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ZurückWichtige Dossiers der europäischen Steuerpolitik – von der Digitalsteuer zur Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftssteuer – können nicht abgeschlossen werden, weil im Rat der Europäischen Union Einstimmigkeit in Steuerfragen notwendig ist. Die Europäische Kommission hat nun am 15. Januar 2019 einen Vorschlag vorgelegt, um im Rat fortan auch in diesem Themenbereich mit qualifizierter Mehrheit entscheiden zu können.
Der österreichischen Ratspräsidentschaft ist es 2018 nicht gelungen, selbst die drängendsten Steuerthemen in der Europäischen Union zu einem Abschluss zu bringen. Während die Finanztransaktionssteuer unter österreichischem Vorsitz endgültig zu Grabe getragen wurde, konnte man sich in der Frage der Digitalsteuer nicht einmal auf eine sehr unternehmensfreundliche Version, die nur Werbeerträge und nicht die Gesamteinnahmen besteuern wollte, einigen. Damit in Zukunft nicht mehr jedes einzelne Mitgliedsland überfällige Reformen blockieren kann, will die Europäische Kommission die Entscheidungsfindung im Rat der Europäischen Union umstrukturieren.
In seiner Rede zur Lage der Union 2018 sprach Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Notwendigkeit an, dass die EU rasch und schlagkräftig agieren kann. Er verwies dabei auf Artikel 116 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU, in der die sogenannte „Brückenklausel“ („Passerelle Clause“) enthalten ist. Diese Klausel würde es erlauben, im Rat Beschlüsse durch qualifizierte Mehrheit (16 von 27 Mitgliedsländern) zu fassen und nicht wie bisher auf Einstimmigkeit angewiesen zu sein, was sich nicht zuletzt in Steuerthemen als zunehmend problematisch erwiesen hat. Nach Artikel 116 AEUV ist eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit möglich, wenn Wettberwerbsverzerrungen aufgrund unterschiedlicher Steuervorschriften beseitigt werden sollen und diese nicht durch Beratungen der Mitgliedsstaaten geändert werden können. Dann sind Parlament und Rat angehalten, Maßnahmen zu erlassen, um das Funktionieren des Binnenmarktes wieder zu ermöglichen. Für steuerpolitische Leigslativvorschläge, vor allem wenn es um die Bekämpfung von Steuervermeidung bzw –optimierung geht, wäre dies ein Weg aus dem Stillstand, der hier seit Längerem besteht (siehe Finanztransaktionssteuer). Doch auch hier gibt einen Haken: Die Klausel kann nämlich nur durch Einstimmigkeit aktiviert werden, was sich in der Praxis als schwierig erweisen dürfte. Die irische Regierung hat bereits ihre Opposition zum Plan der Kommission angekündigt. Auch Malta, Zypern und Schweden sind gegen den Vorschlag.
Am 15. Januar stellte Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici eine Mitteilung der Kommission vor, die einer Blockade von steuerpolitischen, legislativen Initiativen im Europäischen Rat vorbeugen soll. Er verwies auf Artikel 48, Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union, die sogenannte „Überleitungsklausel“, die für die Kommission die praktikabelste Lösung darstellt. Nach diesem Artikel kann der Rat einen Beschluss erlassen, wonach er unter bestimmten Voraussetzungen mit qualifizierter Mehrheit abstimmen kann. Eine solche Initiative braucht aber sowohl eine Mehrheit in denen nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten als auch im Europäischen Parlament. In Hinblick auf den Widerstand einiger Mitgliedsländer bemerkte Moscovici, dass man die Mitgliedsstaaten politisch überzeugen müsse. Eine solche Änderung sei zu ihrem eigenen Nutzen und würde eine progressive Politik in der Europäischen Union möglich machen. Die Einstimmigkeit in Steuerbelangen sei ein Überbleibsel aus den 1950er Jahren, als die EWG nur sechs Mitglieder hatte und in einer EU der 27 nicht mehr zeitgemäß, so Moscovici weiter. Die Kommission strebe keine Änderung der EU-Kompetenzen in Steuerfragen an, Mitgliedsstaaten sollen weiterhin ihre Steuersätze so setzen können, wie sie es für richtig halten. Man wolle einzig die Effizienz erhöhen, um auf gemeinsame Herausforderungen schneller reagieren zu können.
Es obliegt nicht der Kommission, die beiden Klauseln zu aktivieren. Sie muss also auf den guten Willen des Rates zählen und will diesen deshalb einladen, sich über ein derartiges Verfahren Gedanken zu machen. Von offizieller Seite heißt es dazu, man wolle vor allem eine Debatte starten. Zu diesem Zweck hatte die Kommission auch eine öffentliche Konsultation gestartet, die mit 17. Januar 2019 zu Ende ging.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Digitalsteuer: EP sendet starkes Signal an Rat
Factsheet: How do we gradually improve decision-making in EU tax policy?