige europäische Pflegestrategie unerlässlich, um dem Gleichstellungsziel der EU näher zu kommen. Diesbezüglich findet am 17. November auch eine von AK EUROPA organisierte Veranstaltung in Brüssel statt. Dabei diskutieren die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Evelyn Regner, AK-Präsidentin Renate Anderl, Volksanwalt Bernhard Achitz und wichtige europäische Stakeholder, wie eine solche europäische Pflegestrategie auszusehen hat.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Großer Nachholbedarf bei Geschlechtergleichstellung in der EU
Europäisches Parlament: Parliament to hold its third European Gender Equality Week (Nur in Englisch)
Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen: Gender Equality Index 2022 (Nur in Englisch)