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ZurückGemäß der derzeit gültigen Konzessionsrichtlinie hat die Europäische Kommission bis spätestens April 2019 einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Dies wirft Fragen in den Bereichen der Daseinsvorsorge und der europäischen Wasserwirtschaft auf. AK EUROPA nahm dies zum Anlass, am 9. Januar 2019 eine Podiumsdiskussion mit ExpertInnen aus dem Bereich der Wasserversorgung zu veranstalten und eine umfassende Studie über Wasserversorgungssysteme in Europa vorzustellen.
In den einführenden Bemerkungen sprach sich Thomas Weninger (Österreichischer Städtebund) für eine Wasserversorgung in der Verantwortung der öffentlichen Hand aus. Mit der Deregulierungspolitik der 1990er Jahre begann auch das Eindringen von FinanzmarktakteurInnen in die Daseinsvorsorge („Finanzialisierung“). Eine von der AK, Younion und dem Städtebund in Auftrag gegebene Studie über den Vergleich europäischer Systeme der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die anschließend präsentiert wurde, soll rund um dieses Thema neue Erkenntnisse für weitere Debatten schaffen.
Anschließend präsentierte Leonhard Plank (TU Wien) die wichtigsten Ergebnisse der Studie, welche er gemeinsam mit Michael Getzner, Bettina Köhler und Astrid Krisch erstellte. Die europäische Kommission habe 2011 für verpflichtende Ausschreibungen von Konzessionen in einigen Infrastruktursektoren argumentiert. Das Argument der Kommission war eine Effizienzsteigerung von angeblich 10-30 % in diesen Sektoren. Bei den größtenteils privatisierten WasserversorgerInnen Großbritanniens würde sich jedoch zeigen, dass kaum in die eigene Infrastruktur reinvestiert wurde oder die Löhne der ArbeitnehmerInnen erhöht wurden, im Gegenteil würden 97 % der Profite nach Steuern an ShareholderInnen ausgeschüttet. Dies würde sich aber auch in der Verschuldung der Unternehmen widerspiegeln. Im Gegensatz dazu würde man in Wales nach der Rekommunalisierung des Wasserversorgers sehen, wie die Verschuldung sukzessive abgebaut werden konnte. Während die privatisieren Unternehmen mit dem Abziehen lokaler Wertschöpfung und großen ShareholderInnen funktionieren würde, wären öffentliche Systeme durch lokalisierte Kreisläufe und demokratischer Führung ausgezeichnet. Dies wirkt sich auch auf die Preisbildung und Qualität des Wassers aus, wie die Studie eindrucksvoll zeigt.
Marzena Rogalska (Europäischen Kommission) wies darauf hin, dass sich der von der Europäischen Kommission für April 2019 angekündigte Bericht zur Wasser- und Abwasserversorgung mindestens zwei Jahre verspäten würde, da die Konzessionsrichtlinie in vielen Mitgliedsstaaten erst mit deutlicher Verzögerung umgesetzt wurde. Deswegen würde man noch mit der Sammlung von Daten beschäftigt sein, um ein vollkommenes Bild der europäischen Situation zu bekommen, um unter Einbeziehung der Ergebnisse positive Vorschläge entwickeln zu können.
Wolfgang Deinlein (Stadtwerke Karlsruhe) schilderte das Karlsruher Stadtwerk als städtisches Unternehmen mit mehreren Sparten, das ursprünglich in den Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie gefallen wäre. Die Konzession zur Wasserversorgung hätte so – ggf. auch entgegen dem Interesse der Kommune – an einen privaten Betreiber vergeben werden können. Dies führte zu großer Verunsicherung in der Bevölkerung, welche sich für die öffentliche Wasserversorgung durch die Stadt aussprach.
Walter Kling (Wiener Wasser) kehrte die 140 Jahre andauernde öffentliche Versorgung mit Wasser durch Wiener Wasser hervor und betonte die hohe Zufriedenheit der WienerInnen mit der Qualität ihres Wassers. Die Politik wüsste deshalb, dass man diesen Standard erhalten müsse. Das Wasser in Wien hätte keine Behandlung notwendig und die Wasserleitungen wären auf dem neuesten Stand. Das läge auch daran, dass man sich schon seit den 1970er Jahren mit dem Problem des Wasserverlusts auseinandergesetzt habe, der in anderen Städten aber erst ab den 2000ern als ein Problem erkannt worden war.
Iris Strutzmann (AK Wien) unterstrich die ausgezeichnete Wasserqualität in Österreich, was auch durch die Studie belegt wird. Die öffentlichen VersorgerInnen würden allgemein sehr gut abschneiden, besonders bei den Themen Effizienz und Qualität. Gerade Ungarn wäre ein Beispiel, wie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Wasserversorgung sukzessive privatisiert wurde und darunter die Qualität und verschiedene Serviceleistungen litten. Es bedurfte deshalb eines politischen Kraftaktes, um die Wasserversorgung wieder in die öffentliche Hand zu bringen. Dies habe auch Auswirkungen auf den Wasserpreis gehabt, der mit privaten Betreibern in die Höhe schnellte und nach der Rekommunalisierung wieder sank. Auch für England haben sich im Gegensatz zu einer früheren Studie die Ergebnisse verbessert, was daran liegt, dass der nationale Regulator in den letzten Jahren weit mehr in die Wasserversorgung eingegriffen hat als zuvor.
Thomas Kattnig (Younion) berief sich in seinen Schlussworten auf die hohe Sensibilität der BürgerInnen in Europa für eine qualitativ hochwertige Wasserversorgung. Die vorgestellte Studie würde eine gute empirische Grundlage bieten, um weitere Debatten auf einem hohen Niveau zu führen. Man müsse im Angesicht von Austeritätspolitik wieder den Kampf für öffentliche Dienstleistungen führen und eine qualitativ hochwertige Daseinsvorsorge in den Vordergrund stellen.
Weiterführende Informationen:
Studie: Vergleich europäischer Systeme der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung
Präsentation des Studienautors
AK EUROPA: Ein Menschenrecht auf Wasser muss schnell umgesetzt werden!