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ZurückDie Energiepreise in der EU steigen seit Herbst 2021 stark an und werden für immer mehr Menschen zur Bedrohung. Aus diesem Grund luden AK EUROPA und das ÖGB Europabüro am 27. Juni 2022 zu einer gemeinsamen Veranstaltung, um über die Dimensionen von Energiearmut sowie Möglichkeiten zu deren Bekämpfung zu diskutieren.
Die aktuellen Preissteigerungen stellen nicht nur bereits bisher von Energiearmut betroffene Haushalte vor große Probleme, sondern zunehmend auch die Mittelschicht und Pensionist:innen. Im Rahmen der Veranstaltung betonte Sandra Matzinger, Energieexpertin der AK Wien, dass es auch eine sogenannte „unsichtbare“ Energiearmut gibt, unter der Menschen zu verstehen sind, die es aufgrund ihrer prekären finanziellen Situation gewohnt sind, wenig bis gar keine Energie zu verbrauchen. Die unkontrollierten Preissteigerungen sowie die derzeit nicht funktionierenden Energiemärkte erfordern daher aus Sicht der AK starke politische Antworten auf europäischer und nationaler Ebene. Dazu gehören neben der zielgerichteten finanziellen Unterstützung von betroffenen Haushalten und der allgemein dringend benötigten Erhöhung von Sozialleistungen auch eine Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis, ein neues Marktdesign, eine steuerliche Abschöpfung überschüssiger Gewinne von Energieunternehmen sowie Maßnahmen gegen Finanzspekulationen. Ferner sollte eine EU-weite Gaspreisobergrenze nach dem Vorbild Spaniens und Portugals angedacht werden.
Hierzu ergänzte Monika de Volder, dass aus Sicht der Europäischen Verbraucher:innenorganisation (BEUC) schnellere Reaktionen der EU-Mitgliedstaaten und eine zielgerichtete Ausrichtung der getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Energiearmut erforderlich sind. Die BEUC hat daher einen 10-Punkte-Aktionsplan entwickelt, der Empfehlungen zur Bewältigung der Energiekrise enthält. Dazu zählt beispielswiese, alle Steuern und Abgaben, die nicht direkt mit der Energieerzeugung zusammenhängen, von Energierechnungen zu streichen. Darüber hinaus sollten die Behörden Sammelbeschaffungskampagnen organisieren, beispielsweise um gute Angebote von Energieversorgern zu erhalten. Zu den empfohlenen langfristigen Maßnahmen gehört auch der Bürokratieabbau beim Ausbau erneuerbarer Energien.
Alexander Friedrich wies als Vertreter der Österreichischen Volkshilfe sowie der Deutschen Arbeiterwohlfahrt darauf hin, dass Energiearmut die Menschen nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer beim Kühlen der Wohnungen beschäftigt. Die Frage, wie jede:r seine Energierechnung bezahlen kann, betrifft längst nicht mehr nur Geringverdiener:innen, sondern zunehmend auch die Mittelschicht. Bezüglich der Isolierung und Renovierung von Gebäuden kommt hinzu, dass überwiegend arme Menschen in schlecht ausgestatteten und dringend sanierungsbedürftigen Wohnungen leben. Die Renovierung von Gebäuden schafft jedoch weitere Probleme, da sie einerseits die Energierechnung senkt, andererseits aber auch zu einer höheren Miete führt und damit Verdrängungseffekte in Gang setzen kann. Dadurch könnte es dazu kommen, dass einkommensschwache Haushalte am Ende des Tages finanziell schlechter dastehen. Dieses spezielle Thema verdient daher mehr Aufmerksamkeit seitens der EU und der Mitgliedstaaten.
Für die EU-Kommission verwies Adela Tesarova darauf, dass die Kommission kurz- und langfristige Maßnahmen im Rahmen von drei Toolboxen vorgeschlagen hatte, um das Problem der Energiearmut anzugehen. Kurzfristig können die EU-Mitgliedstaaten unter anderem schutzbedürftigen Personen Einkommensbeihilfen anbieten, Preise regulieren oder die Abschaltung von der Energieversorgung untersagen. Mittel- bis langfristig sind jedoch strukturelle Maßnahmen entscheidend. Dazu gehören das Isolieren und Sanieren von Häusern, der schnellere Ausbau erneuerbarer Energien, oder die Stärkung der Verbraucher:innen, um nicht von den großen Anbietern abhängig zu sein. Positiv hervorzuheben ist die Bestätigung, dass auch die EU-Kommission die Notwendigkeit einer Reform des europäischen Energiemarktdesigns erkannt hat und bereits dazu arbeitet.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Policy Brief: Rising Energy Prices, Non-Functioning Markets, Worsening Energy Poverty – Are we prepared for next winter? (nur Englisch)
AK EUROPA: EU-Kommission schlägt neue Maßnahmen gegen hohe Energiepreise vor