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Am 17. Juli 2018 soll in Tokyo mit „JEFTA“ das größte Handelsabkommen unterzeichnet werden, das die Europäische Union jemals abgeschlossen hat: Japan und die EU sind gemeinsam für ein Drittel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts verantwortlich. Durch das im Vertrag von Lissabon verankerte Mitentscheidungsrecht bei Handelsabkommen muss vor dem endgültigen Inkrafttreten aber erst noch das Europäische Parlament seine Zustimmung geben, überarbeitet werden kann es jedoch nicht mehr. Der Außenhandelsausschuss lud daher am 9. Juli 2018 die wichtigsten AkteurInnen, darunter die Kommission und das japanische Außenministerium, zur Debatte ins EU-Parlament ein.

 

Nachdem die Europäische Kommission das EU-Japan Handelsabkommen mit dem Mandat des Rates zwischen 2013 und Dezember 2017 verhandelt hatte – bis Juni 2017 unter Verschluss und nicht auf dem Radar der breiten Öffentlichkeit – ist nun das Europäische Parlament am Zug. Nach dem eng gefassten Zeitplan sollen die ca. 2.000 Seiten des Vertragstextes vor der geplanten Abstimmung Mitte Dezember 2018 noch geprüft werden. Abstimmen kann das Parlament dann jedoch nur mit Ja oder Nein, eine Neuverhandlung ist nicht mehr möglich. Nachdem das EU-Japan Abkommen keine Klagerechte für ausländische InvestorInnen vorsieht, muss der Vertragstext auch nicht — wie es gerade bei CETA der Fall ist — zusätzlich von den nationalen Parlamenten bestätigt werden.

 

Das aus Sicht der Arbeiterkammer äußerst problematische Investitionsgerichtssystem (ICS) wird mit Japan aber in einem separaten Abkommen weiterverhandelt. Einigung gibt es darüber noch nicht. Positiv ist, dass die Kommission eine Rückkehr zum alten Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS) ausschließt, das rein private Schiedsgerichte vorsieht und durch das sogenannte „Achmea-Urteil“ des EuGH innerhalb der EU mittlerweile verboten ist. Dem von der Kommission vorgeschlagenen „neuen“ Investionsgerichtssystem nach dem CETA-Modell - ICS - will Japan derzeit noch nicht zustimmen.

 

Die Anhörung im Außenhandelsausschuss des Europaparlaments förderte jedoch weitere Problemfelder zutage, die einem zustimmenden Votum der Abgeordneten im Wege stehen könnten: Der Berichterstatter des Ausschusses, Pedro Silva Pereira (S&D, PT) wies mit Sicht auf arbeitsrechtliche Standards im Abkommen etwa darauf hin, dass Japan zwei der acht Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) noch immer nicht ratifiziert hat. Das betrifft die Übereinkommen Nr. 111 zum Verbot der Diskriminierung im Beruf, und Nr. 105 zur Abschaffung der Zwangsarbeit – beides grundlegende menschen- und arbeitsrechtliche Mindeststandards. Zwar verpflichtet sich Japan im Rahmen des Handelsabkommens, die Normen unabhängig von deren Ratifizierung zu achten, jedoch nicht zur Ratifizierung selbst. Dementsprechend vage fielen die Antworten des Kommissionsvertreters Jean-Luc Demarty und des japanischen Delegierten, Yoichi Suzuki, aus: Tokyo sei gerade dabei, die Übernahme der ILO-Normen in japanisches Recht zu prüfen.

 

Ein weiterer Hauptkritikpunkt der Abgeordneten bezog sich auf das Nachhaltigkeitskapitel des Handelsabkommens, das Sozial- und Umweltstandards regeln soll. Abgeordnete Jude Kirton-Darling (S&D, GB) bemängelte, dass JEFTA in diesem Aspekt hinter das zuvor beschlossene Abkommen mit Kanada (CETA) zurückfalle und die dort bereits erarbeiteten Fortschritte verloren gingen. Die Kommission erklärte den Rückfall gegenüber CETA damit, dass jedes Abkommen für sich alleine zu verhandeln sei. Für alle Handelsabkommen gleichermaßen gültige Standards gibt es nicht. Die Nachhaltigkeitskapitel sind außerdem erneut ohne sanktionierenden Durchsetzungsmechanismus gestaltet, was bedeutet, dass etwa die Verletzung des im Abkommen enthaltenen Pariser Klimaschutzvertrages keine Konsequenzen nach sich ziehen würde. Die Studien der Universität Warwick oder der Friedrich Ebert Stiftung zeigen jedoch, dass vor allem die Sanktionierbarkeit der Nachhaltigkeitskapitel auch nachhaltige Effekte bei Sozial- und Umweltstandards der HandelspartnerInnen erzielen können.

 

Auch die Auswirkungen des Abkommens auf die öffentliche Daseinsvorsorge und die Beschaffung bereiteten einigen Abgeordneten Sorgen. Klaus Buchner (Grüne, DE) kritisierte den Ansatz der sogenannten „Negativlisten“, der im Abkommen verankert ist: Dieser ermöglicht, dass alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, die nicht explizit als Vorbehalt auf einer Liste angeführt werden, automatisch zur Liberalisierung freigeben sind. Darunter fällt unter anderem die Wasserwirtschaft. Der Bundesverband deutscher Energie- und Wasserwerke (BEDW) hat sich daher gegen das Abkommen positioniert; der Sonderartikel zu „Rechten in Bezug auf Wasser“, wie in CETA verankert, ist bei JEFTA ausgeblieben. Der Privatisierung öffentlicher Güter wird somit weiterer Boden gewährt.

 

Die Arbeiterkammer hat sich gemeinsam mit dem ÖGB daher klar gegen JEFTA positioniert und einen offenen Brief an die Abgeordneten des Außenhandelsausschusses des Europäischen Parlaments verfasst. Diese werden dazu aufgefordert, dem Abkommen so lange nicht zuzustimmen, bis die genannten Unzulänglichkeiten ausgeräumt sind.

 

Weiterführende Informationen:

Kommission: Kernpunkte des Zentrale Elemente des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen der EU und Japan

AK & ÖGB übermitteln Positionen zum Handelsabkommen mit Japan und Singapur an EP-Handelsausschuss

AK-Europa: JEFTA - Ein exklusiver Handel zwischen EU-Unterhändlern und Großkonzernen

Arbeitsrechte und Umweltschutz in EU-Handelsabkommen: Kommission versucht Implementierung ohne Sanktionen

AK-Europa: Arbeitsstandards endlich sanktionsfähig in Handelsabkommen etablieren!

Video: Kernarbeitsnormen Plus (CLS+)