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ZurückDie Treibhausgasemissionen in der EU sollen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen: Mit dieser neuen Empfehlung gibt die EU-Kommission die Richtung für die nächste Legislaturperiode vor. Gleichzeitig mit der Mitteilung zum Klimaziel 2040 wurde eine Mitteilung zum industriellen Kohlenstoffmanagement vorgelegt, das einen wesentlichen Beitrag zur Emissionsreduktion leisten soll.
Klimakommissar Wopke Hoekstra hat den neuen Vorschlag der EU-Kommission wie geplant am 6. Februar 2024 vorgestellt, nachdem eine derartige Empfehlung bereits im Oktober angekündigt worden war. Nach dem Europäischen Klimagesetz ist die EU-Kommission verpflichtet, sechs Monate nach der ersten globalen Bestandsaufnahme, die im vergangenen Dezember im Rahmen der COP28 in Dubai stattfand, ein neues Klimaziel vorzuschlagen.
Die Grundlage der Zielempfehlung bildet eine detaillierte Folgeabschätzung über Möglichkeiten zur Erreichung der Klimaneutralität der EU bis 2050. Zwar steht das 90 Prozent-Reduktionsziel im Einklang mit den Empfehlungen des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel (ESABCC) und den Verpflichtungen, die durch das Pariser Klimaabkommen bestehen, jedoch bewegt es sich an der Untergrenze der empfohlenen Reduktion um 90 bis 95 Prozent.
Krisenresilienz, Wettbewerbsfähigkeit und ein gerechter Übergang
Die Kosten der Klimakrise und ihrer sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen steigen stetig. Die Zielempfehlung soll laut EU-Kommission die Richtung vorgeben, um in Europa bis 2050 resilient gegen Krisen zu sein, die Unabhängigkeit der EU zu stärken, die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und sich zugleich als globaler klimapolitischer Vorreiter zu positionieren. An vorderster Stelle der vorgeschlagenen Maßnahmen steht die erfolgreiche Umsetzung der bestehenden Gesetze und notwendigen Investitionen, um bis 2030 die Emissionen um 55 Prozent zu reduzieren und den Weg zur Klimaneutralität vorzubereiten.
Hoekstra betont vor allem auch den notwendigen starken Fokus auf Solidarität und einen gerechten Übergang, bei dem kein EU-Mitgliedsstaat zurückgelassen werden dürfe. Instrumente wie der Social Climate Fund und der Fonds für einen gerechten Übergang seien notwendig, um besonders betroffene Menschen und Regionen zu unterstützen. Dies kann auch aus AK-Sicht befürwortet werden, wiewohl noch mehr Ambition und Mittel in diesen Bereich fließen müssen. Als Teil der European Alliance for a Just Transition engagiert sich die AK für eine Transformationspolitik, in der soziale Gerechtigkeit großgeschrieben wird und Kosten gerecht verteilt werden.
Um einen adäquaten Rahmen für die Zeit nach 2030 zu entwickeln und diesen gerechten Übergang tatsächlich zu erreichen, sieht die EU-Kommission in ihrer Mitteilung den strategischen Dialog mit Stakeholder-Gruppen aus Industrie und Landwirtschaft, aber auch Sozialpartnern als zentral an. Der Austausch mit sozialen und gewerkschaftlichen Akteur:innen ist insbesondere für die Stärkung von sicheren, qualitativen Arbeitsplätzen und Ausbildungsmöglichkeiten bedeutend.
Netto-Null-Technologien
Ein Teil der Treibhausgasemissionen ist durch emissionsmindernde Maßnahmen nicht oder nur sehr schwer zu verringern. Das gilt etwa für die Zementerzeugung oder die Rinderzucht (sogenannte „hard-to-abate“-Sektoren). Um die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden, müssen diese verbleibenden Emissionen durch „negative Emissionen“ kompensiert werden. Das kann durch die natürliche Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre durch Pflanzen oder auch durch technische CO2-Entnahme aus der Luft erfolgen. Diese Verfahren werden als „Carbon Removals“ bezeichnet. Zusätzlich dazu wird zukünftig auch die CO2-Abscheidung von Abgasen eine Rolle spielen. Statt dieses CO2 in die Atmosphäre zu entlassen, soll es unterirdisch gespeichert werden, wodurch auch keine zusätzliche Belastung mehr entsteht.
Dazu legt die Kommission in der Strategie zum industriellen Kohlenstoffmanagement dar, wie die Entwicklung der dafür notwendigen CO2-Wertschöpfungsketten und Transportinfrastrukturen ermöglicht werden soll. Ausgehend von der Folgenabschätzung für das Klimaziel für 2040 wird die EU im Jahr 2040 eine jährliche Kohlenstoffspeicherkapazität von etwa 280 Millionen Tonnen benötigen.
Laut EU-Kommission soll durch den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Einsatz von CO2-Abscheidung und -speicherung (CCS) sowie die Nutzung der Kernenergie die vollständige Dekarbonisierung des Stromsektors bis kurz nach 2040 erreicht werden. Dieser Weg wird durch den Net-Zero-Industry-Act unterstützt, zu dem zuletzt eine vorläufige Einigung zwischen EU-Parlament und Rat erzielt wurde. Ziel ist es, die europäische Industrie wettbewerbsfähig zu halten und die globale Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern, unter anderem durch die Förderung der Kreislaufwirtschaft.
Proteste zeigen Wirkung
In den letzten Wochen gingen zahlreiche Landwirt:innen in einigen EU-Staaten (zuletzt Anfang Februar in Brüssel) auf die Straße, um gegen gestiegene Kosten und geplante Regulierungen zu protestieren. Die Proteste scheinen ihr Ziele erfüllt und die EU-Kommission in ihrer Empfehlung beeinflusst zu haben: Dem Vernehmen nach war vor der Veröffentlichung der Mitteilung noch eine Emissionsreduktion von 30 Prozent im Agrarsektor geplant, die in der vorgelegten Mitteilung aber nicht mehr enthalten ist. Monique Goyens, Direktorin des Europäischen Verbraucherverbands (BEUC), erklärt diesbezüglich in einer Presseaussendung, dass Konsument:innen bereit sind, ihren Teil im Kampf gegen die Klimakrise beizutragen. Die EU-Kommission sei nun aber gefordert, dies mit klaren Gesetzesvorschlägen zu unterstützen.
Verantwortung liegt bei nächster Kommission
Die Mitteilung zum Klimaziel 2040 ist eine Empfehlung der EU-Kommission, die eine Richtung vorgeben soll. Einen Gesetzesvorschlag dazu zu entwickeln, der anschließend mit dem EU-Parlament und Rat abgestimmt wird, wird Aufgabe der neuen Kommission sein. Diese wird sich nach den EU-Wahlen im Juni neu konstituieren. Schon vor dem Gesetzesvorschlag werden sich aber die politischen Kräfte im EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten zur vorliegenden Mitteilung positionieren.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Neue Europäische Industriepolitik – Fokus: Green Deal Industrial Plan & Net-Zero Industry Act
AK EUROPA: Ein EU-Rahmen für einen gerechten Übergang. Welche Maßnahmen sind gefragt?
AK EUROPA: „Fit for 55“ – Europas Weg zur Klimaneutralität
AK EUROPA Positionspapier: „Fit for 55“-Paket IV: Richtlinie über Erneuerbare Energien
A&W-Blog: Just Transition: Arbeitskräfte für die Energiewende - (awblog.at)
AK EUROPA Positionspapier: Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030