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ZurückDie Kohäsionspolitik ist nicht nur für wirtschaftlich benachteiligte Regionen wichtig, sondern auch für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der gesamten EU. In ihrem 9. Kohäsionsbericht zieht die EU-Kommission Bilanz und verweist auf Erfolge. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss betont, dass die künftige Finanzierung der Kohäsionspolitik sichergestellt werden muss.
Die Kohäsionspolitik, auch bezeichnet als Regionalpolitik, ist ein langjähriger und wesentlicher Bestandteil der EU-Politik. Damit soll den wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen entgegengewirkt werden. Letztendlich sollen aber alle EU-Staaten von einer Angleichung des Wohlstandsniveaus in den wirtschaftlich schwächeren Mitgliedstaaten nach oben profitieren, indem die volkswirtschaftliche Nachfrage und wirtschaftliche Entwicklung sowie die Stabilität der EU insgesamt gefördert werden. In ihrem 9. Kohäsionsbericht betont die EU-Kommission, dass die Kohäsionspolitik erheblich zur Steigerung des Pro-Kopf-BIP und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beigetragen habe.
Kohäsionspolitik und der mehrjährige Finanzrahmen
Der mehrjährige Finanzrahmen (MFR) ist der langfristige Haushaltsplan der EU. Der MFR 2021 – 2027 beläuft sich auf 1,074 Billionen Euro, die durch Next Generation EU (NGEU) um 750 Milliarden Euro (zu Preisen von 2018) aufgestockt werden. Im Rahmen der Kohäsionspolitik werden der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), der Kohäsionsfonds, der Europäischen Sozialfonds (ESF+) sowie REACT-EU (ein Programm im Rahmen von NGEU) zusammengefasst. Insgesamt macht sie 30,7 % des aktuellen MFR (ohne NGEU) aus und ist mit über 350 Milliarden Euro einer der größten EU-Ausgabenblöcke. Kohäsionspolitik bezieht sich auf die Förderung von Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die meisten Ausgaben fließen in die Bereiche Bildung, Infrastruktur, Forschung und in KMUs. Im Laufe der Jahre hat sich die Kohäsionspolitik zunehmend von einer Unterstützungspolitik für die wirtschaftlich schwächsten Regionen und Staaten zu einem bedeutsamen wirtschaftspolitischen Instrument entwickelt.
Hauptaussagen des 9. Berichts zu wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Kohäsion
20 Jahre nach der EU-Osterweiterung 2004 ist das BIP pro Kopf in den „neuen“ Mitgliedsstaaten von 52 % auf über 80 % (2023) des EU-Durchschnitts gestiegen, so der Bericht. Die Arbeitslosigkeit wurde von 13 auf 4 % gesenkt. Die Aufwärtskonvergenz sei durch Produktivitätssteigerungen gefördert worden, die auch sozialen Fortschritt ermöglichten, wie z. B. bessere Gesundheitsergebnisse und eine Verringerung der Armutsquote. Dabei haben sich die osteuropäischen Regionen schneller entwickelt als die südeuropäischen Regionen. Letztere sind vor allem seit der Finanzkrise 2008 weiter ins Hintertreffen geraten.
Aber auch quer durch die EU gibt es viele Regionen, darunter auch in den wirtschaftlich stärkeren Mitgliedstaaten, die zurückfallen. Vor allem ländliche Gebiete sind betroffen. In einem Drittel der EU-Regionen wurde das BIP pro Kopf von 2008 noch nicht wieder erreicht. Ursachen der Divergenz seien die zahlreichen Krisen, sei es die Finanzkrise, die Pandemie, die Inflationskrise oder die Klimakrise. Die Peripherie und weniger entwickelte Regionen sind in der Regel anfälliger für derartige Schocks. Weitere Faktoren sind Institutionen (z. B. Rechtsstaatlichkeit oder Verwaltungskapazität), Bildungsunterschiede, Brain-Drain sowie die demografische Entwicklung.
