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ZurückDie erste europäische Klimarisikobewertung der Europäischen Umweltagentur zeigt, dass Überschwemmungen, Hitze und Dürre etwa die Versorgung mit Nahrungsmitteln oder die Gesundheit der Menschen in Europa, nicht zuletzt der Arbeitnehmer:innen, grundlegend gefährden. Die Anpassung an den menschengemachten Klimawandel muss jetzt beginnen, um Klimaresilienz zu fördern und eine soziale und ökologische Transformation zu ermöglichen.
In der europäischen Debatte steht seit langem vor allem eine Seite der Klimapolitik im Zentrum, nämlich die Reduktion von Treibhausgasen. So veröffentlichte die EU-Kommission zuletzt das Klimaziel 2040, das eine Senkung der Emissionen um 90 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 vorsieht, um die EU auf den Weg zu Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu bringen.
Die erste europäische Klimarisikobewertung der Europäischen Umweltagentur (European Environment Agency, EEA) richtet den Blick auf die andere Seite der Klimapolitik, die Anpassung an den Klimawandel. Selbst bei optimistischen Emissionsreduktionsszenarien wird Europa zunehmend Klimakatastrophen ausgesetzt sein. Die Reduktion von Treibhausgasen bleibt zwar der wichtigste Hebel, um die verheerenden Folgen des Klimawandels zu minimieren. Maßnahmen zur Anpassung sind dennoch unumgänglich. Auch in Österreich wurde soeben die überarbeitete Strategie zur Anpassung an den Klimawandel der Öffentlichkeit präsentiert.
Klimarisiken stellen eine systemische Bedrohung dar
Der EEA-Bericht beginnt mit der beunruhigenden Nachricht, dass die globale Durchschnittstemperatur von Februar 2023 bis Jänner 2024 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau lag. Die untere Grenze des Pariser Klimaabkommens wurde damit bereits überschritten, während die Welt auf eine Erwärmung von 3°C bis zum Ende des Jahrhunderts zusteuert. Europa hat sich seit den 1980er Jahren doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt und ist der Kontinent, auf dem die Erwärmung am schnellsten voranschreitet, so der Bericht.
Die EEA evaluierte insgesamt 36 verschiedene Klimarisiken wie Hitzebelastung oder Bedrohungen durch Waldbrände und kommt zum Ergebnis, dass bei der überwiegenden Zahl dringender Handlungsbedarf besteht. Die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen bestehende Krisen und schaffen systemische Herausforderungen in vielen grundlegenden Bereichen wie Ökosystemen, Nahrung, Gesundheit, Infrastruktur und Wirtschaft. Soziale Ungleichheit führt etwa dazu, dass wirtschaftlich schlechter gestellte Menschen den Klimarisiken durch Hitzewellen oder Überschwemmungen stärker ausgesetzt sind. Die Folgen sind aber nicht nur sozial, sondern auch geografisch ungleich verteilt. Regional sind vor allem Südeuropa, tiefliegende Küstengebiete und abgelegene EU-Regionen besonders verletzlich. In wirtschaftlicher Hinsicht ist auch der Alpenraum betroffen, der vielfach stark von Sektoren wie Tourismus oder Forstwirtschaft abhängig ist.
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die aktuell umgesetzten Anpassungsmaßnahmen bei weitem nicht ausreichen. Wird nicht sofort gehandelt, könnten hunderttausende Menschen durch Hitzewellen sterben. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten allein aufgrund von Überschwemmungen an den Küsten Europas Schäden von über einer Billion Euro pro Jahr entstehen.
Eine Mitteilung für die Zukunft
Angesichts der sich zu Ende neigenden EU-Legislaturperiode kommen die Forderungen des EEA-Berichts zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die EU-Kommission hat zwar bereits 2021 eine Strategie zur Anpassung vorgelegt, der neue Bericht hat den Handlungsdruck aber noch einmal erhöht. Da die dringend notwendigen Maßnahmen aber erst nach den EU-Wahlen auf den Weg gebracht werden können, hat die EU-Kommission vorerst mit einer Mitteilung über die Bewältigung von Klimarisiken in Europa zum Schutz der Menschen und des Wohlstands die grundlegende Richtung für die verbleibende und kommende Legislaturperiode präsentiert.
