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ZurückWie können von der EU (mit-)finanzierte Investitionen an soziale Bedingungen geknüpft werden? Welche Auswirkungen haben politische Maßnahmen auf die Einkommensverteilung? Wie können diese gemessen werden? Diese Fragen wurden im Zuge einer Veranstaltung, die unter anderem von der belgischen Ratspräsidentschaft organisiert wurde, diskutiert. In drei Sessions wurden interessante Ansätze dazu vorgestellt, wie etwa das Do-No-Significant-Harm-Prinzip.
Wenn die öffentliche Hand Aufträge vergibt, Investitionen tätigt oder politische Maßnahmen ergreift, hat dies stets auch sozial- und verteilungspolitische Konsequenzen. Dies trifft auch auf EU-Programme zu, egal ob sie zum Beispiel im Bereich der Kohäsionspolitik, der Landwirtschaft oder eben der Investitionsförderung liegen. Möchte man diese Konsequenzen genau bestimmen und in Folge dann auch die Vergabe von EU-Fördermitteln an die Erfüllung sozialer Kriterien knüpfen, ergeben sich inhaltliche, interessenspolitische und auch technische Fragen. Es ist an der Zeit, dazu Methoden auszuloten und Lösungen zu diskutieren.
Debatte über soziale Konditionalität
In diesem Sinn wurde von der belgischen Ratspräsidentschaft eine Veranstaltung unter dem etwas sperrigen Titel „Freisetzung der sozialen Konditionalität: Ausdehnung eines sozialen „Do No Significant Harm (DNSH)“-Grundsatzes auf von der EU (mit-)finanzierte Investitionen (Unlocking social conditionality: Extending a social "Do No Significant Harm" principle in investments (co-)funded by the EU)“ organisiert. Zum Beispiel könnte demnach eine Investitionsförderung an die Erfüllung des Sozial- und Arbeitsrechts durch das Unternehmen und an Kollektivvertragsverhandlungen sowie deren Einhaltung gebunden sein. Die Veranstaltung gliederte sich in drei Panels. Im Folgenden werden einige der angesprochenen Punkte kurz dargestellt, um einen Überblick über diese spannende Debatte zu vermitteln.
Welche Verteilungswirkungen gehen mit der Vergabe öffentlicher Gelder einher?
In diesem Panel waren Alex Van Steenbergen, Federaal Planbureau, Romina Boarini, Direktorin des OECD WISE Centers, und Maxime Cerutti, Business Europe, vertreten. Es wurde eine Methode zur wissenschaftlichen Bewertung der Verteilungswirkungen (Distributional Impact Assessment, DIA) politischer Maßnahmen auf Einkommen vorgestellt. Diese solle zu mehr Transparenz beitragen und den Regierungen helfen, die Effizienz öffentlicher Ausgaben angesichts eines geringer werdenden fiskalischen Spielraums zu erhöhen. Zu den Herausforderungen zählen die unterschiedlichen Zugänge der Mitgliedsstaaten, sodass ein verbesserter Datenaustausch und eine engere Kooperation erforderlich wären. Die Sozialpartner sollen in die Gestaltung des DIA eingebunden werden.
Social Mainstreaming im EU-Budget: Soziale Taxonomie und weitere Methoden
Antje Schneeweiß, Plattform für nachhaltiges Finanzwesen, Charlotte Hill, Europäische Investitionsbank, David Vidanes, Generaldirektion Budget der EU-Kommission, und Ian Begg, Professor an der LSE, waren in diesem Panel vertreten. Diskutiert wurde über die Gestaltung einer Sozialen Taxonomie nach dem Muster der bestehenden Umwelttaxonomie. Das in der Umwelttaxonomie angewandte DNSH-Modell könnte auch im sozialen Bereich als Richtschnur dienen. Es besagt, dass ökologische Nachhaltigkeit im Sinne der Taxonomie nur dann gegeben sei, wenn keines der sechs in ihr enthaltenen Umweltziele, unter anderem Klimaschutz und Biodiversität, erheblich beeinträchtigt ist. Es wurde auch das von der Europäischen Investitionsbank (EIB) eingerichtete Impact Framework vorgestellt, welches sich den Auswirkungen der EIB Projekte auf die Nachhaltigen Entwicklungsziele der UN (SGDs) widmet. Im Zuge des kommenden Mehrjährigen Finanzrahmens der EU sollen sozialpolitische Indikatoren entwickelt werden, anhand derer die Förderungen geprüft werden können. Insgesamt sind Qualitätssicherung und Kontrollen besonders wichtig, da die Gefahr von Social-Washing besteht.
Chancen und Herausforderungen des DNSH-Grundsatzes
Schließlich diskutierten Romina Boarini, Thierry Philipponnat, Finance Watch, Ludovic Voet, Europäischer Gewerkschaftsbund, Paul Tang, Abgeordneter zum Europäischen Parlament, und Francesco Corti, Berater des belgischen Vize-Premiers über (soziale) Investitionen in Verbindung mit dem DNSH-Prinzip. Eine Sozialtaxonomie bzw. ein im Sozialbereich angewandtes DNSH-Prinzip würde dazu beitragen, Investitionen in eine soziale, langfristig nachhaltige und letztlich auch wirtschaftlich sinnvolle Richtung zu lenken. Allerdings ist dazu zuallererst ein sozialer Regulierungsrahmen notwendig. Unternehmen, die Steuervermeidung, Ausbeutung oder gewerkschaftsfeindliches Verhalten praktizieren, könnten von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Schließlich wurde die hohe Bedeutung der Messbarkeit von sozialen Zielen betont. Es müsse über potenzielle Konditionalitäten für EU-Gelder und soziale Klauseln in öffentlichen Aufträgen stärker diskutiert werden.
Weiterführende Informationen:
Europäische Kommission: Bewertung der Verteilungswirkung
BMK: EU-Taxonomie Verordnung
Europäische Kommission: Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte
Belgische Ratspräsidentschaft: Europäische Säule sozialer Rechte, die Erklärung von La Hulpe
AK EUROPA: Policy Brief, Comprehensive social investment – The key to a feminist and progressive Europe! (Nur Englisch)
AK EUROPA: Social Taxonomy – Challenges and Opportunities (Nur Englisch)