Dem Bericht zufolge hat die Kohäsionspolitik signifikante und positive Auswirkungen auf die EU insgesamt. Aus makroökonomischen Modellrechnungen zieht man den Schluss, dass die Programme 2014 bis 2020 und 2021 bis 2027 gemeinsam das BIP der EU bis Ende 2030 um 0,9 % steigern könnten. Der Wachstumsimpuls wirkt nachhaltig und kann in den Ländern, die einen Großteil der Kohäsionsmittel erhalten, Steigerungen von bis zu 8 % bis 2030 (im Falle Kroatiens) bewirken. Bis 2027 sollen mithilfe der Kohäsionspolitik rund 1,3 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze in der EU geschaffen werden, vor allem in Sektoren, die für den grünen und digitalen Wandel benötigt werden.
EWSA plädiert für umfassende Kohäsionspolitik
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) würdigt den 9. Kohäsionsbericht als umfassenden und zweckdienlichen Ausgangspunkt für die Beurteilung der Kohäsionspolitik. Der EWSA empfiehlt insbesondere eine Stärkung der verarbeitenden Industrie. Er weist darauf hin, dass die positive Korrelation zwischen dem Produktivitätswachstum und dem Anstieg des Pro-Kopf-BIP die einzige Gemeinsamkeit des Wachstums in allen Regionen ist. Der Ausschuss unterstreicht die Bedeutung produktiver Investitionen für die Erlangung von Wettbewerbsfähigkeit, welche wiederum den wirtschaftlichen Zusammenhalt stärke. Dabei sei es wichtig, dass die Kohäsionspolitik anhand territorialer und sozialer Erfolge gemessen wird. Der EWSA unterstreicht außerdem die Bedeutung eines funktionierenden und integrativen Arbeitsmarktes. Aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sollten insbesondere jene Gruppen erreichen, die Gefahr laufen, zurückgelassen zu werden, und die Eingliederung von Menschen außerhalb des Arbeitsmarktes fördern. Der EWSA betont jedoch auch, dass nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Regionen bzw. Gesellschaften weiterhin große Ungleichheiten bestehen. Dies bezieht sich auf die Verteilung von Einkommen und Vermögen, Arbeitsplätzen und Bildung.
Da die Verwaltung eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Programme spielt, sollten strategische Investitionen in die lokale und regionale Verwaltung gefördert werden. Sozialpartner und Organisationen der Zivilgesellschaft müssen in die Diskussionen über die Zukunft der Kohäsionspolitik einbezogen werden. Der MFR sollte insgesamt ehrgeiziger sein und eine angemessene Finanzierung der Kohäsionspolitik sicherstellen. In diesem Zusammenhang fordert die AK eine Aufstockung der Finanzmittel für den Europäischen Sozialfonds (ESF+). Insgesamt ist der EWSA der Auffassung, dass die Förderung der Angleichung des Wohlstandsniveaus in den EU-Mitgliedstaaten nicht allein Aufgabe der Kohäsionspolitik ist, sondern ein gemeinsames Ziel sämtlicher Politikbereiche sein sollte.
Weitere Informationen:
Europäische Kommission: Neunter Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt
European Parliament: Cohesion, resilience and values: Heading 2 of the 2021-2027 MFF (Nur Englisch)
EESC: Ninth report on economic, social and territorial cohesion (Nur Englisch)
AK EUROPA: EU-Förderungen an soziale Kriterien knüpfen. Welche Möglichkeiten gibt es?
AK EUROPA: Europa ist auf unvermeidbare Klimakatastrophen nicht genügend vorbereitet
Verbindungsbüro Land Kärnten: Ein Wegweiser für die Zukunft EU-Kommission veröffentlicht den 9. Kohäsionsbericht
AK EUROPA: Halbzeitrevision des Mehrjährigen EU-Finanzrahmens 2021-2027