Erstens fordert sie die Mitgliedstaaten dazu auf, eine stärkere Zusammenarbeit zwischen nationalen, regionalen und lokalen Behörden zu garantieren. Um die Handlungsfähigkeit zu stärken, sollen in einem ersten Schritt die sogenannten „Risikoträger:innen“ bestimmt werden, also jene Akteur:innen, die für einen angemessenen Umgang mit dem jeweiligen Risiko zuständig sind. In den nationalen Energie- und Klimaplänen soll die Implementierung von Anpassungsmaßnahmen vorangetrieben werden.
Zweitens sollen bessere Instrumente und Daten die Verknüpfungen zwischen Investitionen und Klimarisiken besser verständlich machen und dafür sorgen, dass Risikoträger:innen ihre Aufgaben besser erfüllen können. Zu diesem Zweck wird die EU-Kommission auch die Nutzung von Monitoring-, Vorhersage- und Warnsysteme fördern, etwa des Warnsystems des Satellitendienstes Galileo, das 2025 verfügbar sein soll.
Drittens sollen die Instandhaltung kritischer Infrastruktur, eine bessere Raumplanung und die Zusammenführung von EU-Solidaritätsmechanismen zur Anpassung beitragen. Zu diesen zählen das Katastrophenschutzverfahren der Union, der Solidaritätsfonds und die Strukturinvestitionen im Rahmen der Kohäsionspolitik.
Schließlich will die EU-Kommission die Voraussetzungen für Investitionen in die Klimaanpassung schaffen, indem Überlegungen zur Anpassung an den Klimawandel in die EU-Förderprogramme einbezogen werden. Weiters unterstützt die EU-Kommission eine durchgängige Berücksichtigung von Klimarisiken in den nationalen Haushaltplänen. Die Mitgliedstaaten sollen auch bei Ausschreibungen im öffentlichen Beschaffungswesen Klimarisiken als Teil von Umweltkriterien stärker berücksichtigen. Vor dem Hintergrund drohender Kürzungen im Umwelt- und Sozialbereich aufgrund der vielfach kritisierten neuen wirtschaftspolitischen Steuerung stellt dieses Bekenntnis allerdings eine enorme Herausforderung dar.
Anpassungen an den Klimawandel in der Arbeitswelt
Sowohl der EEA-Bericht als auch der EGB-Leitfaden zur Klimaanpassung zeigen, dass die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer:innen unmittelbar durch die Konsequenzen des Klimawandels bedroht sind, nicht zuletzt im Bereich der Berufsfeuerwehren.
Ein erfolgreiches Beispiel zum Schutz von Arbeitnehmer:innen ist die „Hitze.App“ der AK, mit der Bauarbeiter:innen in Echtzeit ein Warnsignal auf ihr Mobiltelefon erhalten, sobald auf der Baustelle 32,5°C im Schatten gemessen werden und der/die Arbeitgeber:in ihnen daher Hitzefrei geben sollte. Hitzefrei sollte aber darüber hinaus zu einem Rechtsanspruch der Arbeitnehmer:innen werden und zukünftig bereits ab 30°C gelten, wie die AK Wien in ihrem Bündnis „Menschen und Klima schützen statt Profite“ gemeinsam mit System Change not Climate Change, Fridays for Future Austria und der Gewerkschaft Bau-Holz fordert.
Aus Sicht der AK muss sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer:innen und ihre Vertretungen umfassend in die Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen eingebunden werden.
Weiterführende Informationen:
EGB: Anpassung an den Klimawandel und die Arbeitswelt
AK EUROPA: Klimaziel 2040
AK Wien: Klimagerechtigkeit im öffentlichen Raum (Studie)
EEA-Bericht: erste europäische Klimarisikobewertung
EU-Kommission: Mitteilung über die Bewältigung von Klimarisiken in Europa
BMK: Bundesregierung beschließt österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel