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ZurückAm 30. August 2018 lud der deutsche Bundesverband der Verbraucherzentrale (vzbv) zu einer Frühstücksdebatte zum sogenannten „New Deal for Consumers“. Im Mittelpunkt der Diskussion standen vor allem die Regulierung von Online-Plattformen und deren wachsender Einfluss, sowie die vorgeschlagenen Einschnitte beim Rücktrittsrecht von Online-Einkäufen. Wie brandaktuell das Thema ist, zeigte auch die dieswöchige Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und VerbraucherInnenschutz (IMCO).
Künstliche Intelligenz regulieren
Gerade die Rolle von Online-Plattformen war, laut Otmar Lell (vzbv), über die letzten Jahrzehnte relativ starken Veränderungen unterworfen. Gab es in der Anfangszeit des Online-Handels nur einen minimalen „information bias“, also Wettbewerbsverzerrung, z.B. durch höchst und niedrig gereihte Anbieter einer Ware, hat sich dies in der Plattform-Ökonomie durch die Verwendung von Algorithmen komplett verändert. Während es für KonsumentInnen natürlich viele Vorzüge hat, auf Online-Plattformen Waren und Dienstleistungen zu kaufen, gibt es ein zunehmendes Vertrauensproblem auf KonsumentInnen-Seite. In dem neuen Vorschlag der EU-Kommission zum Schutz der KonsumentInnen werden einige Parameter zur Regulierung des Onlinemarktes angesprochen, die mehr Transparenz für NutzerInnen bringen sollen, und stellt somit einen Schritt in die richtige Richtung dar. Online-Plattformen müssen demnach beispielsweise ihre Ranglisten für angebotene Waren transparent machen, Informationen bereitstellen, ob die jeweiligen Waren von einer Privatperson oder einer HändlerIn angeboten werden und ob EU-KonsumentInnenrecht angewendet wird oder nicht. Außerdem muss die Online-Plattform kenntlich machen, bei welchen Anzeigen z.B. für eine prominente Position bezahlt wurde und inwiefern personalisierte Preisgestaltung und personalisiertes Ranking stattfindet. Die vzbv schlägt zusätzlich einen Verifizierungsprozess vor, sollte es Zweifel an den bereitgestellten Informationen geben. Bevorzugung im Ranking von Gütern aus Eigenproduktion der Online-Plattformen soll verboten werden, wenn jenes nicht transparent gegenüber EndnutzerInnen gemacht wird. Außerdem sollte es eine rechtliche Handhabe gegen falsche Rezensionen auf Onlineplattformen geben. Beim Großteil der Probleme könnte über die Regulierung von Algorithmen Abhilfe geschafft werden.
Von Online-Dating, Hochzeitskleidern und Erpressungstaktiken
Im aktuellen Vorschlag der EU-Kommission wird das Recht auf Widerruf eingeschränkt. Wenn die Ware „mehr als notwendig“ benutzt wurde, kann nach dem Ermessen der AnbieterInnen von einer Refundierung abgesehen werden. Dem stellte Isabelle Buschke (vzbv) einige Härtefälle gegenüber, mit denen KonsumentInnen an sie herangetreten waren. HändlerInnen forderten schon einmal 50% Kompensation für Schuhe, die eine KonsumentIn zurückgeschickt hatte, weil sie – vermeintlich – eingerissen wären. Die KonsumentIn hatte die Schuhe aber nur einmal anprobiert. Die Rückgabe eines Hochzeitskleides im Wert von 500 Euro wurde von HändlerInnen abgelehnt, weil dieses angeblich personalisiert hergestellt worden wäre. Die KäuferIn hatte sich aber nur zwischen einer Farbe und den Größen 36-42 entscheiden können, die als Stangenware normal sind. Dies verstößt auch ganz klar gegen die Richtlinie zum KonsumentInnenschutz, die besagt, dass das Auswählen aus einem „drop-down“ Menü nicht mit Maßfertigung zu vergleichen ist. Ein anderes Beispiel war eine KonsumentIn, die sich um 388,70 Euro auf einer Online-Datingplattform anmeldete und nach sechs Tagen vom Vertrag zurücktreten wollte. Die AnbieterIn verlangte daraufhin 291,53 Euro Kompensationszahlung ohne wirkliche Angabe von Gründen. Auch Erpressung kommt im Online-Handel vor. So wandten sich NutzerInnen an den VerbraucherInnenschutz, weil HändlerInnen als Bedingung für eine Erstattung erst die Löschung einer negativen Rezension auf ihrer Internetseite verlangten. All diese Fälle zeigen, dass eine Einschränkung des KonsumentInnenschutzes nur der HändlerInnenseite nutzen würde und somit die derzeit gültige Verordnung beibehalten werden sollte.
Parlamentsausschuss gegen Änderung des Widerrufsrechts
In der Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und VerbraucherInnenschutz (IMCO) vom 3. September 2018 gab es fraktionsübergreifend Ablehnung bei der Änderung des Widerrufsrechts. Berichterstatter Daniel Dalton (EKR) ließ den Ausschuss wissen, dass er, obwohl er Sympathien für die Belange der UnternehmerInnen hege, hart erkämpfte KonsumentInnenrechte nicht einfach aufgeben würde. Der Tenor im Ausschuss war, dass es keinen Grund gäbe, das Widerrufsrecht zu ändern, solange von UnternehmerInnenseite keine klaren Zahlen zu Missbrauchsfällen bei Rücksendungen dargelegt werden könnten. Die Kommission versprach daraufhin, dass sie die ihr vorliegenden Zahlen an den Ausschuss weiterleiten werde. Auch die Frage der Algorithmen wurde diskutiert, hier vertreten bisher jedoch die EKR und EPP die Position, dass es zwar notwendig sei, bei Rankings Transparenz zu schaffen, man aber Online-UnternehmerInnen nicht zwingen solle, ihre Algorithmen zu veröffentlichen.
Weiterführende Informationen:
AK Positionspapier: New Deal for Consumers
AK: Konsumentenrechtlicher Vorschlag der EU „Schritt in richtige Richtung“
AK EUROPA: Kommission will Sammelklagen in Europa wirksamer gestalten
Marktwächter: Das Widerrufsrecht in der Praxis aus Verbraucherperspektive
Verbraucherzentrale Bundesverband
vzbv Stellungnahme: A New Deal for Consumers – Verbraucherrechte wirksam durchsetze