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ZurückDer Handy-Akku ist die Geißel der modernen Welt. Seine kurze Lebensdauer lässt uns angestrengt nach dem Ladegerät suchen, wenn der Saft aus ist. Und fast aus der Haut fahren, ist der richtige Stecker nicht parat. Nervig ist das besonders für iPhone-BesitzerInnen: Denn die Geräte lassen sich nur mit eigenen Steckern aufladen. Warum eigentlich?
Die Antwort ist in Brüssel zu finden. Eigentlich will die EU-Kommission seit einem Jahrzehnt ein einheitliches Ladegerät für alle Handys einführen. Doch Apple verhindert das durch Lobbying, wie von der Nachrichtenseite netzpolitik.org veröffentlichte E-Mails und Gesprächsnotizen der Kommission zeigen. Für Apple ist das iPhone die Cash-Cow. Allein im letzten Quartal 2018 brachten die Smartphones dem Konzern 52 Milliarden US-Dollar ein. Apple umgibt seine Produkte gerne mit einer Aura des Luxus und der Exklusivität – und verdient an zusätzlichem Equipment. Der Sonderweg hat Konsequenzen, denn alte Ladegeräte produzieren nach Schätzungen der Kommission mehr als 51.000 Tonnen an Elektromüll pro Jahr. Ein Standard könnte Ladegeräte leichter wiederverwendbar machen. Das verkleinert den Müllberg und spart KonsumentInnen Geld.
2009 kündigte der damalige Industriekommissar Günther Verheugen erstmals ein einheitliches Ladegerät an. Europa werde damit ein Vorbild für die Welt, sagte Verheugen. Vor zehn Jahren gab es über 30 verschiedene Ladegeräte am Markt. Verheugen drängte die Branche, sich freiwillig auf einen Standard zu einigen. Und tatsächlich: Binnen zwei Jahren stellten alle HerstellerInnen auf den Micro-USB-Stecker um, der bis heute in den meisten Handys verbaut ist. Alle HerstellerInnnen bis auf einen: Auf Druck von Apple enthielt die Absichtserklärung der Branche ein Schlupfloch. Es erlaubt einen eigenen Anschluss für Ladekabel, wenn der/die HerstellerIn einen Adapter dafür anbietet. Das höhlt die Selbstverpflichtung aus, denn die Adapter kosten extra und sorgen für zusätzlichen Elektromüll.
Seit 2012 stattet Apple seine Handys mit einem neuen Anschluss aus. „Lightning“ ist ein Patent von Apple - wer Ladegeräte dafür produziert, muss dem Konzern Lizenzgebühren zahlen. Bemühungen der Kommission, Apple freiwillig zum Umstieg auf einen gemeinsamen Standard zu bewegen, scheiterten. In Brüssel argumentiert Apple, für einen gemeinsamen Standard müsse das iPhone völlig neu designt werden. Das behindere die Innovation der Produkte des Unternehmens.
EU-Beamte halten das für eine Ausrede: „Unabhängig vom Ladegerät haben alle High-End-Handys und tragbaren Geräte (auch jene Apples) eine vergleichbare Größe und Leistung. Daher werden die angeblichen Risiken und Kosten behinderter Innovation offenkundig vom Markt selbst widerlegt“, notierte ein Kommissionsbeamter. Eine 2014 beschlossene Richtlinie gibt der Kommission die Möglichkeit, über einen delegierten Rechtsakt direkt einzugreifen und einen Standard vorzuschreiben. Dennoch beharrt die Kommission weiter auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie.
Auch Druck aus dem Parlament half bisher wenig. EU-Kommissarin Elzbieta Bienkowska gab, statt zu handeln, im Herbst 2018 eine Folgeabschätzung in Auftrag. Deren Ergebnis wird erst nach Bienkowskas Ausscheiden aus der Kommission vorliegen. KonsumentInnenenschützerInnen halten das für ungenügend. „Folgenabschätzungen und Studien sollten kein Feigenblatt dafür sein, Entscheidungen zu verzögern“, kritisiert Frederico Da Silva vom EU-Konsumentenverband BEUC. „Was wir jetzt brauchen ist politischer Wille, die Frage zu lösen“. Doch auch zehn Jahre nach dem ersten Vorschlag der Kommission ist auf absehbare Zeit kein einheitliches Ladegerät für Mobiltelefone in Sicht.
Dieser Artikel ist ein Gast-Beitrag von Alexander Fanta, Europakorrespondent netzpolitik.org
Weiterführende Informationen:
EU-Kommission: Initiative zur Folgenabschätzung
Netzpolitik.org: Wie Apple uns seine Kabel aufzwingt
EU-Kommission: Stellungnahme von Apple zur Initiative