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ZurückWelche Themen und Herausforderungen stellen sich in der europäischen KonsumentInnenpolitik in der kommenden Legislaturperiode? Dieser Frage ging eine hochkarätige Veranstaltung des Netzwerkes der Europäischen Verbraucherzentren (ECC), die am 6. November 2019 im Norwegen-Haus in Brüssel stattfand, nach.
Zwischen ökologischen Notwendigkeiten vor dem Hintergrund der Klimakrise, Digitalisierung, Algorithmen und Künstlicher Intelligenz sowie Produktsicherheit und Rechtsdurchsetzung über die europäischen Grenzen hinweg spannte sich das breite Feld der Themen für die zukünftige verbraucherpolitische Agenda der EU.
Haltbarkeit von Produkten und Reparatur
Mit Waschmaschinen, Druckern und anderen – vermeintlich günstigen – Haushaltsgeräten, die nach weniger als 3 Jahren bereits kaputtgehen, haben viele VerbraucherInnen bereits ihre Erfahrungen gemacht. Alleine beim belgischen Verbraucherverband Test Achats sind in nur 2 Jahren 9.000 Beschwerden zu derartigen Fällen eingelangt. Reparaturen sind jedoch oft nicht möglich, etwa, weil kein Zugang zu einer Reparaturanleitung besteht oder Software-Updates nicht zur Verfügung stehen. Oftmals sind auch die Kosten einer Neuanschaffung niedriger. Selbst seitens der Händler wird regelmäßig ein neues Produkt anstatt einer Reparatur angeboten.
Nachhaltiger Verbrauch und „Greenwashing“
Vor dem Hintergrund des von der EU-Kommission geplanten Grünen New Deals wies – im Rahmen der ECC-Veranstaltung – Věra Jourová, die scheidende Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung darauf hin, dass der Green Deal vieles ermögliche, jedoch Konsumismus mit diesem nicht vereinbar sei. Die Haltbarkeit von Produkten zu verbessern, den Zugang zu Reparatur zu erhöhen und gegen „Greenwashing“ vorzugehen sahen nicht nur Jourová, sondern auch MEP Pascal Durand (Renew), Marie-Paul Benassi (EU-Kommission) und Ursula Pachl (BEUC) als Gebote der Stunde. Auch müsse – so Jourová – die EU dazu beitragen, das Interesse der VerbraucherInnen an nachhaltigem Verbrauch zu erhöhen. Pachl warnte jedoch davor, den VerbraucherInnen nicht alleine die gesamte Verantwortung für nachhaltigen Konsum aufzubürden. Sinnvoll wäre etwa die Einführung von Mindeststandards für Reparaturen oder verpflichtenden Testprotokollen zur Haltbarkeit von Produkten. Benassi verwies auf den Mission Letter des designierten neuen Justizkommissars Didier Reynders nachdem es nun darum ginge, VerbraucherInnen in der grünen und digitalen Transformation zu unterstützen und dies in Verpflichtungen für die HändlerInnen umzusetzen. Bei „Greenwashing“ und irreführender Werbung mit Nachhaltigkeit sei es – so Benassi – bislang schwierig, gegen Unternehmen auf dem Rechtsweg vorzugehen.
Good and bad practice
Als Good Practice für nachhaltigeren Konsum wurde eine dänische App vorgestellt, welche aufgrund des Barcodes den VerbraucherInnen anzeigt, wie gesund ein Produkt ist. Auch eine kostenfreie, öffentlich zur Verfügung gestellte norwegische App zur jeweils aktuellen Luftverschmutzung und –qualität könnte helfen, VerbraucherInnen zu informieren und zu einem grüneren Lebensstil anzuregen. Ein positives Beispiel ist auch eine slowenische, nationale gesetzliche Regelung, welche das Recht der VerbraucherInnen bei Reparaturen zur nachhaltigsten Lösung verankert. Negative Erfahrung machte man in diesem Bereich im norwegischen ECC, wo eine Reparaturwerkstatt für Apple-Produkte von Apple wegen Fälschung verklagt wurde.
Rechtsdurchsetzung gegenüber Drittstaaten – Digital Services Act
Bei Bestellungen über Plattformen und Direktbestellungen, v.a. aus China, mehren sich Probleme der VerbraucherInnen mit defekten und gefährlichen Produkten. Beispiele sind etwa Ladekabel, welche Feuer fangen, oder Fahrräder, deren Bremsen nicht funktionieren. Pachl führte hier auch das hochgefährliche Beispiel eines Feuermelders an, welcher auf Amazon als „First Choice“ gelistet worden war, bei welchem jedoch 50 % der Produkte defekt gewesen waren. Auch HändlerInnen aus Drittstaaten, die ihre Produkte in der EU anbieten, fallen unter das Europäischen Verbraucherrecht, jedoch scheitert es oftmals an der Rechtsdurchsetzung. Ein Ansatz wäre die Haftung – unter bestimmten Voraussetzungen – auch auf die Plattformen auszuweiten. Wichtig wäre es daher, im Rahmen des angekündigten Digital Services Acts auch die VerbraucherInnen-Perspektive zu Plattformen ausreichend zu bedenken. Dieser soll von der neuen Kommission durch die exekutive Vizepräsidentin Margrethe Vestager vorgelegt werden.
Weiterführende Informationen:
Europäisches Verbraucherzentrum Österreich
BEUC proposals for the 2019-2024 European Commission
AK EUROPA: Ein sauberer Planet für alle
AK EUROPA: Das Kreuz mit den Ladekabeln
AK EUROPA: KonsumentInnenschutz im digitalen Zeitalter: Der Online-Einkauf auf dem Prüfstand