Nachrichten

Zurück

Die EU-Arbeitsbehörde ist derzeit heiß diskutiertes Thema in Brüssel. Unter Vorsitz der beiden S&D-Abgeordneten MEP Agnes Jongerius (Niederlande) sowie des Schattenberichterstatters für die EU-Arbeitsbehörde, MEP Georgi Pirinski (Bulgarien), fand vergangene Woche (6. Juni 2018) im EU-Parlament ein Workshop statt, in welchem auch ein Experte der Arbeiterkammer zu Wort kam.

 

In zwei internationalen und spannend besetzten Panels wurde zum einen über die gegenwärtige Problemlage und Notwendigkeiten für eine Arbeitsbehörde diskutiert, zum anderen wurde der Frage nachgegangen, inwiefern die Arbeitsbehörde zur Lösung der Probleme im Bereich grenzüberschreitender Arbeit beitragen könne.

 

Agnes Jongerius fand in ihrem Eingangsstatement deutliche Worte, für die Notwendigkeit der Schaffung einer EU-Arbeitsbehörde und forderte Nachschärfung, etwa im Sinne einer Anlehnung an die Europäische Bankenaufsichtsbehörde. Aus ihrer Sicht dürfe die Durchführung gemeinsamer grenzüberschreitender Sanktionen nicht der Freiwilligkeit vorbehalten sein. Weiters müssten Sanktionen geschaffen werden. Ein Modellbeispiel könnte - so Jongerius - die Arbeit der belgischen Arbeitsinspektorate sein. Die Sozialpartner seien hier stark eingebunden und es habe sich ein Geschäftsmodell mit sozialem Nutzen entwickelt ("Inspektionen bringen Geld ein").

 

Erika Mezger (Eurofound) verwies darauf, dass aus ihrer Sicht die Datenlage noch nicht ausreichend analysiert und daher noch nicht klar genug sei, welche Problemstellungen die Arbeitsbehörde überhaupt lösen solle. Hierzu verwies sie auch auf das aktuelle Eurofound-Arbeitsprogramm aus 2018, das eine neue Analyse der Daten zu Entsendungen innerhalb der EU vorsehe. Sozialstatistiken fehlen auf europäischer Ebene oftmals, hier sah sie das EU-Statistikamt, Eurostat, stärker in der Pflicht.

 

Dana Schäfer (SOKA-Bau, Deutschland) präsentierte die stark gestiegenen Zahlen von Entsendungen in Deutschland und der EU sowie konkrete Fallbespiele zu Entsendungen, Zeitarbeitsfirmen und der problemhaften Durchsetzung des nationalen Arbeitsrechts. Ihre Erfahrung sei, dass Behörden oftmals nicht grenzübergreifend arbeiten. Die stärkere Verankerung der Sozialpartner im Rahmen der Arbeitsbehörde sei zwar ein wichtiger Schritt, problematisch jedoch in jenen Ländern, in denen keine starken Sozialpartner existieren.

 

Eindringlich war der Beitrag von Edwin Atema (niederländischer Gewerkschaftsverband FNV), der anhand eines kurzen Videos das Problem von Briefkastenfirmen und betroffenen LKW-Fahrern darstellte. Einige der Fahrer waren auch im Publikum anwesend. Er warnte davor, das Problem als Ost-West-Problem zu definieren. Denn in den Niederlanden seien es oftmals westeuropäische Firmen, die betrügerische Briefkastenfirmen einrichteten. In der Realität ende die Rechtsdurchsetzung oftmals an der Grenze: Daher forderte Atema ein "soziales Interpol" sowie die starke Einbindung von GewerkschafterInnen in die Arbeitsbehörde. In den Niederlanden – so seine Beobachtung – werde die Behörde oftmals überhaupt nur auf Druck der Gewerkschaften tätig.

 

Denis Genton (Kommission, Free Movement of Workers Unit) stellte den Kommissionsvorschlag (insb. die 7 Aufgaben der Arbeitsbehörde) vor und bestärkte den Plan der Kommission bis Ende 2018, spätestens Anfang 2019 zu einer Einigung zu gelangen. Die Arbeitsbehörde solle bereits im Jahr 2019 ihre Tätigkeit in Brüssel aufnehmen.

 

Collin Williams (Sheffield University) bezeichnete als größte Stärke der Arbeitsbehörde, die unterschiedlichen Themen und „offenen Baustellen“ zusammengebracht zu haben. Problematisch erachtete er den gegenwärtigen Fokus darauf, Missbrauch zu bekämpfen. Hier gelte es einen präventiven Ansatz zu finden. Starke Kritik äußerte Williams daran, dass die erst 2016 neue geschaffene Plattform zur Bekämpfung illegaler Arbeit durch die Arbeitsbehörde wieder aufgehoben werden sollte. Er verwies auch darauf, dass man im Kommissionsvorschlag nur auf einen ganz kleinen Teil illegaler Arbeit konzentriere, welche grenzüberschreitend durchgeführt werde (5%, nach neueren Zahlen ev. nur 2,8%).

 

Liina Carr (EGB) begrüßte, dass – nach jahrelanger Forderung der Gewerkschaften – nun endlich über das Thema EU-Arbeitsbehörde gesprochen werde. Die Einbeziehung der Sozialpartner falle jedoch viel zu gering aus (nur 6 Sozialpartner auf EU-Ebene, 3 AG + 3AN). Sie kündigte an, dass hierzu der EGB noch einen eigenen Vorschlag einbringen werde.

 

Schließlich schloss AK-Experte Walter Gagawczuk, dass die EU-Arbeitsbehörde zwar nicht alle Probleme lösen könne, jedoch auf jeden Fall einen Schritt in die richtige Richtung darstelle. Er stellte einen konkreten Vergleich des Aufgabenkataloges der Europäischen Arbeitsbehörde sowie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde auf. Während die Aufgaben der Arbeitsbehörde nur unterstützende Aufgaben seien, hat die Bankenaufsichtsbehörde neben unterstützenden auch standardsetzende und Überwachungsaufgaben. Die Arbeitsbehörde sei auf ein Mediationsverfahren beschränkt, demgegenüber haben die Bankenaufsichtsbehörde Befugnisse im Einzelfall Entscheidungen zu treffen. Weiters brachte Walter Gagawczuk in die Diskussion noch konkrete Vorschläge ein, wie die Rolle der Sozialpartner in der Arbeitsbehörde gestärkt werden könnte.

 

Weiterführende Links

AK Positionspapier Europäische Arbeitsbehörde

AK EUROPA: Faire Mobilität am EU-Arbeitsmarkt - Der Beitrag der Europäischen Arbeitsbehörde im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping in der EU

AK Europa: Entsenderichtlinie - Etappenziel erreicht, jetzt braucht es die Europäische Arbeitsbehörde zur Durchsetzung

AK Europa: Europäische Arbeitsbehörde - Erste Positionierungen im EU-Parlament

A&W-Blog: Europäische Arbeitsbehörde - Für Rechte der ArbeitnehmerInnen statt für Dumpingfirmen